Zentraler Inhalt jeder Abmahnung im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes ist die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung soll sich der Schuldner gegenüber dem abmahnenden Gläubiger verbindlich dazu verpflichten, ein bestimmtes Verhalten künftig nicht mehr zu begehen.
Rechtsanwalt Niklas Plutte
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Rechtsanwalt Oliver Wolf, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
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Inhaltsverzeichnis
1. Was ist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung?
2. Strafbewehrte Unterlassungserklärung ist Schuldanerkenntnis
3. (Un-)Zulässige Bedingungen und Einschränkungen
4. Modifizierte Unterlassungserklärung
5. Vorbeugende Unterlassungserklärung
6. Versand der Unterlassungserklärung
7. Übergang der Unterlassungspflicht auf Rechtsnachfolger
8. Anfechtung einer Unterlassungserklärung
9. Kündigung einer Unterlassungserklärung
10. Notarielle Unterwerfungserklärung
11. Rechtsstreitigkeit mit internationalem Bezug
1. Was ist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung?
Kommt es zu einer Rechtsverletzung (z.B. Verletzung von Markenrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht etc.), besteht eine tatsächliche Vermutung für Wiederholungsgefahr (vgl. BGH, Beschluss vom 03.04.2014, Az. I ZB 42/11 – Reichweite des Unterlassungsgebots).
Um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen, muss der Verletzer grundsätzlich eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben, das heißt eine Unterlassungserklärung, die als Zeichen der Ernsthaftigkeit das Versprechen enthält, für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung eine empfindliche Vertragsstrafe an den Gläubiger zu zahlen. Eine einfache Unterlassungserklärung reicht grundsätzlich nicht aus, wenn gleichzeitig keine angemessene Vertragsstrafe versprochen wird. Weigert sich der Verletzer, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, kann der Gläubiger seinen Unterlassungsanspruch gerichtlich per Unterlassungsklage durchsetzen – bei Dringlichkeit auch über eine einstweilige Verfügung.
Zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr reicht eine bloße Einstellung oder Beendigung des Verstoßes nicht aus. Ebenso wenig genügt es, die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nur in Aussicht zu stellen, etwa durch Übersendung eines Musters bzw. Entwurfs einer möglichen Unterlassungserklärung verbunden mit der Inaussichtstellung einer Bereitschaft, diese zu unterzeichnen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2019, Az. 16 W 16/19). Auch bloße Absichtserklärungen, die Rechtsverletzung nicht mehr zu wiederholen, reichen nicht aus (vgl. LG Frankenthal, Urteil vom 03.11.2020, Az. 6 O 145/20).
Sind mehrere Schuldner gegenüber dem Gläubiger zur Unterlassung verpflichtet, reicht die Abgabe einer gesamtschuldnerischen Unterlassungserklärung nicht aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Die Unterlassungspflicht gilt für jeden Schuldner persönlich und individuell, so dass sie sich mit dem Wesen der Gesamtschuld aus § 421 BGB nicht vereinbaren lässt (vgl. LG Frankenthal, Urteil vom 30.03.2016, Az. 6 O 8/16).
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2. Strafbewehrte Unterlassungserklärung ist Schuldanerkenntnis
Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung stellt ein abstraktes Schuldanerkenntnis gemäß §§ 780, 781 BGB dar, wenn sie schriftlich abgegeben wurde (vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2009, Az. I ZR 217/07). Mit “abstrakt” ist gemeint, dass die Unterlassungserklärung eine neue, selbständige Verbindlichkeit darstellt, aus der der Gläubiger bei Verstößen weitestgehend unabhängig von der materiell-rechtlichen Lage gegen den Schuldner vorgehen kann.
Wird auf eine Abmahnung hin beispielsweise eine Unterlassungserklärung trotz rechtlicher Unsicherheiten über die Berechtigung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs abgegeben, um einen kostenträchtigen Prozess zu vermeiden, muss sich die Schuldner auch dann am Unterlassungsvertrag festhalten lassen, wenn materiell-rechtlich gar keine Unterlassungspflicht bestand (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 29.04.2014, Az. 6 U 10/13).
Eine andere Frage ist es, ob in der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ein Anerkenntnis der mit der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten liegt, was der Bundesgerichtshof für den Regelfall verneint (BGH, Urteil vom 24.09.2013, Az. I ZR 219/12). Der Abgemahnte kann sich also auch dann gegen die Forderung auf Abmahnkostenerstattung erfolgreich zur Wehr setzen, wenn er die Unterlassungserklärung nicht ausdrücklich “ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich” abgegeben hatte.
Vorsicht: Wer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bloß “ohne Anerkennung einer Rechtspflicht” abgibt und den Zusatz “gleichwohl rechtsverbindlich” weglässt, begründet Zweifel an der Ernstlichkeit seines Unterlassungsversprechens mit der Folge eines Fortbestands der Wiederholungsgefahr (vgl. LG Frankenthal, Urteil vom 03.11.2020, Az. 6 O 145/20 m.V.a. LG Hamburg, Urteil vom 02.03.2016, Az. 310 O 97/16; a.A. BeckOK UrhR/Reber, 29. Ed. 20.4.2018, UrhG § 97 Rn. 94).
3. (Un-)Zulässige Bedingungen und Einschränkungen
Eine Unterlassungserklärung ist grundsätzlich bedingungsfeindlich, d.h. der Schuldner muss sich ernsthaft, unbefristet, vorbehaltlos und hinreichend unterwerfen (vgl. LG Frankenthal, Urteil vom 03.11.2020, Az. 6 O 145/20). Sie muss eindeutig und hinreichend bestimmt sein sowie den ernstlichen Willen des Schuldners erkennen lassen, die betreffende Handlung nicht mehr zu begehen. Außerdem muss sie den bestehenden gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang voll abdecken und dementsprechend uneingeschränkt, unwiderruflich, unbedingt und grundsätzlich auch ohne die Angabe eines Endtermins erfolgen.
Ausnahmsweise dürfen Vorbehalte in der Erklärung aufgenommen werden, wenn sie mit dem Sinn und Zweck einer Unterwerfungserklärung vereinbar sind, also eine abschließende (außergerichtliche) Unterbindung rechtswidrigen Wettbewerbsverhaltens nicht ausschließen. Eine Unterlassungserklärung darf z.B. inhaltlich auf das beschränkt werden, was dem Gläubiger nach materiellem Recht zusteht. Der Schuldner muss keine Unterlassungserklärung unterzeichnen für etwas, das ihm nicht verboten werden kann.
Zulässig ist eine auflösende Bedingung, wenn diese in einer Änderung der Rechtslage – oder in deren verbindlicher Klärung in entsprechendem Sinne – besteht, durch die das zu unterlassende Wettbewerbsverhalten rechtmäßig bzw. seine Zulässigkeit verbindlich geklärt wird. Eine solche Bedingung stellt die Ernsthaftigkeit des Willens, wettbewerbswidriges Handeln zu unterlassen, nicht infrage, weil ein Recht zum erneuten Handeln nur für den Fall vorbehalten wird, dass seine Rechtmäßigkeit zweifelsfrei und allgemein verbindlich feststeht (BGH, Urteil vom 21.02.2008, Az. I ZR 142/05 – Buchführungsbüro).
Das OLG Hamburg meint, dass eine Unterlassungserklärung, die “unter der auflösenden Bedingung einer auf Gesetz oder höchstrichterlicher Rechtsprechung beruhenden eindeutigen Klärung des zu unterlassenden Verhaltens als rechtmäßig” abgegeben wird, nicht die Wiederholungsgefahr beseitigt (OLG Hamburg, Urteil vom 22.01.2015, Az. 5 U 271/11). Der Zeitpunkt, wann eine “eindeutige Klärung” erfolge, sei ebenso vage wie die Frage, welches Gericht als “höchstrichterliches Gericht” anzusehen ist (BGH, EuGH). Diese Auffassung teilte das LG Hannover, das eine Unterlassungserklärung “unter der auflösenden Bedingung einer allgemein verbindlichen d.h. auf Gesetz oder höchstrichterlichen Rechtsprechung beruhenden Klärung des zu unterlassenden Verhaltens” als nicht ausreichend ansah, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen (LG Hannover, Urteil vom 21.07.2015, Az. 18 O 159/15).
Das OLG Frankfurt vertritt die entgegengesetzte Position. Eine Unterlassungserklärung sei auch dann wirksam, wenn sie “unter der auflösenden Bedingung einer allgemein verbindlichen, d.h. auf Gesetz oder höchstrichterlicher Rechtsprechung beruhenden Klärung des zu unterlassenden Verhaltens” abgegeben wurde (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.05.2017, Az. 6 W 21/17).
Unzulässig ist es, die Wirksamkeit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung von der Aktivlegitimation des Abmahnenden abhängig zu machen (vgl. LG Paderborn, Urteil vom 28.11.2017, Az. 7 O 48/17).
Eine aufschiebende Bedingung kann zulässig sein, etwa wenn das Wirksamwerden der Unterlassungserklärung vom Eintritt eines in der Zukunft liegenden Anfangstermins abhängig gemacht wird (BGH, Urteil vom 31.05.2001, Az. I ZR 82/99 – Weit-Vor-Winter-Schluß-Verkauf). Speziell bei Unterlassungserklärungen von Kaufleuten ist die Aufnahme eines Verzichts auf § 348 HGB nach ganz herrschender Meinung zulässig und empfehlenswert, um die Vertragsstrafe im Falle eines künftigen Verstoßes nach § 343 HGB senken zu können.
Unzulässig ist dagegen eine zeitliche Wirksamkeitsbefristung der Unterlassungserklärung bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Prozesses (OLG Hamm, Beschluss vom 23.05.2006, Az. 4 U 56/06). Das gleiche gilt für eine auflösende Bedingung, wonach die Wirkungen der Unterlassungserklärung wegfallen sollen, wenn sich herausstellt, dass der Unterlassungsanspruch rechtsmissbräuchlich geltend gemacht wurde (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.09.2010, Az. I-20 U 129/09). Ebenso unzulässig ist eine Potestativbedingung, wonach die Unterlassungsverpflichtung “unter die für die Ausräumung der Wiederholungsgefahr unschädliche Potestativbedingung der Urheberschaft / Aktivlegitimation” gestellt wird (OLG Hamburg, Beschluss vom 16.10.2014, Az. 5 U 39/13).
Für unzulässig erklärt wurde auch die Aufnahme des folgenden Zusatzes, mit dem die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe bei mehreren gleichzeitigen Verstößen in der Summe auf maximal drei Vertragsstrafen beschränkt wurde:
“Im Falle von drei und mehr Verstößen, die gleichzeitig festgestellt werden, ist die Vertragsstrafe dreifach verwirkt.”
Dass an sich verständliche Ziel des Schuldners, bei künftigen Verstößen nicht unverhältnismäßig haften zu müssen, sei bereits durch die Möglichkeit zur Einstufung als natürliche Handlungseinheit gewährleistet, wodurch im Ergebnis bei der Vertragsstrafenbemessung nur ein einzelner Verstoß zugrunde gelegt werde (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.06.2017, Az. I-20 W 40/17).
Das Oberlandesgericht Frankfurt ist der Meinung, dass es bei einer irreführenden Werbeaussage im Internet nicht ausreicht, wenn die Unterlassungserklärung auf den Internetbereich beschränkt wird. Die Wiederholungsgefahr entfalle nur, wenn sich die Unterlassungsverpflichtung auch auf “andere Werbemedien” wie z.B. den Printbereich erstrecke, da der Kernbereich der Verletzungshandlung bei einer Online-Aussage beispielsweise auch Veröffentlichungen in einer Zeitung erfasse. Die bei Online-Rechtsverletzungen bisher übliche Formulierung “Der Unterlassungsschuldner verpflichtet sich, es zu unterlassen, im Internet […]” ist nach der Frankfurter Auffassung nicht ausreichend, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 25.01.2016, Az. 6 W 1/16).
Die gleiche Position vertritt das Landgericht Berlin. Im dortigen Verfahren war der Abgemahnte außergerichtlich zur Unterlassung von Äußerungen aufgefordert worden, verpflichtete sich aber nur dazu, die angegriffenen Äußerungen im Internet zu unterlassen. Daraufhin erklärte der Abmahner die Annahme der modifizierten Unterlassungserklärung und erwirkte hinsichtlich offen gebliebenen Ansprüche eine einstweilige Verfügung, die nach Kostenwiderspruch vom Gericht bestätigt wurde (LG Berlin, Urteil vom 25.01.2017, Az. 97 O 122/16).
Bei Verstößen im Internet muss sich Anspruchsinhaber nicht auf eine strafbewehrte Unterlassungserklärung einlassen, die Verstöße im Google Cache von der Unterlassungspflicht ausnimmt.
Folge einer unzulässigen Bedingung bzw. Einschränkung ist der Fortbestand der Wiederholungsgefahr. Der Gläubiger darf den Unterlassungsanspruch abgesehen von seltenen Ausnahmen ohne weitere Nachfrage gerichtlich durchsetzen und die Kosten auf den Schuldner abwälzen. Angesichts dieses Risikos sollten Bedingungen, Befristungen oder sonstige Vorbehalte nur von erfahrenen Rechtsanwälten in die Unterlassungserklärung aufgenommen werden.
4. Modifizierte Unterlassungserklärung
Regelmäßig liegt der Abmahnung eine Unterlassungserklärungsvorlage bei. Der Abmahner kann vom Abgemahnten allerdings nicht verlangen, gerade die vorformulierte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Insbesondere besteht kein Anspruch auf eine feste Vertragsstrafe. Selbst wenn die mit der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche berechtigt sind und das beanstandete Verhalten rechtswidrig ist, besteht nur ein Anspruch auf Abgabe einer rechtlich zufriedenstellenden Unterlassungserklärung. Da die Unterlassungserklärungsvorlagen oft zu Gunsten der Rechteinhaber formuliert sind, empfiehlt sich meist die Abgabe einer zu Gunsten des Abgemahnten veränderten Fassung (= modifizierte Unterlassungserklärung).
Wurde die Vorlage von einem Rechtsanwalt vorformuliert, können die äußeren Umstände für die Einordnung als AGB sprechen. Selbst wenn der Gläubiger zahlreiche Streichungen in untergeordneten Klauseln akzeptiert, gilt die Vertragsstrafeklausel nicht automatisch als ausgehandelt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.11.2023, Az. 2 U 99/22). Diese Konstruktion ermöglicht es, Vertragsstrafeversprechen als unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB und unwirksam einzustufen.
Beispiel: Wurde vom Abmahner in der vorgelegten Unterlassungserklärung eine feste Vertragsstrafe “vorgeschlagen”, wird es für den Abgemahnten fast immer vorteilhafter sein, eine Vertragsstrafe nach Hamburger Brauch zu versprechen. In dieser Konstellation verzichtet der Abgemahnte übrigens in der Regel gemäß § 151 Satz 1 BGB auf eine ausdrückliche Annahme der modifizierten Unterlassungserklärung durch den Abmahner (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 31.03.2022, Az. 6 W 11/22).
Kommt es nach Abgabe einer Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch zu erneuten Verstößen, darf der Abmahner nach billigem Ermessen eine Vertragsstrafe bestimmen. Der Abgemahnte hat seinerseits die Möglichkeit, die Angemessenheit der Vertragsstrafe gerichtlich überprüfen zu lassen. Diese Abfolge ermöglicht in der Praxis meist fairere Ergebnisse als die Vereinbarung fix bezifferter Vertragsstrafen.
Auf die Erstellung der Unterlassungserklärung ist große Sorgfalt zu verwenden, da die Unterlassungspflicht lebenslang gilt. Wird gegen die Unterlassungserklärung verstoßen, drohen Vertragsstrafen in Höhe von mehreren tausend Euro pro Fall, was existenzbedrohliche Folgen haben kann. Trotz aller frei verfügbaren Informationen im Internet sollte man daher stets einen spezialisierten Anwalt hinzuziehen.
Besonderheit im Urheberrecht: Im Zusammenhang mit Unterlassungserklärungsvorlagen ist auf § 97 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UrhG zu achten. Geht die der Abmahnung beigefügte Unterlassungserklärungsvorlage über die abgemahnte Rechtsverletzung hinaus, muss darauf in der Abmahnung klar und verständlich hingewiesen werden. Fehlt ein solcher Hinweis, ist die Abmahnung unwirksam (§ 97 a Abs. 2 Satz 2 UrhG). Die Regelung gilt nicht nur für urheberrechtliche Abmahnungen gegenüber Verbrauchern, sondern auch gegenüber Unternehmern.
In anderen Rechtsgebieten gilt zumindest für den B2B-Bereich, dass anwaltliche Abmahnkosten auch dann in voller Höhe ersetzt werden, wenn die der Abmahnung beigefügte Unterlassungserklärungsvorlage inhaltlich zu weitreichend war (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.11.2017, Az. 1 W 40/17). Es ist Sache des Abgemahnten, in dieser Lage eine angemessene strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2019, Az. 16 W 16/19).
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5. Vorbeugende Unterlassungserklärung
Rechnet der Abgemahnte mit weiteren Abmahnungen (von Dritten), sollte geprüft werden, ob es sinnvoll ist, vorbeugende Unterlassungserklärungen abzugeben. Vorbeugende Unterlassungserklärungen haben das Ziel, Abmahnungen zuvorzukommen, um die Verpflichtung zur Erstattung anwaltlicher Abmahnkosten zu vermeiden.
Nach dem Bundesgerichtshof stellen unaufgefordert zugesandte Unterlassungserklärungen keine Belästigungen im Sinne eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar und lösen auch keinerlei Kostenerstattungsansprüche des Empfängers für die Entgegennahme der Unterlassungserklärungen aus (BGH, Urteil vom 28.02.2013, Az. I ZR 237/11).
6. Versand der Unterlassungserklärung
Der BGH hat seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, wonach der Gläubiger auf eine Zusendung des Originals der Unterlassungserklärung bestehen darf und eine Zusendung ausschließlich per Fax nicht ausreicht (vgl. BGH, Urteil vom 08.03.1990, Az. I ZR 116/88; LG Düsseldorf, Beschluss vom 27.06.2013, Az. 14c O 99/13).
Nach neuer Rechtsprechung fehlt es im Regelfall nicht an der Ernstlichkeit der Unterlassungsverpflichtungserklärung, wenn der Unterlassungsschuldner dem Verlangen des Unterlassungsgläubigers nicht nachkommt, innerhalb der gesetzten Frist eine unterschriebene Unterlassungsverpflichtungserklärung im Original zu übersenden, sondern er stattdessen fristgemäß eine unterschriebene Erklärung als PDF-Datei per E-Mail übersendet (BGH, Urteil vom 12.01.2023, Az. I ZR 49/22 – Unterwerfung durch PDF als Bestätigung von LG Stuttgart, Urteil vom 30.03.2022, Az. 4 S 230/21).
7. Übergang der Unterlassungspflicht auf Rechtsnachfolger
Der Übergang der Verpflichtung aus einer wettbewerblichen Vertragsstrafevereinbarung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ist grundsätzlich geeignet, die nach einem Wettbewerbsverstoß vermutete Begehungsgefahr auch im Verhältnis zum Rechtsnachfolger des Unterlassungsschuldners entfallen zu lassen.
“Wie bei jedem Vertragsstrafeversprechen kommt es auch im Falle der Rechtsnachfolge entscheidend darauf an, dass die versprochene Verpflichtung geeignet erscheint, den Rechtsnachfolger wirklich und ernsthaft von Wiederholungen der Verletzungshandlung abzuhalten. Ob dies der Fall ist, muss in umfassender Würdigung aller hierfür in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls sorgfältig und unter Anlegung der gebotenen strengen Maßstäbe geprüft werden. Da der Rechtsnachfolger selbst keine Unterlassungserklärung abgegeben hat, sondern der Übergang des Vertragsstrafeversprechens aufgrund der Rechtsnachfolge eintritt, wird man darüber hinaus – wie bei einem von einem Dritten erwirkten Unterlassungstitel verlangen müssen, dass der Rechtsnachfolger sich auf den Rechtsübergang beruft und dadurch zu erkennen gibt, dass das Vertragsstrafeversprechen auch diesen Streit regelt. […] Im Gegensatz zur gesetzlichen Unterlassungsverpflichtung geht eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auf den Gesamtrechtsnachfolger über (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.01.2014, Az. 6 U 135/10).
Merke: Anders als für vertragliche Unterlassungsverpflichtungen aus strafbewehrten Unterlassungserklärungen ist anerkannt, dass gesetzliche Unterlassungspflichten aufgrund ihrer höchstpersönlichen Natur nicht auf den Rechtsnachfolger übergehen.
8. Anfechtung einer Unterlassungserklärung
In der Praxis hat die Anfechtung einer einmal abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung nur in seltenen Ausnahmefällen Aussicht auf Erfolg, etwa dann, wenn der Unterlassungsgläubiger über seine Abmahnberechtigung (Aktivlegitimation) getäuscht hat.
So ist eine auf eine Abmahnung hin abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung gemäß § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung anfechtbar, wenn der abmahnende Verband falsche tatsächliche Angaben zu seiner Aktivlegitimation gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG macht (hier: zur Zahl der ihm angehörenden branchenähnlichen Unternehmen). Der Schuldner, der sich auf einen Anfechtungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 BGB beruft, ist nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet für die Tatsachen, die den Tatbestand von § 123 Abs. 1 BGB ausfüllen. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung steht dem späteren Einwand des Unterlassungsschuldners nicht entgegen, er sei vom Anspruchsteller mit der Abmahnung über das Bestehen von dessen Aktivlegitimation arglistig getäuscht worden. Insbesondere muss es der Unterlassungsschuldner nicht auf einen Gerichtsprozess über den Unterlassungsanspruch ankommen lassen, um die Frage der Aktivlegitimation des Anspruchstellers zu klären. Verteidigt sich der Schuldner eines Unterlassungsvertrags im Vertragsstrafeprozess mit einer Anfechtung im Sinne der Ziffer 1. und bestreitet er die Aktivlegitimation des Anspruchstellers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG substantiiert, so trifft den Anspruchsteller eine sekundäre Darlegungslast zur Frage seiner Aktivlegitimation im Zeitpunkt der Abmahnung für die Zahl und Identität der ihm angehörigen branchenähnlichen Unternehmen (OLG Hamburg, Beschluss vom 22.06.2022, Az. 15 U 137/21).
Noch einmal: Die Anfechtbarkeit einer abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung ist die seltene Ausnahme. Kein Anfechtungsgrund liegt vor, wenn der Schuldner trotz Zweifeln über die materiell-rechtliche Berechtigung des Unterlassungsanspruch eine Unterlassungserklärung unterzeichnet.
9. Kündigung einer Unterlassungserklärung
Die Kündigung einer abgegebenen Unterlassungserklärung ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Meist wird sich der Schuldner an seiner Unterlassungserklärung festhalten lassen müssen.
Die außerordentliche Kündigung einer Unterlassungserklärung aus wichtigem Grund (§ 314 BGB) ist möglich bei einer Gesetzesänderung oder Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der ein bis dato verbotenes Verhalten eindeutig für zulässig erklärt wird (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2014, Az. I ZR 210/12 – fishtailparka). Fordert der Gläubiger aus einer derartigen Unterlassungserklärung, die nicht rechtzeitig gekündigt wurde die Zahlung einer Vertragsstrafe, kann ihm im Einzelfall Rechtsmissbrauch vorzuwerfen sein (BGH, Urteil vom 31.05.2012, Az. I ZR 45/11 – Missbräuchliche Vertragsstrafe).
Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten bei einer Abmahnung kann ebenfalls einen wichtigen Grund für die Kündigung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung darstellen. Bei einem aufgrund missbräuchlicher Abmahnung abgeschlossenen Unterlassungsvertrag steht der Geltendmachung von Vertragsstrafen für Verstöße, die der Schuldner vor der Kündigung des Vertrags begangen hat, der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen (BGH, Urteil vom 14.02.2019, Az. I ZR 6/17 – Kündigung der Unterlassungsvereinbarung).
Ein Kündigungsrecht besteht jedoch nicht für Unterlassungserklärungen, die unabhängig von Gesetzesänderungen oder der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung schlicht nicht hätten abgegeben werden müssen, weil tatsächlich kein Unterlassungsanspruch bestand. Nicht ausreichend ist daher auch die Änderung der Rechtsprechung eines Instanzgerichts oder die abweichende Beurteilung eines Sachverhalts durch eine Behörde (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2014, Az. I ZR 210/12 – fishtailparka). Noch strenger sind die Anforderungen an den Wegfall der Geschäftsgrundlage.
10. Notarielle Unterwerfungserklärung
Noch relativ neu ist die Diskussion, ob die Wiederholungsgefahr entfallen kann, wenn der Schulder keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, als Alternative aber die vollstreckbare Ausfertigung einer notariellen Unterwerfungserklärung vorlegt.
Bei einer notariell beurkundeten Unterwerfungserklärung verpflichtet sich der Schuldner vor einem Notar, das abmahnte Verhalten zu unterlassen. Gleichzeitig unterwirft er sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen für den Fall, dass es künftig zu einem Verstoß gegen die Unterlassungspflicht kommen sollte. Vorteil dieses Vorgehens ist, dass bei Verstößen “nur” Ordnungsgeld an den Staat zu zahlen ist, nicht aber eine Vertragsstrafe an den Gläubiger. Kritiker wenden ein, dass es für den Gläubiger zu Rechtsschutzlücken kommen könne, da das Gericht im Falle eines Verstoßes zunächst einen Anordnungsbeschluss erlassen müsse, was etwa zwei Monate dauert. Während dieser Zeitspanne sei der Gläubiger praktisch rechtsschutzlos. Außerdem würde der fliegende Gerichtsstand rechtswidrig eingeschränkt.
Nachdem sich das LG Köln diesen Bedenken zunächst nicht angeschlossen und den Wegfall der Wiederholungsgefahr durch Übersendung der notariellen Unterwerfungserklärung an den Gläubiger bejaht hatte (LG Köln, Urteil vom 23.09.2014, Az. 33 O 29/14 – mit guter Anmerkung von Dr. Bahr), hob das OLG Köln die Entscheidung wieder auf. Die Abgabe einer notariellen Unterwerfungserklärung allein reiche nicht aus, solange nicht auch der Androhungsbeschluss gemäß § 890 ZPO vorliege und zugestellt sei (OLG Köln, Urteil vom 10.04.2015, Az. 6 U 149/14, bestätigt durch BGH, Urteil vom 21.04.2016, Az. I ZR 100/15). Diese Auffassung teilen auch das LG Berlin sowie das OLG Düsseldorf (LG Berlin, Urteil vom 04.08.2015, Az. 15 O 56/15; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.05.2016, Az. I-15 W 13/16). Die herrschende Meinung geht damit davon aus, dass eine notarielle Unterwerfungserklärung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht ersetzen kann mit der Folge, dass weiter Wiederholungsgefahr besteht.
Mittlerweile liegt eine weitere Entscheidung zur notariellen Unterwerfungserklärung vor, wonach bei Streitigkeiten aus einer notariellen Unterwerfungserklärung das Amtsgericht am Sitz des Notars zuständig ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.09.2014, Az. I-20 W 93/14).
Nach einer notariellen Unterlassungserklärung kann nur der Gläubiger einen Antrag nach § 890 Abs. 2 ZPO auf Androhung von Ordnungsmitteln stellen (BGH, Beschluss vom 07.06.2018, Az. I ZB 117/17 – Ordnungsmittelandrohung durch Schuldner).
11. Rechtsstreitigkeit mit internationalem Bezug
Bei Rechtsstreitigkeit mit internationalem Bezug müssen ausländische Unternehmen, die auf dem deutschem Markt tätig sind, bei Wettbewerbsverstößen eine deutsche Gerichtsstandsvereinbarung in der Unterlassungserklärung akzeptieren (vgl. Kammergericht, Urteil vom 25.04.2014, Az. 5 U 178/11).
Diese Auffassung wurde vom OLG Frankfurt für Urheberrechtsverletzungen übernommen und zusätzlich um die Pflicht zur Akzeptanz einer Rechtswahlklausel erweitert. Im Fall hatte sich ein Schweizer Unternehmen geweigert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung mit Gerichtsstandsvereinbarung in Deutschland sowie Anwendbarkeit deutschen Rechts abzugeben. Stattdessen gab das Unternehmen nur eine normale Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch ab. Das reichte nicht, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Der Rechteinhaber habe ein schutzwürdiges Interesse, rechtliche Unsicherheiten zu beseitigen, ob ein Prozess über künftige Vertragsstrafen möglicherweise vor einem ausländischen Gericht geführt werden muss (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.03.2021, Az. 11 W 13/21).
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