Hier finden Sie eine Übersicht der wichtigsten rechtlichen Aspekte rund um Vertragsstrafen (auch Konventionalstrafe oder Pönale genannt) wegen Verstößen gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zusammen mit vielen Tipps und Beispielen aus der Rechtsprechung.
Vertragsstrafe als Teil von Unterlassungserklärungen
(Neuer) Hamburger Brauch – was bedeutet das?
Unwirksame Vertragsstrafeversprechen
Auslegung von Unterlassungsverträgen
Wichtig: Kerntheorie beachten
Höhe und Berechnungsmaßstab bei Vertragsstrafen
Herabsetzung wegen außerordentlichem Missverhältnis
Rechtsmissbrauch im Zusammenhang mit Vertragsstrafen
Zuständigkeit bei Klagen auf Zahlung einer Vertragsstrafe
Anwaltskosten für Zahlungsaufforderung ersatzfähig?
Rechtsprechung rund um das Thema Vertragsstrafe
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Vertragsstrafe als Teil von Unterlassungserklärungen
Teil einer Abmahnung (z.B. wegen einer Markenverletzung) ist die Aufforderung an den Rechtsverletzer, eine strafbewehrten Unterlassungserklärung abzugeben.
„Strafbewehrt“ bedeutet, dass der Abgemahnte zusichert, für den Fall einer Wiederholung eine Geldsumme an den Abmahner zu zahlen – nur in diesem Fall wird eine Unterlassungserklärung überhaupt rechtlich ernst genommen. Die Vertragsstrafe verfolgt den Zweck, Druck auf den Abgemahnten auszuüben, damit er künftig keine weiteren Rechtsverstöße begeht. Außerdem soll der Gläubiger im Falle eines Verstoßes einen pauschalierten Mindestschaden erhalten, ohne den in der Praxis oft schwierigen Schadensnachweis führen zu müssen.
Mit dem gleichen Ziel werden strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungen häufig in Verträgen verwendet, um Verstöße gegen Vertragspflichten effektiv ahnden zu können und den schwierigen Nachweis der Schadenshöhe zu vermeiden.
Beispiele: Geheimhaltungsvereinbarung, Kundenschutzvereinbarung
Die Pflicht zur Zahlung der Vertragsstrafe ist verschuldensabhängig. Sie entsteht nur, wenn der Abgemahnte bzw. Vertragspartner nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung schuldhaft gegen die Unterlassungspflicht verstößt. Bei einem Verstoß gegen die Unterlassungspflicht wird das Verschulden des Schuldners vermutet (Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 12 Tz. 1.208).
Schuldhaft bedeutet dabei nicht, dass ein absichtlicher Verstoß vorliegen müsste. Fahrlässige Verstöße gegen die Unterlassungserklärung lösen die Vertragsstrafe ebenso aus wie Verstöße von Mitarbeitern oder Beauftragten, für welche der Schuldner regelmäßig einstehen muss, weil ihm das Verhalten seiner Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB zuzurechnen ist (LG Memmingen, Urteil vom 18.07.2018, Az. 1 HK O 137/18).
Zurechnung des Verhaltens von Erfüllungsgehilfen: Ob jemand als Erfüllungsgehilfe eines anderen anzusehen ist, bestimmt sich danach, ob er nach den rein tatsächlichen Vorgängen des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung der diesem obliegende Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird. Die unternehmerische Selbständigkeit der Hilfsperson steht der Annahme, der Dritte sei Erfüllungsgehilfe, nicht entgegen. Eine Werbeagentur, deren sich ein Vertragsstrafeschuldner für seine Werbung bedient, handelt bei ihrer Tätigkeit auch insoweit als Erfüllungsgehilfe des Schuldners, als es um die Erfüllung der vertraglich übernommenen Unterlassungspflicht geht. Dasselbe gilt, wenn der Schuldner bei seiner Werbung ein Verlagsunternehmen und dessen Anzeigenabteilung einschaltet (BGH, Urteil vom 04.05.2017, Az. I ZR 208/15 – Luftentfeuchter).
Beispiel: Die Immobilienplattformen Immowelt und ImmoScout sind Erfüllungsgehilfen von Maklern, die dort Inserate schalten (LG Memmingen, Urteil vom 18.07.2018, Az. 1 HK O 137/18).
Wichtig: Mehrere Gerichte haben entschieden, dass der Unterzeichner einer Unterlassungserklärung bei Rechtsverletzungen im Internet mindestens auch den Google Cache bereinigen lassen muss. Andernfalls haftet er auf Zahlung einer Vertragsstrafe.
(Neuer) Hamburger Brauch – was bedeutet das?
Überwiegend wird von Gläubigern in Abmahnungen gefordert, eine feste Vertragsstrafe zu versprechen. Vor allem die Beträge 5.001 € und 5.100 € haben sich als Vertragsstrafenvorschläge eingebürgert. Hintergrund ist, dass Zahlungsklagen ab einem Streitwert von 5.001 € vor den Landgerichten erhoben werden können, denen größere Sachkompetenz zugetraut wird als den Amtsgerichten.
Der abmahnende Gläubiger hat allerdings keinen Anspruch auf eine der Höhe nach fest bezifferte Vertragsstrafe. Zwar lässt das Versprechen einer völlig unbestimmten Vertragsstrafe die Wiederholungsgefahr nicht entfallen (OLG Jena, Beschluss vom 20.07.2011, Az. 2 W 343/11). Es ist aber zulässig, eine flexible Regelung zu verwenden, nach der die Vertragsstrafenhöhe in das billige Ermessen des Abmahners oder eines Dritten gestellt wird und im Verletzungsfall auf Betreiben des Abgemahnten eine gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit erfolgen kann (sog. „Neuer Hamburger Brauch„).
Kommt es nach Abgabe einer Unterlassungserklärung zu einem erneuten identischen Wettbewerbsverstoß, entsteht ein neuer Unterlassungsanspruch. Die Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich nur durch eine weitere Unterlassungserklärung mit einer gegenüber der ersten erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden (LG Köln, Urteil vom 11.07.2013, Az. 14 O 61/13). Eine Unterlassungserklärung nach neuem Hamburger Brauch reicht nicht mehr aus. Wurde die erste Unterlassungserklärung nach Hamburger Brauch abgegeben, kann der Schuldner in der zweiten Unterlassungserklärung entweder eine Mindestsumme versprechen („nicht unter …“) oder eine fixe Vertragsstrafe (OLG Köln, Urteil vom 24.05.2017, Az. 6 U 161/16; OLG Köln, Urteil vom 05.12.2014, Az. 6 U 57/14).
Will der Schuldner keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben, besteht alternativ die relativ neu diskutierte Möglichkeit zur Abgabe einer notariellen Unterwerfungserklärung. Andernfalls muss abgewartet werden, ob der Gläubiger gerichtliche Schritte einleitet, zum Beispiel in Gestalt einer einstweiligen Verfügung.
Unwirksame Vertragsstrafeversprechen
Es ist grundsätzlich zulässig, die Bestimmung der Vertragsstrafe durch einen Dritten zu versprechen (§§ 315, 317 BGB). Dieser Dritte muss aber auch Willens und in der Lage sein, eine Vertragsstrafe zu bestimmen. Lehnt er das Bestimmungsrecht ab, besteht die Wiederholungsgefahr fort (LG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2014, Az. 34 O 35/14).
Unwirksam ist ein Unterlassungsvertrag ohne Festlegung, durch wen die Höhe einer Vertragsstrafe bestimmt wird (LG Bielefeld, Urteil vom 21.06.2013, Az. 1 O 227/12). Ebenso darf das Vertragsstrafeversprechen in einer Unterlassungserklärung nicht als Spende an Dritte ausgestaltet sein (LG Köln, Urteil vom 20.08.2013, Az. 33 O 292/12).
Im Rahmen eines Prozessvergleichs ist die Androhung eines Ordnungsgelds nach § 890 Abs. 2 ZPO statt des Versprechens einer Vertragsstrafe unzulässig (BGH, Beschluss vom 02.02.2012, Az. I ZB 95/10). Hat sich der Schuldner in einem Prozessvergleich zur Unterlassung verpflichtet, kann der Gläubiger aber grundsätzlich auch dann einen Antrag auf gerichtliche Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 2 ZPO stellen, wenn der Schuldner im Vergleich eine Vertragsstrafe versprochen hat (BGH, Beschluss vom 03.04.2014, Az. I ZB 3/12).
Nach Meinung des Oberlandesgerichts Frankfurt ist ein uneingeschränkter Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs in Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit wesentlichen Grundgedanken des Vertragsstrafenrechts nicht zu vereinbaren und stellt im Regelfall eine unangemessene Benachteiligung des Schuldners dar. Eine Vertragsstrafenvereinbarung, die eine entsprechende Klausel enthält, ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn nicht besondere Umstände ausnahmsweise eine Abweichung rechtfertigen (OLG Frankfurt, Urteil vom 23.07.2020, Az. 6 U 91/19).
Auslegung von Unterlassungsverträgen
Bei Auslegung einer Unterlassungsvereinbarung ist zu berücksichtigen, dass die Parteien bei der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages frei sind, so dass sich dessen Auslegung nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen richtet. Maßgebend für die Reichweite einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), zu dessen Auslegung neben dem Inhalt der Vertragserklärungen auch die beiderseits bekannten Umstände, insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, ihr Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien und ihre Interessenlage heranzuziehen sind (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2015, Az. I ZR 224/13 – Kopfhörer-Kennzeichnung; BGH, Urteil vom 18.09.2014, Az. I ZR 76/13 – CT-Paradies; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.08.2019, Az. I-2 U 44/18).
Ein unmittelbarer Rückgriff auf die zur Auslegung von Unterlassungstiteln entwickelten Grundsätze ist nicht möglich, weil einem Unterlassungsvertrag der Charakter eines vollstreckbaren Titels fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 17.07.1997, Az. I ZR 40/95 – Sekundenschnell). Selbst der Umstand, dass sich ein Unterlassungsvertrag seinem Wortlaut nach nur auf einen bestimmten Werbesatz bezieht, bedeutet nicht, dass sich die vertragliche Unterlassungspflicht auf diesen beschränken muss. Zweck eines Unterlassungsvertrages ist es regelmäßig, nach einer Verletzungshandlung die Vermutung der Wiederholungsgefahr durch eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungsverpflichtung auszuräumen und damit die Einleitung oder Fortsetzung eines gerichtlichen Verfahrens entbehrlich zu machen. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr gilt jedoch nicht allein für die genau identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen. Der regelmäßig anzunehmende Zweck eines Unterlassungsvertrages spricht deshalb erfahrungsgemäß dafür, dass die Vertragsparteien durch ihn auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfassen wollten, sofern nicht die Auslegung des Unterlassungsvertrages ergibt, dass dieser bewusst eng auf die bezeichnete konkrete Verletzungsform bezogen ist (vgl. BGH, Urteil vom 17.07.1997, Az. I ZR 40/95 – Sekundenschnell). Akzeptieren beide Parteien eine bestimmte Formulierung, so hat die vertragliche Vereinbarung insoweit auch Vergleichscharakter.
Gerade bei mehreren Rechtsverletzungen im Internet ist häufig fraglich, ob eine oder mehrere Vertragsstrafen anfallen.
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit bei mehreren oder wiederkehrenden Vertragsverstößen, diese zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind, ist zunächst der Vertragswortlaut. Das Versprechen, eine Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ zu zahlen, kann dahin auszulegen sein, dass mehrere zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Einzelverstöße, die auf fahrlässigem Verhalten beruhen, als eine einzige Zuwiderhandlung angesehen werden (BGH, Urteil vom 09.07.2015, Az. I ZR 224/13 – Kopfhörer-Kennzeichnung). Wenn es zu einer Mehr- oder Vielzahl von Verstößen gekommen ist, ist zunächst zu prüfen, ob diese eine natürliche Handlungseinheit und damit nur eine Handlung darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 17.07.2008, Az. I ZR 168/05 – Kinderwärmekissen; BGH, Urteil vom 09.07.2015, Az. I ZR 224/13 – Kopfhörer-Kennzeichnung m.w.N.). Sie zeichnet sich durch einen engen Zusammenhang der Einzelakte und durch eine auch für Dritte äußerlich erkennbare Zugehörigkeit zu einer Einheit aus (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.08.2019, Az. I-2 U 44/18; OLG München, Urteil vom 23.10.2014, Az. 29 U 2626/14). Wenn keine solche Handlungseinheit vorliegt, kann die Auslegung des Unterlassungsvertrags ergeben, dass mehrere fahrlässig begangene und zeitlich nicht zu weit auseinanderliegende Zuwiderhandlungen, die in der Weise zusammenhängen, dass sie gleichartig und unter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen worden sind, nur als ein Verstoß zu werten sind (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2015, Az. I ZR 224/13 – Kopfhörer-Kennzeichnung m.w.N.).
Bei Verstößen auf verschiedenen Internetplattformen (hier: Immobilienscout24, 123makler.de, Google+, YouTube, Facebook und Immonet) gegen den Inhalt einer Unterlassungserklärung liegt keine natürliche Handlungseinheit vor, weil die Zugehörigkeit der Einzelakte zu einer Einheit von außen nicht erkennbar ist. Daher wird die versprochene Vertragsstrafe mehrfach verwirkt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.08.2019, Az. I-2 U 44/18).
Wichtig: Kerntheorie beachten
Nach der sog. Kerntheorie oder Kernbereichstheorie sind vom Unterlassungsversprechen auch Verletzungshandlungen nicht ganz identischer, sondern unbedeutend abweichender Art erfasst. Grund ist, das eine Unterlassungserklärung die Begehungsgefahr zuverlässig beseitigen soll. Rechtstechnisch ist bei Unterlassungsverträgen strittig, ob dieses Ergebnis über eine Auslegung des Unterlassungsvertrags oder die direkte Anwendung der Kerntheorie erzielt wird. Für die Praxis ergben sich aber keine merklichen Unterschiede. Der Bundesgerichtshof beschreibt den Gedanken der Kerntheorie exemplarisch in der Entscheidung Smartphone-Werbung wie folgt:
„Eine Verletzungshandlung begründet die Vermutung der Wiederholungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform, sondern für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. In entsprechendem Umfang gilt ein gerichtliches Verbot, auch wenn es auf die konkrete Verletzungsform beschränkt ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 – I ZR 46/07 – Fischdosendeckel; BGH, Urteil vom 29. April 2010 – I ZR 202/07 – Erinnerungswerbung im Internet; BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 – I ZR 55/12 – Restwertbörse II).“
Beispiel: Domainrecht
Folge der Kerntheorie ist, dass auch dann eine Vertragsstrafe anfällt, wenn der Schuldner seine strafbewehrte Unterlassungserklärung nur mit Wirkung für eine bestimmte Domain abgibt und der Gläubiger nachfolgend einen kerngleichen Verstoß auf einer anderen Domain des Schuldners feststellt.
Über diese Konstellation hatte man z.B. vor dem Landgericht Düsseldorf gestritten. Konkret ging es um die folgende Passage einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, nach der es der Schuldner
„(…) unterlassen wird, unter www.[DomaindesSchuldners].de für ästhetisch-plastische Chirurgie in der exakt nachfolgend dargestellten Gestaltung mit Pauschalpreisen zu werben (…).“
Das Gericht entschied wenig überraschend, dass die Bezugnahme auf eine bestimmte Domain rechtlich unerheblich war. Der Unterlassungsvertrag habe die Wiederholungsgefahr für kerngleiche Verstöße auf allen Webseiten ausgeschlossen, so dass für den identischen Verstoß auf einer anderen Domain eine Vertragsstrafe fällig wurde (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 13.11.2019, Az. 34 O 21/19).
Beispiel: Wettbewerbsrecht
Wird eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wegen wettbewerbswidriger Werbung auf Print-Flyern abgegeben, erfasst diese Unterlassungserklärung ohne weiteres auch den Onlinebereich. Ihre Wirkungen sind also nicht auf das ursprüngliche Werbemedium beschränkt (LG Frankfurt, Urteil vom 17.04.2020, Az. 3-12 O 8/19).
Höhe und Berechnungsmaßstab bei Vertragsstrafen
Wie hoch eine Vertragsstrafe bemessen sein muss, lässt sich nicht allgemein, sondern immer nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Zwecks der Vertragsstrafe beantworten, in erster Linie künftige Wettbewerbsverstöße zu verhindern (BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12 – Vertragsstrafenklausel; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.01.2014, Az. 6 U 135/10).
Abzustellen ist auf
- Schwere und das Ausmaß der begangenen Zuwiderhandlung
- deren Gefährlichkeit für den Gläubiger
- das Verschulden des Verletzers sowie
- Art und Größe des Unternehmens des Schuldners
Ebenfalls maßgeblich ist das Interesse des Verletzers an weiteren gleichartigen Begehungshandlungen, aber auch von dem im Zusammenhang mit dem Verstoß auch nachträglich gezeigten Verhalten des Verletzers (OLG München, Urteil vom 07.11.2013, Az. 29 U 2019/13).
Wird die Höhe der Vertragsstrafe nachträglich bestimmt (Hamburger Brauch), ist außer der Sanktionsfunktion auch ihre Funktion als pauschalierter Schadensersatz maßgeblich (Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1.139 m.w.N.).
Die Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe erfolgt üblicherweise durch den Gläubiger. Auch ein Dritter kann die Bestimmung übernehmen (§§ 315 Abs. 1, 317 BGB), aber nur, wenn er nicht auf Seite des Schuldners steht und ausreichend kompetent ist. Unzulässig ist die Bestimmung durch ein Gericht (OLG Hamm, Urteil vom 22.08.2013, Az. 4 U 52/13). Der Hamburger Brauch macht davon in gewisser Weise eine Ausnahme. Zwar setzt der Gläubiger hier die Höhe der Vertragsstrafe fest. Der Schuldner kann die Festsetzung aber gerichtlich auf Angemessenheit überprüfen lassen. Zu beachten ist dabei, dass das Gericht keine eigenständige Festsetzung vornehmen darf nach Maßgabe dessen, was ihm angemessen erscheint. Es besteht nur ein gerichtliches Kontrollrecht im Sinne einer Prüfung auf Billigkeit, kein Anspruch auf Nachbesserung (LG Düsseldorf, Urteil vom 07.12.2017, Az. 37 O 31/17; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.12.2015, Az. 4 U 191/14).
Die Festsetzung einer Vertragsstrafe ist nicht schon deshalb unbillig, weil das Gericht eine andere Vertragsstrafe für ausreichend oder angemessen erachtet. Das Gericht muss sich mit den Kriterien für die Prüfung der Billigkeit, wie Schwere und Ausmaß der begangenen Zuwiderhandlung, Gefährlichkeit für den Gläubiger, Verschulden des Verletzers und dessen Interesse an weiteren gleichartigen Begehungshandlungen sowie der Funktion der Vertragsstrafe als pauschaliertem Schadensersatz auseinandersetzen (BGH, Urteil vom 08.05.2014, Az. I ZR 210/12 – fishtailparka). Das Gericht darf dabei nur dann selbst die Höhe der Vertragsstrafe bestimmen, wenn es im Rahmen der Billigkeitskontrolle zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom Gläubiger angesetzte Vertragsstrafe der Höhe nach unbillig ist. Wenn das nicht der Fall ist, muss die vom Gläubiger geforderte Vertragsstrafe in voller Höhe zugesprochen werden.
Ist das Vertragsstrafenversprechen als AGB-Klausel zu bewerten, kann sich aus der Höhe der Vertragsstrafe eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragsstrafenschuldners ergeben (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und seinen Folgen für den Vertragsstrafenschuldner steht. Ist ein bestimmter Betrag als pauschale Sanktion vorgesehen, ohne dass nach Art, Gewicht und Dauer der Vertragsverstöße differenziert wird, kann die Unangemessenheit schon daraus folgen. Eine solche Sanktion wäre nur dann zulässig, wenn dieser Betrag auch angesichts des typischerweise geringsten Vertragsverstoßes noch angemessen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 20.01.2016, Az. VIII ZR 26/15 für pauschale Vertragsstrafe in Höhe von 50.000 € pro Auftrag; BGH Schlemmerbock für 2.500 € pro vorsätzlichem Vertragsverstoß eines Gastwirts gegen AGB ohne Differenzierung).
Der Höhe nach muss die Vertragsstrafe grundsätzlich so bemessen sein, dass sie geeignet ist, abschreckende Wirkung zu entfalten und es nach der Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ausgeschlossen erscheint, dass der Verletzer den Wettbewerbsverstoß wiederholt. Eine ausreichende abschreckende Wirkung kann unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur angenommen werden, wenn die vereinbarte Vertragsstrafe deutlich über die wirtschaftlichen Vorteile hinausgeht, die der Verletzer durch die mit dem wettbewerbswidrigen Handeln verbundenen Geschäfte erzielen könnte. Es liegt auf der Hand, dass der Verletzer keinen hinreichenden wirtschaftlichen Anreiz hat, sich an die Unterlassungsanordnung zu halten, wenn im Fall des „Erwischtwerdens“ nur eine Vertragsstrafe zu zahlen ist, die ohne weiteres aus dem vermutlichen Gewinn des wettbewerbswidrig angebotenen Geschäfts beglichen werden kann (OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.08.2018, Az. 3 U 1138/18).
In Wettbewerbssachen mit normaler wirtschaftlicher Bedeutung liegt die Spanne einer ausreichenden Vertragsstrafe zwischen 2.500 – 10.000 € (OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.08.2018, Az. 3 U 1138/18). In Geschäftsbereichen von normaler wirtschaftlicher Bedeutung kann eine Vertragsstrafe von unter 2.500 € allenfalls in Ausnahmefällen als ausreichend angesehen werden (für unerlaubte Verwendung von Foto: OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.12.2013, Az. 11 W 27/13). Beträge bis 2.000 € reichen nicht aus (OLG Oldenburg, Beschluss vom 12.08.2009, Az. 1 W 37/09; OLG Celle, Urteil vom 05.12.2013, Az. 13 W 77/13).
Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung:
- 1.000 € für Unternehmen mit mehreren Filialen bei Verstoß gegen Pflicht zur Schaufensterpreisauszeichnung zu niedrig (OLG Hamburg, Beschluss vom 22.12.2014, Az. 3 W 123/14).
- Im Urheberrecht kann selbst im unternehmerischen Bereich bei Verwendung geschützter Bilder ausnahmsweise eine verhältnismäßig niedrige Vertragsstrafe von 1.500 € ausreichend sein (Beklagter betrieb „kleinen Musikalienhandel“ (OLG München, Urteil vom 07.11.2013, Az. 29 U 2019/13).
- 3.000 € wegen fehlerhaften Impressumsangaben auf einer Plattform (LG Essen, Urteil vom 03.06.2020, Az. 44 O 34/19).
- 4.000 € wegen fehlerhaften Impressumsangaben (LG Memmingen, Urteil vom 18.07.2018, Az. 1 HK O 137/18).
- 4.000 € pro Verstoß gegen Preisangabenverordnung (OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.12.2015, Az. 4 U 191/14).
- 4.000 € pro unzulässiger AGB-Klausel (OLG Brandenburg, Urteil vom 29.04.2014, Az. 6 U 10/13).
- 5.100 € für unterbliebenen Versuch zum Rückruf wettbewerbswidriger Ware (BGH, Urteil vom 04.05.2017, Az. 15 U 129/14).
- 5.100 € für Verstoß gegen Arzneimittelwerberecht durch Anpreisung einer bestimmten Wirkung für ein Erkältungsmittel (OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.08.2018, Az. 3 U 1138/18).
- 5.500 € für wettbewerbswidrige Verwendung der Bezeichnung „Klinik“, die über mehr als sechs Monate nicht abgeändert wurde (LG Düsseldorf, Urteil vom 07.12.2017, Az. 37 O 31/17).
- 6.000 € für mehrfache Wettbewerbsverstöße eines kleinen Online-Händlers mit einem Jahresumsatz von etwa 11.500 € (LG Dortmund, Urteil vom 19.08.2020, Az. 10 O 19/19).
- 7.500 € Ordnungsgeld (Anm.: gerichtliches Pendant zu Vertragsstrafe) für Verstöße gegen Grundpreisangaben auf zwei Internetplattformen (LG Köln, Beschluss vom 19.06.2019, Az. 81 O 93/18).
- 25.000 € für Führen eines markenverletzenden Firmennamens noch verhältnismäßig (BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12), nicht aber im Rahmen von Adresshändler-AGB (OLG Celle, Urteil vom 28.11.2012, Az. 9 U 77/12).
- 25.000 € wegen Markenverletzung (LG Bielefeld, Urteil vom 12.09.2014, Az. 10 O 40/14).
- 30.000 € für dritten Verstoß gegen Unterlassungserklärung wegen irreführender Werbung (LG Flensburg, Urteil vom 10.07.2020, Az. 6 HKO 42/19).
- 35.000 € für mehrere Verteilungen von Flyern in gewissem zeitlichen Abstand unter Verstoß gegen Unterlassungserklärung nach neuem Hamburger Brauch, d.h. ohne Bestimmung einer Obergrenze (OLG Brandenburg, Urteil vom 18.02.2020, Az. 6 U 19/19).
Anschauliches Beispiel für eine gerichtliche Abwägung, in der sich ein Unternehmen gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung mit einem Vertragsstrafeversprechen in Höhe von 5.100,00 € wehrte mit der Begründung, 5.100 € seien zu niedrig (OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.08.2018, Az. 3 U 1138/18):
„So ist eine Unterlassungsverpflichtungserklärung mit einem Vertragsstrafeversprechen von bis zu 1.000,00 € für Wettbewerbsverstöße durch ein Unternehmen mit sieben Geschäftslokalen nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Zwar könnte eine Vertragsstrafe in dieser Höhe bei einem Erstverstoß gerade noch angemessen sein, die Obergrenze der innerhalb eines festen Rahmens vom Gläubiger zu bestimmenden Vertragsstrafe muss diesen Betrag in der Regel aber mindestens um das Doppelte übersteigen, um die Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung zu gewährleisten (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 22. Dezember 2014 – 3 W 123/14, Rn. 5).
Die von einer gesetzlichen Krankenkasse als Gewinnspielveranstalter angebotene Unterlassungserklärung ist nicht geeignet, die Wiederholungsgefahr zu beseitigen, wenn sie für den Fall einer zukünftigen schuldhaften Zuwiderhandlung nur eine Vertragsstrafe i.H.v. 1.000,00 € enthält. Denn diese Höhe ist bei einem Unternehmen mit einem Vermögen von 78 Mio. € und einem Jahresumsatz von 780.000,00 € nicht geeignet, von weiteren Verstößen abzuschrecken (LG Konstanz, Urteil vom 19. Februar 2016 – 9 O 37/15, Rn. 41).
Das Versprechen einer Vertragsstrafe in Höhe von bis zu 3.000,00 € wird dem Zweck zur Einhaltung einer versprochenen Unterlassungspflicht nicht gerecht, wenn es sich um ein Massenprodukt handelt (hier: Mobiltelefon), das bundesweit mit hohem Aufwand beworben und bereits in erheblichem Umfang abgesetzt wurde und somit die Interessen von Verbrauchern und Mitbewerbern durch die angegriffenen Werbeaussagen in erheblichem Umfang beeinträchtigt werden können (OLG München, Beschluss vom 16. Januar 2018 – 6 W 37/18, Rn. 32).“
„Vor diesem Hintergrund ist die Verpflichtung, für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 5.100,00 € zu zahlen, zwar im unteren Bereich der Angemessenheit anzusiedeln. Die angebotene Vertragsstrafe ist jedoch nicht so gering, dass die Ernsthaftigkeit der Unterlassungsverpflichtung in Wegfall gerät.“
In der Regel fällt bei Unterlassungserklärungen mit Vertragsstrafeversprechen durch eine Gesellschaft und ihr Organ (z.B. Geschäftsführer einer GmbH) bei einem Verstoß, der der Gesellschaft nach § 31 BGB zuzurechnen ist, nur eine Vertragsstrafe an, für die Gesellschaft und Organ als Gesamtschuldner haften. Das Organ kann nur dann auf Zahlung einer zusätzlichen Vertragsstrafe in Anspruch genommen werden, wenn sein Handeln nicht der Gesellschaft zuzurechnen ist (BGH, Urteil vom 08.05.2014, Az. I ZR 210/12 – fishtailparka).
Ausnahmsweise Herabsetzung der Vertragsstrafe
Im kaufmännischen Verkehr ist § 348 HGB zu beachten. Danach kann
„eine Vertragsstrafe, die von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochen ist, […] nicht auf Grund der Vorschriften des § 343 des Bürgerlichen Gesetzbuchs herabgesetzt werden“.
Tipp: § 348 HGB kann vom Schuldner abbedungen werden. Wurde dies versäumt, erlaubt der BGH trotzdem noch eine Anwendung von § 307 Abs. 1 BGB, die allerdings auf Fälle beschränkt bleibt, in denen eine fixe Vertragsstrafe vereinbart wurde, die bereits auf den ersten Blick außer Verhältnis zu dem mit der Vertragsstrafe sanktionierten Verstoß und den Gefahren steht, die mit möglichen zukünftigen Verstößen für den Unterlassungsgläubiger verbunden sind. Hier ist ein strengerer Maßstab anzulegen als bei individuell ausgehandelten Vertragsstrafeversprechen (BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12 – Vertragsstrafenklausel).
Nach der Rechtsprechung des BGH ist dann, wenn eine vereinbarte Vertragsstrafe in einem außerordentlichen Missverhältnis zur Bedeutung der Zuwiderhandlung steht, ihre Herabsetzung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB geboten, auch wenn eine Verringerung der Vertragsstrafe wegen unverhältnismäßiger Höhe nach § 343 BGB gemäß § 348 HGB ausgeschlossen ist (BGH, Urteil vom 17.07.2008, Az. I ZR 168/05 – Kinderwärmekissen; BGH, Urteil vom 25.10.2012, Az. I ZR 169/10 – Einwilligung in Werbeanrufe II).
Das OLG Düsseldorf lehnte die Herabsetzung eines Vertragsstrafeversprechens nach § 242 BGB wegen Impressumsfehlern ab und sprach zwei Vertragsstrafen in Höhe von je 5.100 Euro, insgesamt also 10.200 Euro (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.08.2019, Az. I-2 U 44/18).
Rechtsmissbrauch im Zusammenhang mit Vertragsstrafen
Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist von Amts wegen zu prüfen (Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., § 8, Rn 4.8).
Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten bei einer Abmahnung kann einen wichtigen Grund im Sinne von § 314 BGB für die Kündigung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung darstellen. Bereits vor Kündigung ist des Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB zulässig (BGH, Urteil vom 14.02.2019, Az. I ZR 6/17 – Kündigung der Unterlassungsvereinbarung).
Die Frage, ob die Geltendmachung einer Vertragsstrafe rechtsmissbräuchlich ist, richtet sich nicht nach § 8 Abs. 4 UWG, sondern nach § 242 BGB (BGH, Urteil vom 31.05.2012, Az. I ZR 45/11). Auch ohne Kündigung kann einem vertraglichen Vertragsstrafeanspruch ausnahmsweise der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegenstehen, wenn der Anspruch dem Gläubiger aufgrund einer erfolgten Gesetzesänderung unzweifelhaft, das heißt ohne weiteres erkennbar, nicht mehr zusteht (BGH, Urteil vom 08.05.2014, Az. I ZR 210/12 – fishtailparka). Umgekehrt ist eine Vertragsstrafe auch dann fällig, wenn das ursprünglich abgemahnte Verhalten nicht rechtswidrig war (OLG Brandenburg, Urteil vom 29.04.2014, Az. 6 U 10/13).
Ein wettbewerbs- oder schutzrechtlich veranlasstes Vertragsstrafeversprechen ist nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn die Vertragsstrafe der Höhe nach bereits auf den ersten Blick außer Verhältnis zu dem mit der Vertragsstrafe sanktionierten Verstoß und den Gefahren steht, die mit möglichen zukünftigen Verstößen für den Unterlassungsgläubiger verbunden sind. Insoweit ist ein strengerer Maßstab anzulegen als bei einem individuell ausgehandelten Vertragsstrafeversprechen, bei dem eine Herabsetzung gemäß § 242 BGB auch im kaufmännischen Verkehr möglich ist. Aus § 307 Abs. 1 BGB ergibt sich keine Pflicht, im kaufmännischen Verkehr Vertragsstrafevereinbarungen ausschließlich nach „neuem Hamburger Brauch“ abzuschließen (BGH, Urteil vom 13.11.2013, Az. I ZR 77/12 – Vertragsstrafenklausel).
Den Grundsätzen von Treu und Glauben kann es widersprechen, wenn der Inhaber eines Kennzeichenrechts sich bei der Geltendmachung von Vertragsstrafenansprüchen auf eine nur formale Rechtsstellung beruft. Von einer missbräuchlichen Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung ist auszugehen, wenn ein Markeninhaber
- eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen anmeldet,
- hinsichtlich der in Rede stehenden Marken keinen ernsthaften Benutzungswillen hat – vor allem zur Benutzung in einem eigenen Geschäftsbetrieb oder für dritte Unternehmen aufgrund eines bestehenden oder potentiellen konkreten Beratungskonzepts – und
- die Marken im Wesentlichen zu dem Zweck gehortet werden, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwenden, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen (BGH, Urteil vom 23.10.2019, Az. I ZR 46/19 – Da Vinci; Fortführung von BGH, Urteil vom 23.11.2000, Az. I ZR 93/98 – Classe E).
Zuständigkeit bei Klagen auf Zahlung einer Vertragsstrafe
Bei Vertragsstrafeansprüchen aus UWG ist war die sachliche Zuständigkeit noch nicht höchstrichterlich geklärt. Teilweise wurde vertreten, dass die Landgerichte unabhängig von der Höhe des geltend gemachten Anspruchs sachlich zuständig sind, weil der Anspruch seinen Ursprung in einem Unterlassungsvertrag hat, der auf einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung beruht (OLG Schleswig, Urteil vom 09.04.2015, Az. 6 U 57/13; LG Mannheim, Beschluss vom 28.04.2015, Az. 2 O 46/15; OLG Thüringen, Urteil vom 01.09.2010, Az. 2 U 330/10; LG Jena, Urteil vom 01.09.2010, Az. 2 U 330/10). Die Gegenmeinung ging davon aus, dass die allgemeinen Grundsätze der ZPO bzw. des GVG eingreifen, weil die Vertragsstrafenforderung nicht aus dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb folgt, sondern aus einer vertraglichen Vereinbarung, was bei Vertragsstrafenforderungen unterhalb von 5.001 € eine sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte zur Folge hat (OLG Rostock, Beschluss vom 07.12.2004, Az. 2 UH 4/04).
Auch die örtliche Zuständigkeit ist war umstritten (§ 14 UWG). Während ein Teil der Gerichte forderte, dass eine Vertragsstrafenklage am Sitz des Schuldners erhoben werden muss (vgl. LG Mannheim, Urteil vom 02.08.2010, Az. 2 O 88/10), kann sich der Gläubiger nach neuer Rechtsprechung des Landgerichts Frankfurt bei über das Internet begangenen Verstößen auf den fliegenden Gerichtsstand berufen, was zur Folge hat, dass die Klage an jedem beliebigen deutschen Landgericht anhängig gemacht werden kann (LG Frankfurt, Urteil vom 10.02.2016, Az. 2-06 O 344/15 mit ausführlicher Begründung).
Update: Der BGH hatte die Zuständigkeitsfragen bislang ausdrücklich offengelassen (BGH, Beschluss vom 26.08.2014 – X ARZ 275/14; BGH, Urteil vom 15.12.2011, Az. I ZR 174/10 – Bauheizgerät). Nunmehr entschied er, dass zumindest für Vertragsstrafen aus UWG-Verstößen in örtlicher Hinsicht der fliegende Gerichtsstand gilt (BGH, Beschluss vom 19.10.2016, Az. I ZR 93/15). Folge ist, dass sich der Gläubiger aussuchen kann, vor welchem Gericht er Klage einreicht. Gleichzeitig stellte der BGH fest, dass Klagen auf Zahlung einer Vertragsstrafe immer vor den Landgerichten zu erheben sind. Auf die Höhe der Vertragsstrafe kommt es dabei nicht an, so dass die Landgerichte künftig auch für Vertragsstrafenforderungen unterhalb von 5.001 € allein sachlich zuständig sind.
Anwaltskosten für Zahlungsaufforderung ersatzfähig?
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten im Hinblick auf die Aufforderung zur Zahlung der Vertragsstrafe kann der Gläubiger grundsätzlich nicht vom Schuldner verlangen (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 18.02.2020, Az. 6 U 19/19).
Der Vertragsstrafenanspruch stellt einen vertraglichen Zahlungsanspruch dar, also keinen Schadensersatz, zu dessen Geltendmachung der Gläubiger die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung nach §§ 280 Abs. 1, 249 ff. BGB verlangen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 08.05.2008, Az. I ZR 88/06). Die Verzögerung seiner Erfüllung begründet nur dann einen Schadensersatzanspruch, wenn der Schuldner sich in Verzug befunden hätte (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB). Im Zeitpunkt, zu dem der Gläubiger seinen Rechtsanwalt mit der Erstellung eines ersten Zahlungsaufforderungsschreibens hinsichtlich des Verstoßes beauftragt und damit die in Rede stehenden Anwaltskosten veranlasst, besteht kein Verzug.
Derartige Anwaltskosten sind auch nicht aus §§ 3, 5, 9 Satz 1 UWG ersatzfähig, weil sie nicht im Zusammenhang mit der Verfolgung eines wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruchs entstanden sind, sondern anlässlich der Geltendmachung eines vertraglichen Zahlungsanspruchs. Da § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG einen Erstattungsanspruch allein für die Kosten einer Abmahnung vorsieht, käme allenfalls eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung in Betracht; sie scheidet indessen aus, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt (OLG Brandenburg, Urteil vom 18.02.2020, Az. 6 U 19/19 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 08.05.2008, Az. I ZR 88/06).
Ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB besteht typischerweise ebenfalls nicht, weil der Gläubiger mit den Schreiben, mit dem er den Schuldner zur Zahlung der Vertragsstrafe auffordert, kein Geschäft des Schuldners führt. Insbesondere handelt er nicht mit dem für die Anwendung der §§ 677 ff. BGB unverzichtbaren Fremdgeschäftsführungswillen (BGH, Urteil vom 08.05.2008, Az. I ZR 88/06).
Rechtsprechung rund um das Thema Vertragsstrafe
Schließt ein vollmachtlos handelnder Stellvertreter des Gläubigers einen Unterlassungsvertrags, führt die in § 177 Abs. 1, § 184 Abs. 1 BGB angeordnete Rückwirkung der Genehmigungnicht nicht dazu, dass die im Vertrag versprochene Vertragsstrafe auch durch Zuwiderhandlungen verwirkt wird, die während der Schwebezeit zwischen dem vollmachtlosen Abschluss und der Genehmigung der Vereinbarung vorgenommen wurden (BGH, Urteil vom 17.11.2014, Az. I ZR 97/13 – Zuwiderhandlung während Schwebezeit).
Der Erwerber eines Unternehmens muss unter Umständen eine vom Rechtsvorgänger abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärungen gemäß § 25 HGB gegen sich gelten lassen mit der Folge, dass er bei Verstoß die Vertragsstrafe an den Gläubiger zahlen muss (LG Berlin, Urteil vom 02.04.2012, Az. 52 O 123/11).
Der Inhaber eines Unternehmens muss sich schuldhafte Verstöße seiner Mitarbeiter gegen eine abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung nach § 278 Alt. 2 BGB zurechnen lassen, da er als Schuldner für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen haftet. Das gilt auch für mittlerweile aus dem Unternehmen ausgeschiedene Mitarbeiter (vgl. LG Essen, Urteil vom 03.06.2020, Az. 44 O 34/19).
Anders als die gesetzliche Unterlassungsverpflichtung geht die vertragliche Unterlassungsverpflichtung auf den Gesamtrechtsnachfolger nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG über. Die Wiederholungsgefahr entfällt beim Übergang einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung auf den Rechtsnachfolger nur dann, wenn die versprochene Verpflichtung geeignet erscheint, den Rechtsnachfolger wirklich und ernsthaft von Wiederholungen der Verletzungshandlung abzuhalten und der Rechtsnachfolger sich auf den Rechtsübergang beruft und dadurch zu erkennen gibt, dass das Vertragstrafeversprechen auch diesen Streit regelt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.01.2014, Az. 6 U 135/10).
Im Falle des Verstoßes gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung ist je Vertriebskanal (hier eBay und Onlineshop) eine eigenständige Vertragsstrafe zu zahlen (OLG Hamm, Urteil vom 18.09.2012, Az. I-4 U 105/12). In gleicher Weise entschied auch das OLG München, wonach für inhaltsgleiche Verstöße gegen eine strafbewehrte Unterlassungerklärung bei Amazon, eBay, einem Webshop sowie einer eigenen Handelsplattform insgesamt vier Vertragsstrafen fällig wurden.
Bei unterbliebener Löschung von urheberrechtsverletzenden Fotos in elf abgelaufenen eBay-Auktionen fällt nur eine Vertragsstrafe an (OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.07.2013, Az. 11 U 28/12).
Wenn eine strafbewehrte Unterlassungserklärung dahingehend abgegeben wird, ein Lichtbild künftig nicht mehr zu nutzen, darf das Lichtbild auch nicht mehr durch Direkteingabe der URL abrufbar sein. Andernfalls ist die Vertragsstrafe fällig (OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.09.2012, Az. 6 U 58/11, lies auch: Abgemahnte Bilder müssen vom Server gelöscht werden). Vorsicht ist geboten bei einer abweichenden Entscheidung des OLG Frankfurt. Danach mache ein Unterlassungsschuldner, der wegen eines urheberrechtswidrig im Internet veröffentlichten Foto eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hatte, das Lichtbild nicht weiter öffentlich zugänglich, wenn das Foto nur unter Eingabe einer aus ca. 70 Zeichen bestehenden URL aufgerufen werden kann (OLG Frankfurt, Urteil vom 16.06.2020, Az. 11 U 46/19, wobei das Gericht selbst darauf hinweist, dass sein Urteil von einer Entscheidung des Kammergerichts vom 29.07.2019, Az. 24 U 143/18 abweicht, welches seinerseits ein Urteil des LG Berlin vom 25.10.2018, Az. 16 O 8/18 bestätigt hatte).
Wer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung in Bezug auf bestimmte Äußerungen abgibt, muss nicht auf Bezieher eines RSS-Feeds einwirken, damit diese den beanstandeten Inhalt nicht weiter verbreiten (BGH, Urteil vom 11.11.2014, Az. VI ZR 18/14 – Auslegung eines Unterlassungsvertrages).
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