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FAQ: Ordnungsmittel nach Verstoß gegen Urteil oder Eilverfügung

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Wer gegen ein Unterlassungsurteil oder eine einstweilige Verfügung verstößt, riskiert die Festsetzung von Ordnungsmitteln. In diesem Beitrag erklären wir alles Wichtige im Überblick.

Rechtsanwalt Niklas Plutte
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

rechtsanwalt oliver wolf

Rechtsanwalt Oliver Wolf, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf den gewerblichen Rechtsschutz. Nutzen Sie unsere kostenlose Ersteinschätzung.

1. Risiko: Ordnungsgeld oder Vertragsstrafe?

Nach Erhalt einer Abmahnung im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes kann es Gründe geben, bewusst keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Zum gewerblichen Rechtsschutz gehören unter anderem diese Rechtsbereiche:

Verweigert man die Abgabe einer Unterlassungserklärung, obwohl (möglicherweise) ein Rechtsverstoß vorliegt, droht eine vom Abmahner veranlasste Unterlassungsklage oder einstweilige Verfügung. Hat der Gläubiger im Prozess Erfolg, wird das Gericht den Abgemahnten zur Unterlassung verpflichten.

2. Gerichtliche Verbote mit Ordnungsmittelandrohungen

Typischerweise enthalten Unterlassungsurteile bzw. Eilverfügungen eine vom Abmahner nach § 890 Abs. 1 ZPO beantragte Androhung, nach der bei Verstößen gegen die Gerichtsentscheidung Ordnungsmittel festgesetzt werden können, konkret Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, die am Titelschuldner zu vollziehen ist (bzw. im Falle einer juristischen Person am Vertretungsberechtigten des Unternehmen, zum Beispiel am Geschäftsführer einer GmbH). Ordnungsmittel dienen dazu, den Verstoß zu sanktionieren, aber auch zur Vorbeugung weiterer Verstöße (BGH, Beschluss vom 12.01.2012, Az. I ZB 43/11Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren).

Tipp (speziell für Journalisten): Selbst in Artikeln großer Medienhäuser heißt es immer wieder, dass Rechtsverletzer bei Verstößen gegen eine einstweilige Verfügung oder Unterlassungsurteil “250.000 Euro Strafe” zahlen müssten. Das ist falsch. Die vorstehende Summe stellt den Maximalrahmen des festsetzbaren gerichtlichen Ordnungsgelds dar (§ 890 Abs. 1 ZPO). Dieser Maximalrahmen wird nur selten voll ausgeschöpft, etwa bei hartnäckig wiederholten vorsätzlichen Verstößen. In der Praxis verhält es sich genau umgekehrt. Bei Erstverstößen gegen einen gerichtlichen Unterlassungstitel werden häufig nur Ordnungsgelder in Höhe von wenigen tausend Euro festgesetzt.

3. Antrag auf Ordnungsmittelfestsetzung gegen den Schuldner

Kommt es zu einem Verstoß gegen die gerichtliche Anordnung, schuldet der Rechtsverletzer (Schuldner) dem Gläubiger keine Vertragsstrafe. Der Gläubiger kann aber bei Gericht die Festsetzung eines behördlichen Ordnungsgelds gegen den Schuldner beantragen. Dies ist nötig, da das Gericht ohne entsprechenden Antrag von sich aus nicht tätig wird. Für die Antragstellung gilt die Dispositionsmaxime. Der Gläubiger muss den Verstoß des Schuldners konkret vortragen und beweisen (Glaubhaftmachung reicht nicht aus). Eine Frist für die Stellung des Antrags gibt es nicht.

4. Welches Gericht ist für das Ordnungsmittelverfahren zuständig?

Zuständig ist das Prozessgericht erster Instanz, also das Gericht, vor dem das Hauptsacheverfahren verhandelt wurde. Im Wettbewerbsrecht oder Markenrecht ist dies beispielsweise stets das Landgericht. Da dort Anwaltszwang herrscht, muss der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsmittels durch einen Rechtsanwalt gestellt werden. Für Streitigkeiten im Bereich des Urheberrechts können sowohl die Amtsgerichte als auch die Landesgerichte erstinstanzlich zuständig sein.

5. Ordnungsgeld oder Ordnungshaft?

Das Gericht entscheidet auf den Ordnungsmittelantrag hin nach pflichtgemäßen Ermessen, ob es ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft anordnet. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann Ordnungshaft nur verhängt werden, wenn Ordnungsgeld als Sanktion nicht genügt. Standardmäßig wird das Gericht bei Erstverstößen ein Ordnungsgeld gegen den Schuldner festsetzen. Daran verdient der antragstellende Gläubiger nichts. Er kann den Schuldner auf diese Weise aber mit Unterstützung des Gerichts zur Beachtung der Gerichtsentscheidung zwingen.

6. Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes

Das Gericht kann für jeden einzelnen Verstoß gegen den Unterlassungstitel ein Ordnungsgeld zwischen 5 Euro (Art. 6 Abs. 1 EGStGB) und 250.000 Euro (§ 890 Abs. 1 S. 2 ZPO) oder Ordnungshaft zwischen einem Tag (Art. 6 Abs. 2 EGStGB) und sechs Monaten (§ 890 Abs. 1 S. 1 ZPO) verhängen, wobei die Gesamtdauer der Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht überschreiten darf (§ 890 Abs. 1 S. 2 ZPO).

Die konkrete Bemessung des Ordnungsgeldes liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Dabei kommt es insbesondere auf die folgenden Faktoren an (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 23.10.2003, Az. I ZB 45/02):

  • Art, Umfang und Dauer des Verstoßes,
  • Verschuldensgrad des Verletzers (Fahrlässigkeit oder Vorsatz),
  • Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung,
  • Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten.

Der Streitwert des Unterlassungsverfahrens ist kein taugliches Kriterium.

Merke: Die Höhe von Ordnungsgeldern lässt sich kaum verallgemeinern, da eine Einzelfallbetrachtung erfolgt. Mit anderen Worten: Die Festsetzung eines bestimmten Ordnungsgeldes in einem anderen Verfahren hat nur bedingte Aussagekraft für Ihr Verfahren. Benötigen Sie Unterstützung bei der Durchsetzung oder Abwehr von Ordnungsmitteln, z.B. wegen Verstoßes gegen eine einstweilige Verfügung oder ein Unterlassungsurteil? Nutzen Sie unsere kostenlose Ersteinschätzung.

7. Was gilt bei wiederholten Verstößen?

Bei wiederholten Verstößen gegen einen gerichtlichen Unterlassungstitel können Ordnungsmittel erneut verhängt werden, wobei die Sanktion angemessen zu erhöhen ist (Höhe des Ordnungsgeldes, Dauer der Ordnungshaft). Wurde der Ordnungsmittelrahmen bereits in voller Höhe ausgeschöpft, kann das maximale Ordnungsmittel erneut festgesetzt werden. Eine Begrenzung gilt nur für Ordnungshaft, die insgesamt maximal zwei Jahre betragen darf (§ 890 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Die Grundsätze des Fortsetzungszusammenhangs sind bei Verstößen gegen ein gerichtliches Unterlassungsgebot durch mehrere Einzelakte – ebenso wie bei Vertragsstrafen – nicht anwendbar. Eine Zusammenfassung mehrerer Einzelakte kann bei natürlicher Handlungseinheit erfolgen.

8. Was gilt bei juristischen Personen?

Die Festsetzung eines Ordnungsmittels ergeht gegen den Titelschuldner. Ist der Schuldner eine juristische Person (GmbH, AG etc.), ist das Ordnungsgeld gegen die juristische Person und nicht gegen deren Organe festzusetzen. Trifft die Unterlassungsverpflichtung eine juristische Person, muss sie sich das Verhalten ihrer Organe nach § 31 BGB zurechnen lassen, also beispielsweise das Verhalten des Geschäftsführers (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2023, Az. I-20 W 70/23). § 278 BGB findet dagegen keine Anwendung.

Die Organe der juristischen Person müssen nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Verletzungen zu verhindern. Dazu gehört auch die Einwirkung auf Dritte, soweit deren Handeln der Schuldnerin wirtschaftlich zugutekommt und bei denen sie mit (weiteren) Verstößen ernstlich rechnen müssen (z.B. Mitarbeiter). Zur Unterbindung von Wettbewerbsverstößen durch Mitarbeiter gehört es regelmäßig, auf sie durch Belehrungen und Anordnungen entsprechend einzuwirken und deren Beachtung genau zu überwachen (vgl. Köhler/Feddersen in: Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, § 12 UWG Rn. 5.7).

Sind sowohl eine juristische Person als auch ihr Organ aus einem Vollstreckungstitel zur Unterlassung verpflichtet und handelt das Organ im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person dem Verbot zuwider, ist nur gegen die juristische Person ein Ordnungsgeld nach § 890 ZPO festzusetzen. Dadurch wird eine gesonderte Inanspruchnahme des Organs neben der juristischen Person nicht überflüssig. Diese erlangt Bedeutung, wenn das Handeln des Organs der juristischen Person nicht nach § 31 BGB zurechenbar ist, weil es sich aus Sicht eines Außenstehenden so weit vom organschaftlichen Aufgabenbereich entfernt, dass der allgemeine Rahmen der ihm übertragenen Obliegenheiten überschritten erscheint. Das kommt etwa in Betracht, wenn das Organ für einen neben der juristischen Person bestehenden eigenen Geschäftsbetrieb oder eine andere juristische Person die schuldhafte Zuwiderhandlung begangen hat (BGH, Beschluss vom 12.01.2012, Az. I ZB 43/11Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren).

Bei der Bemessung eines Ordnungsgeldes gegen eine juristische Person sind vor dem Hintergrund der Strafähnlichkeit der Sanktion zur Herstellung der Belastungsgleichheit die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu berücksichtigen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2023, Az. I-20 W 70/23).

9. Kosten des Ordnungsmittelverfahrens

Für das Ordnungsmittelverfahren entstehen Gerichtskosten, die der Gläubiger vorstrecken muss (§ 12 Abs. 6 GKG). Die Kostenentscheidung des Gerichts richtet sich nach § 891 S. 3 ZPO in Verbindung mit §§ 91 bis 93, 95 bis 100, 106, 107 ZPO. Danach trägt die unterlegene Partei die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens.

Merke: Hat der Gläubiger einen Ordnungsmittelantrag mit einem Mindestbetrag gestellt (was zulässig ist) und wird vom Gericht nur ein geringeres Ordnungsgeld festgesetzt, handelt es sich um ein Teilunterliegen mit der Folge einer Kostenquotelung (§ 92 ZPO).

Welcher Gegenstandswert für das Ordnungsmittelverfahren anzusetzen ist, wird von den Gerichten nicht einheitlich beurteilt. Teilweise orientieren sich Gerichte für den Gegenstandswert an der Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes. Sachgemäßer dürfte es sein, den Unterlassungsstreitwert des Hauptsacheverfahrens als Basis zugrunde zu legen und hiervon ein Drittel, Viertel oder Fünftel als Gegenstandswert für das Ordnungsmittelverfahren anzusetzen.

10. Wie kann man sich gegen eine Ordnungsmittelentscheidung wehren?

Gegen die Ordnungsmittelentscheidung des Gerichts kann der Betroffene sofortige Beschwerde einlegen (§§ 793, 567 ZPO). Das betrifft die folgenden Konstellationen:

  • Festsetzung eines Ordnungsmittels (Ordnungsgeld oder Ordnungshaft)
  • Höhe des Ordnungsgeldes
  • Dauer von Ordnungshaft
  • Ablehnung der Festsetzung von Ordnungsmitteln

Beantragt der Gläubiger die Festsetzung eines Ordnungsgelds, ohne einen konkreten Betrag oder eine ungefähre Größenordnung des Ordnungsgelds anzugeben und setzt das Gericht daraufhin nach eigenem Ermessen ein Ordnungsgeld fest, das aus Sicht des Gläubigers zu niedrig ist, kann dieser dagegen mangels Beschwer keine sofortige Beschwerde einlegen (BGH, Beschluss vom 23.11.2023, Az. I ZB 29/23).

Will der Gläubiger ein höheres Ordnungsmittel erwirken als das vom erstinstanzlich zuständigen Gericht verhängte, muss er die erstinstanzliche Entscheidung mit einem eigenen Rechtsmittel angreifen oder Anschlussbeschwerde einlegen, § 567 Abs. 3 ZPO (BGH, Beschluss vom 06.02.2013, Az. I ZB 79/11). Im Beschwerdeverfahren gilt das Verschlechterungsverbot des § 528 S. 2 ZPO entsprechend.

Benötigen Sie im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes anwaltliche Unterstützung bei der Durchsetzung oder Abwehr von Ordnungsmitteln, z.B. wegen Verstoßes gegen eine einstweilige Verfügung oder ein Unterlassungsurteil? Nutzen Sie unsere kostenlose Ersteinschätzung.

Autor: Niklas Plutte

Niklas Plutte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz mit Sitz in Mainz. Folgen Sie ihm bei Twitter, Facebook und LinkedIn!

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