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Barrierefreiheitsstärkungsgesetz: Große Rechts-FAQ zu Webseiten

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Ab Sommer 2025 müssen viele Internetseiten bzw. Teile davon barrierefrei sein. In diesen FAQ erklären wir, ob das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) auch für Ihre Internetseite gilt und wie man die neuen Pflichten umsetzt.

Rechtsanwalt Niklas Plutte
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

rechtsanwalt oliver wolf

Rechtsanwalt Oliver Wolf, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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Hinweis: Dieser Beitrag fokussiert sich auf die Auswirkungen von BFSG und BFSGV auf Webseiten als Unterfall der Kategorie „Dienstleistungen“.

1. Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzt die EU-Richtlinie (EU) 2019/882 („European Accessibility Act“, kurz EAA) über Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen in deutsches Recht um. Die Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV) konkretisiert die Vorgaben des BFSG.

2. Welche Ziele verfolgt das BFSG?

Die neuen Regelungen sollen sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können. Ziel ist es, digitale Barrieren abzubauen und sicherzustellen, dass wesentliche Angebote für alle zugänglich sind.

Für öffentliche Institutionen gab es bereits gesetzliche Regelungen zur Barrierefreiheit. Das BFSG als Verbraucherschutzgesetz erweitert diese Pflichten nun in bestimmten Bereichen auf den privaten Wirtschaftssektor.

3. Welche Produkte und Dienstleistungen fallen unter das BFSG?

Das BFSG schreibt Barrierefreiheit nicht generell vor, sondern nur für die folgenden Produkte und Dienstleistungen.

Produkte (§ 1 Abs. 2 BFSG, § 2 Nr. 2 BFSG)

  • Hardwaresysteme für Universalrechner inklusive Betriebssystem
    Beispiele: Computer, Laptops, Tablets und Handys
  • Selbstbedienungsterminals
    Beispiele: Geldautomaten, Fahrausweisautomaten, Check-in-Automaten und spezielle interaktive Selbstbedienungsterminals
  • Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang, die für Telekommunikationsdienste verwendet werden
    Beispiele: Smartphones, Router
  • Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang, die für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten verwendet werden
    Beispiele: Smart-TVs, Tablets, Smart Glasses
  • E-Book-Lesegeräte
    Beispiele: Amazon Kindle, Tolino

Dienstleistungen (§ 1 Abs. 2 BFSG, § 2 Nr. 3 BFSG)

  • Telekommunikationsdienste mit Ausnahme von Übertragungsdiensten zur Bereitstellung von Diensten der Maschine-Maschine-Kommunikation;
    Beispiele: Telefonie, Messenger
  • Bestimmte Elemente von Personenbeförderungsdiensten
    Beispiele: Webseiten, mobile Apps, E-Tickets, Verkehrsinformationen, interaktive Selbstbedienungsterminals
  • Bankdienstleistungen
  • E-Books und hierfür bestimmte Software
  • Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr
    Beispiele: Onlineshops, Software-as-a-Services

4. Was bedeutet Barrierefreiheit im Sinne des BFSG?

Unter das BFSG fallende Produkte und Dienstleistungen sind nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BFSG barrierefrei, wenn sie für

„Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind“.

Was das konkret bedeutet, ergibt sich gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 BFSG aus der bereits erwähnten Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGV), die wiederum zentral auf die Web Content Accessibility Guidelines verweist.

5. Ab wann gilt das BFSG?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz tritt am 28. Juni 2025 in Kraft. Für Websites und andere digitale Angebote gibt es keine allgemeine Übergangsfrist im Sinne einer Bestandsschutzregelung – sie müssen ab dem 28. Juni barrierefrei sein. Die Ausnahmeregelung des § 38 Abs. 1 Satz 2 BFSG ist für Websites nicht einschlägig. Unternehmen sollten daher frühzeitig prüfen, ob sie vom Gesetz betroffen sind und rechtzeitig Maßnahmen zur Umsetzung der Barrierefreiheit ergreifen.

6. Wer muss das BFSG beachten?

Das BFSG gilt für Wirtschaftsakteure, die unter das BFSG fallende Produkte oder Dienstleistungen gegenüber Verbrauchern bereitstellen, anbieten oder erbringen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BFSG). Wirtschaftsakteure im Sinne des BFSG sind Hersteller, Bevollmächtigte, Einführer, Händler oder Dienstleistungserbringer (§ 2 Nr. 15 BFSG).

Praxisrelevante Ausnahmen

  • Das BFSG gilt nur für den B2C-Bereich, nicht für den reinen B2B-Bereich! Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher und Unternehmer sind die von der Rechtsprechung zu §§ 13, 14 BGB entwickelten Grundsätze abzuwenden.
  • Kleinstunternehmen sind von der Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung von Dienstleistungen teilweise ausgenommen. Als Kleinstunternehmen bezeichnet § 2 Nr. 17 BFSG als Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern und (nicht oder) einem Jahresumsatz von weniger als 2 Millionen Euro. Gemeint sind Vollzeitstellen, Praktikanten und Auszubildenden zählen nicht mit. Mitarbeiter in Teilzeit werden zusammengerechnet (§ 3 Abs. 3 BFSG, § 2 Nr. 17 BFSG). Zwei halbe Stellen ergeben also beispielsweise eine Stelle im Sinne des BFSG.

7. Welche Websites sind betroffen?

§ 2 Nr. 26 BFSG definiert die in Bezug auf Websites relevanten „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ als

„Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden.“

Diese gesetzliche Definition wäre nicht nötig, wenn man gewollt hätte, dass B2C-Websites in ihrer Gesamtheit unter das BFSG fallen, also jede Unterseite, jedes Element und jede Funktionalität der Website.

Da das BFSG gerade auf diejenigen Dienstleistungen abstellt, die auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden, gilt das Gesetz nicht für alle Unterseiten einer B2C-Website, sondern nur für diejenigen Webseiten, die auf den Vertragsschluss mit dem Verbraucher hinwirken bzw. diesen anbahnen.

Beispiele

  • B2C-Onlineshops: Artikeldetailseiten eines Shops, über die das jeweilige Produkt in den Warenkorb gelegt werden kann, fallen ebenso unter das BFSG wie jede Unterseite des nachfolgenden Bestellprozesses bis hin zum Checkout. Das gilt auch für Rechtstext-Seiten wie das Impressum, AGB oder die Datenschutzerklärung. Eine typische „Über uns“-Seite fiele dagegen nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes, wenn dort nur über die Historie des Shops informiert wird. Wer als Shopbetreiber sichergehen möchte, sollte unserer Meinung nach aber auf solche Spitzfindigkeiten verzichten und den gesamten Shop barrierefrei gestalten.
  • Online-Dienstleistungen, die digital verbindlich erworben werden können, etwa Online-Rechtsberatung, digitales Coaching, kostenpflichtige Gamingdienste oder Streamingangebote, fallen ebenfalls unter das BFSG.
  • Auch dem Vertragsschluss vorgelagerte Dienstleistungen wie Onlinereservierungen, Buchungs- und Registrierungsformulare für kostenpflichtige Leistungen (z.B. eine Reise, ein Event oder einen Arztbesuch) fallen unter das BFSG.
  • Die gebuchte Dienstleistung selbst muss anders als der Prozess der Registrierung einschließlich der Buchung der Dienstleistung nicht barrierefrei sein. Der Konsum bzw. die Nutzung der eigentlichen Dienstleistung fällt (zumindest unmittelbar) nicht unter das BFSG.
  • Reine Webvisitenkarten im Sinne von Unternehmenswebsites mit allgemeinen Informationen über die Firma werden nicht vom BFSG erfasst – selbst dann, wenn sich die Internetseite an Verbraucher richtet.
  • Auch für reine Werbung greift das BFSG nicht.
  • Ob Consent Banner barrierefrei sein müssen, ist offen.
  • Ein Blog fällt grundsätzlich nicht unter das BFSG. Problematisch wird es aber, wenn in Blogbeiträgen Produkte konkret zum Kauf beworben werden, etwa mithilfe von Widgets.
  • Kostenlose Angebote: Umstritten ist, ob nur Vertragsanbahnungsprozesse unter das BFSG fallen, bei denen für den Verbraucher eine Entgeltpflicht besteht. Die Anmeldung zu einem kostenlosen Newsletter oder Event würde dann beispielsweise nicht unter das BFSG fallen. Aus den deutschen Regelungen lässt sich auf diese Frage keine eindeutige Antwort ableiten. § 2 Nr. 26 BFSG, der „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ definiert, nimmt zwar Bezug auf den Abschluss eines „Verbrauchervertrags“. Der Begriff des Verbrauchervertrags wird seinerseits in § 310 Abs. 3 BGB definiert und erfordert keine entgeltliche Leistung zwischen Unternehmer und Verbraucher. Zu berücksichtigen ist aber, dass das BFSG auf dem European Accessibility Act beruht, das heißt auf einer europäischen Richtlinie. Wie bei allen europäischen Richtlinien darf das nationale Umsetzungsgesetz den von der Richtlinie eingeräumten Spielraum nicht verlassen (wenn doch, wäre es europarechtskonform auszulegen / umzudeuten). Erwägungsgrund 46 zum European Accessibility Act spricht von einem Online-Verkauf von Produkten und Dienstleistungen„. Aus unserer Sicht lässt sich der Begriff „Verkauf“ nur so deuten, dass der EU-Gesetzgeber kostenlose Produkte und Dienstleistungen ohne jede Gegenleistungspflicht nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbeziehen wollte.
  • Zahlung mit Daten: Offen ist, wie mit Angeboten umzugehen ist, bei denen nicht mit Geld, sondern in anderer Weise bezahlt wird. Man denke an die berühmt-berüchtigte „kostenlose“ Anmeldung zu einer Social Media Plattform, deren Geschäftsmodell in der kommerziellen Verwertung von personenbezogenen Daten ihrer Nutzer liegt. Unserer Einschätzung nach ist es wahrscheinlich, dass solche Konstellationen von den Gerichten in den Anwendungsbereich des BFSG einbezogen werden.

Ende leicht, Anfang schwer: Man kann meist leicht erkennen, wo die Vorgaben des BFSG enden, nämlich beim „Kaufen“-Button. Problematisch ist, wo sie beginnen. Dazu fehlen konkrete gesetzliche Regelungen. Wer sichergehen möchte, wird nicht darum herumkommen, das BFSG weit auslegen.

8. Gibt es Ausnahmen von der Barrierefreiheitspflicht?

Das BFSG sieht Ausnahmen vor, unter denen Unternehmen bzw. Angebote nicht der Barrierefreiheitspflicht unterliegen.

  • Private oder nicht-kommerzielle Websites
  • Kleinstunternehmen: Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von weniger als 2 Millionen Euro sind von der Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung von Dienstleistungen ausgenommen. Das heißt: Wer mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt oder über 2 Millionen Euro Jahresumsatz erzielt, muss sich an das BFSG halten. Der Begriff „Mitarbeiter“ meint Vollzeitstellen, Praktikanten und Auszubildenden zählen nicht mit. Mitarbeiter in Teilzeit werden zusammengerechnet (§ 3 Abs. 3 BFSG, § 2 Nr. 17 BFSG).
  • B2B-Angebote: Das BFSG gilt nur für den B2C-Bereich, also für Produkte und Dienstleistungen, die sich an Verbraucher richten. Reine B2B-Websites, die nachweislich nur Geschäftskunden bedienen, sind von der Barrierefreiheitspflicht ausgenommen.
  • Unverhältnismäßige Belastung des betreffenden Wirtschaftsakteurs (§ 17 BFSG). Der Wirtschaftsakteur nimmt die Beurteilung selbst vor anhand der Vorgaben in Anlage 4 zu §§ 17, 21 und 28 BFSG.

9. Welche Anforderungen und technischen Standards gibt es?

Die zentralen Anforderungen für die Barrierefreiheit von Websites ergeben sich aus den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) des World Wide Web Consortiums (W3C) in der WCAG Version 2.1. Das BFSG macht diese technischen Standards zur Barrierefreiheit zum Gesetz.

Nach § 4 BFSG gilt eine Konformitätsvermutung. Danach wird vermutet, dass eine mit WCAG Version 2.1 konforme Internetseite BFSG-konform ist. Grund ist, dass die harmonisierte europäische Norm (EN) 301 549 auf die Web Content Accessibility Guidelines 2.1 (WCAG 2.1) verweist.

Beispiele für Anforderungen an Websites nach WCAG Version 2.1

  • Textalternativen: Bilder und nicht-textuelle Inhalte müssen mit Alternativtexten versehen sein.
  • Tastaturbedienbarkeit: Alle Funktionen müssen ohne Maus nutzbar sein.
  • Farben und Kontraste: Texte müssen gut lesbar und Farben für Menschen mit Sehschwächen unterscheidbar sein.
  • Untertitel und Audiotranskriptionen: Videos und Audiodateien müssen mit Untertiteln oder Textalternativen ergänzt werden.
  • Verzicht auf Zeitdruck: Nutzer dürfen nicht durch automatische Abläufe unter Zeitdruck gesetzt werden.
  • Strukturierte Inhalte: Klare Überschriften, Listen und Navigationselemente für eine einfache Orientierung.

Beispiel: Ein Onlineshop muss sicherstellen, dass blinde Nutzer Produkte über eine Screenreader-kompatible Navigation suchen und bestellen können.

10. Wie kann ich prüfen, ob meine Webseite barrierefrei ist?

Unternehmen können testen, ob ihre Website die Anforderungen des BFSG erfüllt. Dafür gibt es verschiedene Methoden und Werkzeuge.

a. Automatisierte Tests

Es gibt Onlinetools, die Webseiten auf Barrierefreiheitsprobleme überprüfen. Einige bekannte Beispiele sind:

Diese Tools analysieren technische Fehler, z.B. fehlende Alternativtexte oder mangelnde Farbkontraste.

b. Manuelle Prüfung

Neben automatisierten Tests sind manuelle Überprüfungen sinnvoll und notwendig, wie diese Beispiele zeigen.

  • Tastaturbedienung testen: Lässt sich die Website ohne Maus vollständig bedienen?
  • Screenreader-Nutzung simulieren: Funktionieren Screenreader korrekt mit den Inhalten?
  • Struktur und Verständlichkeit prüfen: Sind Navigation und Inhalte logisch aufgebaut?

c. Nutzerfeedback einholen

Unternehmen können Menschen mit Behinderungen bitten, die Website zu testen und Feedback zu geben.

11. Wie setze ich das BFSG auf meiner Website um?

Um die Anforderungen des BFSG zu erfüllen, müssen Websitebetreiber gezielt Maßnahmen zur Barrierefreiheit umsetzen.

a. Bestandsaufnahme durchführen

  • Überprüfung der aktuellen Website mit automatisierten Tools und manuellen Tests.
  • Identifikation von Barrieren und Schwachstellen.

b. Barrierefreie Gestaltung umsetzen

Setzen Sie die Richtlinien der WCAG Version 2.1 auf Level AA um. Auszugsweise Beispiele:

  • Alternativtexte für Bilder und Bedienelemente einfügen.
  • Sicherstellen, dass alle Funktionen über die Tastatur bedienbar sind.
  • Farbkontraste optimieren und auf ausreichende Lesbarkeit achten.
  • Formulare mit klaren Labels und Fehlermeldungen ausstatten.

c. Regelmäßige Tests und Verbesserungen durchführen

  • Laufende Überprüfung mit Screenreadern und Testpersonen mit Behinderungen.
  • Nutzerfeedback einholen und Schwachstellen kontinuierlich verbessern.
  • Erklärung zur Barrierefreiheit spätestens 1x pro Jahr aktualisieren

12. Was müssen Betreiber von unter das BFSG fallenden Websites noch tun?

Es genügt nicht, dass betroffene Websitebetreiber die Internetseite barrierefrei bereitstellen. Darüber hinaus müssen sie in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder auf andere deutlich wahrnehmbare Weise darüber informieren, wie sie die Anforderungen des BFSG umgesetzt haben. Diese Erklärung zur Barrierefreiheit muss ihrerseits barrierefrei zugänglich sein (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 BFSG in Verbindung mit Anlage 3 zu den §§ 14 und 28 BFSG).

Die bereitzustellenden Informationen müssen eine Beschreibung der geltenden Anforderungen umfassen und, soweit für die Bewertung von Belang, die Gestaltung und die Durchführung der Dienstleistung abdecken. Neben den Anforderungen an die Verbraucherinformation nach Artikel 246 EGBGB enthalten die Informationen, soweit anwendbar, jedenfalls folgende Elemente:

  • eine allgemeine Beschreibung der Dienstleistung in einem barrierefreien Format;
  • Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der Durchführung der Dienstleistung erforderlich sind;
  • eine Beschreibung, wie die Dienstleistung die Barrierefreiheitsanforderungen der BFSGV erfüllt;
  • die Angabe der zuständigen Marktüberwachungsbehörde.

Wichtig: Nehmen Sie die obigen Informationen in Ihre AGB auf. Die Erklärung muss bei Webseiten von der Startseite und von jeder Unterseite der Webseite aus erreichbar sein. Sie muss jährlich aktualisiert werden.

Problem: Normalerweise verweisen wir an vergleichbaren Stellen auf avalex. Mithilfe von avalex können Websitebetreiber automatisch abmahnsichere Rechtstexte in ihre Internetseite integrieren (AGB, aber auch Impressum, Datenschutzerklärung und Widerrufsbelehrung). Das Problem liegt hier jedoch darin, dass Standardtexte im Fall des BFSG voraussichtlich nicht zum Ziel führen. Die Erklärung zur Barrierefreiheit muss auf einer tatsächlichen Bewertung der Barrierefreiheit der jeweiligen Webseite beruhen und websitebezogene Details enthalten, unter anderem zum Produktsortiment. Weiter muss die konkret verwendete Methode zur Bewertung benannt werden und eine Möglichkeit zur elektronischen Kontaktaufnahme aufgeführt werden, über die man auf verbliebene Barrieren hinweisen und Informationen zur Umsetzung der Barrierefreiheit erfragen kann (Feedbackmechanismus). Schließlich muss sie eine Erläuterung enthalten, wie ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden kann, einschließlich einer Verlinkung zur Schlichtungsstelle (Durchsetzungsverfahren). Falls die Website teilweise nicht barrierefrei ist, müssten die konkreten Gründe dargelegt werden. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass eine Standardisierung der Erklärung zur Barrierefreiheit nicht möglich ist oder diese so allgemein bleiben müsste, dass Zweifel an der vorgeschriebenen Detailtiefe verbleiben würden. Daher gehen wir davon aus, dass für jede unter das BFSG fallende Internetseite eine individuelle Erklärung zur Barrierefreiheit erstellt werden muss.

Lösung: Gerne erstellen wir in Absprache mit Ihnen eine individuelle Erklärung zur Barrierefreiheit für Ihre Website. Nutzen Sie unsere kostenlose Ersteinschätzung.

P.S. Auf Wunsch kann diese Erklärung im Nachgang in Ihre avalex-AGB integriert werden. 

13. Wer überwacht die Einhaltung des BFSG?

Die Einhaltung des BFSG wird laut einer Pressemitteilung durch die von den 16 Bundesländern neu gegründete Marktüberwachungsstelle der Länder für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen (MLBF) überwacht. Es handelt sich um eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Magdeburg.

Die Marktüberwachungsstelle kann von sich aus oder auf Hinweis tätig werden und beispielsweise angemessene Stichproben durchführen (§ 28 BFSG, Details siehe Anlage 1 zu § 28 BFSG).

Stellt die Marktüberwachungsstelle einen Verstoß fest, kann sie Nachbesserung anordnen. Wird der Mangel nicht behoben, können Geldbußen oder Verkaufsverbote verhängt werden. In schweren Fällen kann eine Entfernung der Website vom Markt in Gestalt einer Abschaltung erfolgen. Die Abschaltung der Website ist aber das letzte Mittel, nicht das erste.

Beispiel: Ein Verbraucher meldet, dass der Ticketbuchungsprozess bei einer Online-Plattform nicht barrierefrei ist. Die Marktüberwachungsbehörde prüft den Fall und fordert den Anbieter zur Anpassung auf. Erfolgt keine Nachbesserung, droht eine Sanktion.

14. Welche Bußgelder drohen bei Verstößen gegen das BFSG?

Bei Verstößen gegen die Barrierefreiheitsvorgaben können Geldbußen von bis zu 100.000 Euro verhängt werden (§ 37 Abs. 1, 2 BFSG). Die Höhe des Bußgeldes richtet sich nach der Schwere des Verstoßes und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens.

Die Marktüberwachungsbehörde soll allerdings nicht sofort Geldbußen verhängen, sondern gemäß §§ 29, 30 BFSG gestuft vorgehen. Bei Erstverstößen werden Websitebetreiber zunächst nur Nachbesserung aufgefordert. Erst wenn nach Aufforderung keine Korrektur erfolgt, drohen Bußgelder bis hin zu Verkaufsverboten oder gar einer Abschaltung der Website.

15. Drohen Abmahnungen bei Verstößen gegen das BFSG?

Gegenwärtig ist offen, ob Verstöße gegen das BFSG auch über das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) als Wettbewerbsverletzungen abgemahnt werden können. Teilweise wird vertreten, die Existenz einer Marktüberwachungsbehörde spreche dagegen und es sei nicht nötig, parallel wettbewerbsrechtliche Abmahnungen zuzulassen. Überwachende Aufsichtsbehörden kennt man aber auch aus anderen Gesetzen, etwa der DSGVO. Deren Existenz hat die Rechtsprechung nicht davon abgehalten, Datenschutzverstöße als abmahnbar einzustufen (wenngleich mit Einschränkungen, siehe § 13 Abs. 4 Nr. 2 UWG). Final werden Gerichte über diese Frage entscheiden.

Wenn man von einer grundsätzlichen Abmahnbarkeit von BFSG-Verstößen ausgeht, wäre nach § 3a UWG  Voraussetzung, dass die betreffenden Vorschriften des BFSG (bzw. der BFSGV) sog. Marktverhaltensregeln darstellen. Außerdem müsste der jeweilige Verstoß spürbar sein. Das BFSG äußert sich zu beiden Punkten nicht.

  • Marktverhaltensregeln: Die meisten Juristen gehen aktuell davon aus, dass zumindest einzelne Vorschriften des BFSG als Marktverhaltensregeln einzustufen sind (u.a. Nickl/Heuser: Wettbewerbsrechtliche Herausforderungen aus dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, GRUR-Prax 2024, 803).
  • Spürbarkeit: Wann bei BFSG-Verstößen die Relevanzschwelle überschritten ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Ob Verstöße spürbar sind, wird man voraussichtlich in jedem Einzelfall wertend beantworten müssen. Der Spielraum ist allerdings gering. Die Rechtsprechung stellt traditionell nur sehr niedrige Anforderungen an die Spürbarkeit von UWG-Verstößen. Für die Verwirklichung des § 3a UWG genügt es, wenn auch nur in einem Fall die Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung der Interessen eines einzigen Marktteilnehmers gegeben ist (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 25.02.2016, Az. 5 U 26/12; EuGH, Urteil vom 16.04.2015, Az. C-388/13Nemzeti Fogyasztóvédelmi Hatóság / UPC Magyarország Kft.).

Sollte sich bewahrheiten, dass BFSG-Vorschriften Marktverhaltensregeln darstellen und Verstöße (ganz überwiegend) auch im wettbewerbsrechtlichen Sinne spürbar sind, wäre die Folge, dass Mitbewerber bzw. Verbraucherschutzverbände Ansprüche auf Unterlassung per Abmahnung geltend machen und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, Zahlung von Abmahnkostenersatz sowie sofortige Anpassung der Website fordern dürfen. Die Ausnahmeregel des § 13 Abs. 4 UWG ist nicht einschlägig, da es sich bei den BFSG-Vorschriften weder um Infopflichten noch DSGVO-Normen handelt (Ausnahme: die BFSG-Infopflichten nach Anlage 3 zum BFSG, diese dürften § 13 Abs. 4 UWG unterfallen). Käme es nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu erneuten Verstößen, würden abgemahnten Websitebetreibern Vertragsstrafen sowie ggf. gerichtliche Auseinandersetzungen mit zusätzlichen Kosten drohen.

Beispiel: Ein Onlineshop ohne barrierefreie Bestellfunktion kann voraussichtlich von einer Verbraucherorganisation wie der Verbraucherzentrale oder einem Konkurrenten abgemahnt und zur Nachbesserung verpflichtet werden. Erfolgt keine Anpassung, drohen Klagen und Ordnungsmittel.

16. Wo gibt es weiterführende Informationen?

Unternehmen, die sich vertieft mit den Anforderungen des BFSG auseinandersetzen möchten, finden hilfreiche Informationen bei offiziellen Stellen und Fachorganisationen.

Autor: Niklas Plutte

Niklas Plutte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz mit Sitz in Mainz. Folgen Sie ihm bei Twitter, Facebook und LinkedIn!

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