Schutzschriften sind vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Ziel ist, dass eine einstweilige Verfügung vom Gericht nicht oder zumindest erst nach mündlicher Verhandlung erlassen wird.
Inhaltsverzeichnis
1. Schutzschrift: Was ist das?
2. Einreichung der Schutzschrift
3. Hinweis auf Schutzschrifteinreichung in Reaktionsschreiben
4. Höhe und Erstattungsfähigkeit von Kosten
5. Wann macht eine Schutzschrift Sinn?
6. Einstweilige Verfügung wird trotz Schutzschrift erlassen
7. Alternativen zur Schutzschrift
1. Schutzschrift: Was ist das?
Schutzschriften haben im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes sowie des Medien- und Presserechts große Bedeutung, nicht nur zur Verhinderung des sog. “Forum-Shopping”. Sie dienen dazu, dem Gericht vor Erlass einer erwarteten einstweiligen Verfügung die eigene Sichtweise darzustellen.
Zwar haben die Gerichte auch ohne Schutzschrift die Möglichkeit, vor Erlass einer einstweiligen Verfügung mündlich zu verhandeln und sich die Argumente der Gegenseite anzuhören. In der Praxis ergehen einstweilige Verfügungen aber regelmäßig allein auf Grundlage des Vortrags des Antragstellers (vgl. § 944 ZPO). Bei erfolgreicher Berücksichtigung einer Schutzschrift wird die beantragte einstweilige Verfügung dagegen gar nicht, nur zum Teil oder zumindest erst nach mündlicher Verhandlung (in abgeschwächter Form) erlassen.
Update: Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren presserechtlichen Verfahren die weitverbreitete Gerichtspraxis, einstweilige Verfügungen ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners bzw. ohne mündliche Verhandlung zu erlassen, für verfassungswidrig erklärt. Die dortigen Grundsätze sind auch auf den “grünen Bereich” übertragbar, also beispielsweise auf das Wettbewerbsrecht, Markenrecht und Urheberrecht.
2. Einreichung der Schutzschrift
Bei Rechtsstreitigkeiten mit Internetbezug kommen aufgrund des fliegenden Gerichtsstands meist mehrere Gerichte für den Erlass der erwarteten einstweiligen Verfügung in Betracht. Entsprechend genügt es nicht, die Schutzschrift nur bei einem Gericht zu hinterlegen. Anzuschreiben sind alle ernsthaft in Betracht kommenden Gerichte.
Die Nutzung des Zentralen Schutzschriftenregisters war früher problematisch, als noch nicht alle deutschen Gerichte an das System angeschlossen waren. Das konnte beispielsweise bei einer Wettbewerbssache bedeuten, dass zusätzliche Schutzschriften bei mehreren oder sogar allen Landgerichten hinterlegt werden sollten/mussten.
Durch das Schutzschriftenregister, das nach § 945a Abs. 1 ZPO bei der Landesjustizverwaltung Hessen für die Länder zentral geführt wird, hat jedes Gericht tatsächlich Zugriff auf die Schutzschrift und ist rechtlich verpflichtet zu recherchieren, ob eine Schutzschrift in dieser Sache im Register eingestellt ist (Begr zu § 945a ZPO, BT-Drs. 17/12634, S. 36). Eine beim zentralen Schutzschriftenregister nach § 945a ZPO eingereichte Schutzschrift gilt gemäß § 945a Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der Einstellung in das Schutzschriftenregister als bei allen ordentlichen Gerichten der Länder eingereicht (OLG Hamburg, Beschluss vom 04.07.2016, Az. 8 W 68/16).
Die Einreichung der Schutzschrift unterliegt keinem Anwaltszwang. Je komplexer die Materie, umso mehr empfiehlt sich aber anwaltliche Unterstützung. Zu beachten ist auch, dass Schutzschriften sechs Monate nach ihrer Einstellung zu löschen sind (§ 945a Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Tipp für Rechtsanwälte: Hier finden Sie eine Anleitung zur Einstellung einer Schutzschrift in das elektronische Schutzschriftenregister per beA.
3. Hinweis auf Schutzschrifteinreichung in Reaktionsschreiben
Leider prüfen nicht alle Gerichte standardmäßig das Schutzschriftenregister vor ihrer Entscheidung über den Verfügungsantrag. Abgemahnte sollten daher in der Reaktion auf die Abmahnung darauf hinweisen, dass eine Schutzschrift eingereicht wurde, die Registernummer mitteilen und den Abmahnenden auffordern, das Reaktionsschreiben zusammen mit einem etwaigen Verfügungsantrag bei Gericht vorzulegen.
4. Höhe und Erstattungsfähigkeit von Kosten
Die Kosten einer Schutzschrift, die vorsorglich zur Verteidigung gegen einen erwarteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht worden ist, sind grundsätzlich erstattungsfähig, wenn ein entsprechender Verfügungsantrag bei diesem Gericht eingeht. Wird eine im zentralen Schutzschriftregister hinterlegte Schutzschrift in mehreren Verfahren herangezogen, fällt die Verfahrensgebühr auch mehrfach an (OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24.10.2023, Az. 9 W 7/23). Kosten einer Online-Schutzschrift sind erstattungsfähig, wenn ein entsprechender Verfügungsantrag bei diesem Gericht eingeht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.07.2015, Az. 6 W 72/15).
Die Kosten sind auch dann erstattungsfähig, wenn der Verfügungsantrag abgelehnt oder zurückgenommen wird, ohne dass eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. In diesem Fall ist jedoch nicht die volle Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, sondern nach § 32 Abs. 1 BRAGO nur eine halbe Gebühr zu erstatten (BGH, Urteil vom 13.02.2003, Az. I ZB 23/02 – Kosten der Schutzschrift I).
Es kommt nicht darauf an, ob das Gericht, bei dem der Verfügungsantrag gestellt wird, die Schutzschrift vor seiner Entscheidung zur Kenntnis genommen hat oder nicht (OLG Hamburg, Beschluss vom 04.07.2016, Az. 8 W 68/16). Gleiches gilt dafür, ob das Gericht eine Schutzschrift verwertet hat oder nicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.06.2008, Az. I-24 W 44/08).
Voraussetzung für eine Kostenerstattung ist, dass es zwischen den Parteien zu einem Prozessrechtsverhältnis kommt. Wer in einem Wettbewerbsstreit Schutzschriften bei allen deutschen Landgerichten einreicht, kann eine prozessuale Kostenerstattung daher nur hinsichtlich derjenigen Kosten verlangen, die durch die Einreichung der Schutzschrift bei dem Gericht angefallen sind, bei dem der spätere Verfügungsantrag eingegangen ist (OLG Hamburg, Beschluss vom 23.10.2013, Az. 4 W 100/13).
Die durch die Einreichung einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung entstandenen Kosten sind dagegen nicht erstattungsfähig, wenn der Antragsgegner die Antragsrücknahme nicht kannte oder kennen musste (BGH, Beschluss vom 23.11.2006, Az. I ZB 39/06).
Für die gegen einen erwarteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Gericht eingereichte Schutzschrift mit Sachvortrag erhält der mit der Vertretung im erwarteten Eilverfahren betraute Rechtsanwalt eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV, wenn der Verfügungsantrag bei Gericht eingeht und später wieder zurückgenommen wird. Sachvortrag ist gegeben, wenn die Schutzschrift Tatsachen- oder Rechtsausführungen zur Sache und nicht nur Verfahrensanträge enthält (BGH, Beschluss vom 13.03.2008, Az. I ZB 20/07).
Update: Im Wettbewerbsrecht hat der unberechtigt Abgemahnte seit dem 02.12.2020 gegen den Abmahnenden nach § 13 Abs. 5 UWG einen Anspruch auf Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen. Diese Vorschrift ist vor allem für Abmahnungen relevant, die nicht der gerichtlichen Klärung zugeführt werden (BT-Drs. 19/12084, S. 31). Dr. Elisabeth Stöve (Vorsitzende Richterin der 4. Kammer für Handelssachen am Landgericht Düsseldorf) plädiert dafür, dass der Einreicher der Schutzschrift auch dann die Kosten der Schutzschrift als erforderliche Aufwendungen seiner Rechtsverteidigung vom Abmahnenden ersetzt verlangen können sollte, wenn der Abmahnende nach der Abmahnung keinen einstweiligen Verfügungsantrag bei Gericht stellt.
5. Wann macht eine Schutzschrift Sinn?
Eine Schutzschrift macht vor allem Sinn, wenn
- zwischen den Parteien Streit über tatsächliche Umstände bestehen. Zur rechtlichen Seite macht sich das Gericht ohnehin von Amts wegen Gedanken. Daher hat eine allein auf Rechtsausführungen basierende Schutzschrift meist geringe(re) Erfolgsaussichten.
Beispiel: Der Hinterleger kann relevante Tatsachen vortragen, von denen er erwartet, dass sie vom Abmahner im Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung verschwiegen bzw. falsch oder verzerrt vorgetragen werden. - der Hinterleger das zeitweilige Verbot eines bestimmten Verhaltens nicht in Kauf nehmen kann oder will, etwa den Verkauf einer Ware oder die Schaltung einer Werbekampagne. Das in einer einstweiligen Verfügung enthaltene gerichtliche Verbot bzw. Gebot muss vom Antragsgegner nämlich ab Zustellung beachtet werden. Dies gilt selbst dann, wenn er sofort Widerspruch gegen die Verfügung erhebt, da der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
- sie (im Fall einer vorausgegangenen Abmahnung) innerhalb der vom Gegner gesetzten Reaktionsfrist hinterlegt wird. Betroffene sollten mit der Schutzschrifthinterlegung nicht zu lange zögern, auch im Hinblick auf die Erstattbarkeit der eigenen Anwaltskosten (siehe oben).
Ein nur wenige Tage umfassender Verbotszeitraum zwischen Zustellung der Verfügung und mündlicher Verhandlung kann so für den Antragsgegner zu erheblichen Umsatzeinbußen führen, man denke etwa an zeitlich begrenzte Verkaufsanlässe wie Oster- oder Weihnachtsgeschäft, Fußball-WM, Schlussverkauf etc.
6. Einstweilige Verfügung wird trotz Schutzschrift erlassen
Eine Schutzschrift bewahrt den Hinterleger freilich nicht davor, dass die erwartete einstweilige Verfügung nicht trotzdem erlassen wird. Hält das Gericht den Verfügungsantrag auch unter Berücksichtigung der Schutzschrift für begründet, wird es dem Verfügungsantrag stattgeben.
Selbst eine Niederlage hat in diesem Fall jedoch etwas Gutes für sich, da sie dem Hinterleger Klarheit verschafft. Ausgehend davon, dass die Schutzschrift vom Gericht in die Entscheidung über den Verfügungsantrag einbezogen wurde (was im Verfügungsbeschluss oft ausdrückliche Erwähnung findet), weiß der Hinterleger, wie das Gericht seinen Gegenvortrag wertet. Entsprechend kann er die Erfolgsaussichten eines Vorgehens gegen die einstweilige Verfügung (z.B. per Widerspruch) besser beurteilen. Sofern der Hinterleger keine neuen Tatsachen vorlegen kann oder ohnehin einen Gang in die Berufung plant, wird er z.B. gut beraten sein, von sich aus eine Abschlusserklärung abzugeben.
7. Alternativen zur Schutzschrift
Weitere Reaktionsmöglichkeiten auf eine Abmahnung sind z.B. die Negative Feststellungsklage, die Gegenabmahnung sowie die Abgabe oder Nichtabgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Die verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten auf eine einstweilige Verfügung sind hier im Überblick dargestellt.
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