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Online-Coaching und das Fernunterrichtsschutzgesetz

coaching fernunterrichtsgesetz

Online-Coachings liegen im Trend. In diesem ausführlichen Beitrag erklären wir, unter welchen Voraussetzungen man sich von einem abgeschlossenen Online-Coaching-Vertrag wieder lösen kann.

Rechtsanwalt Niklas Plutte
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Rechtsanwältin Katja Schott

Haben Sie Fragen zu Ihrem Online-Coaching-Vertrag? Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Internetrecht. Wir beraten Sie bei Rechtsfragen zum Fernunterrichtsschutzgesetz. Nutzen Sie unsere kostenfreie Ersteinschätzung.

I. Online-Coaching

Online-Coaching-Angebote (auch Mentoring genannt), zeichnen sich dadurch aus, dass Teilnehmern bestimmte Inhalte virtuell vermittelt werden, meist über digitale Plattformen oder Videokonferenz-Tools, teilweise (zusätzlich)) über Video-Chats oder Chat-Nachrichten. Je nach Programm kann es sich um vorproduzierte Inhalte handeln, aber auch um interaktive Live-Sitzungen. Kombinationen aus beiden Varianten sind ebenfalls möglich. Die thematische Vielfalt ist breit. Häufig anzutreffen sind beispielsweise Lehrgänge, die Unterstützung beim Aufbau eines Geschäftsmodells bieten oder der Vertriebsoptimierung dienen.

Entsprechen die Inhalte des Coachings nicht den Erwartungen des Teilnehmers oder bereut er die Buchung aus anderen Gründen, stellt sich die Frage, ob er sich vom geschlossenen Online-Coaching-Vertrag lösen kann. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Grundsätzlich müssen einmal abgeschlossene Verträge eingehalten werden. In bestimmten Fällen sieht das Gesetz aber Ausstiegsmöglichkeiten vor. Diese stellen wir nachfolgend vor.

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II. Fernunterrichtsschutzgesetz

Eine Ausstiegsmöglichkeit kann das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) bieten, das bereits 1977 und damit deutlich vor dem Auftreten von Online-Coachings in Kraft getreten ist.

Das FernUSG regelt die Rechte und Pflichten, die sich für Lehrende und Lernende aus Fernunterrichtsverträgen ergeben. Es dient dem Schutz von Teilnehmern von Fernunterrichtsangeboten und gibt ihnen die Möglichkeit, sich durch Kündigung (§ 5 FernUSG) bzw. Widerruf (§ 4 FernUSG) vom Vertrag zu lösen. Unter bestimmten Voraussetzungen ist der Vertrag nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz sogar von Anfang an nichtig (§ 7 FernUSG). Hintergrund ist, dass Fernlehrgänge aus Sicht des Gesetzgebers häufig eine mangelhafte fachliche und methodische Qualität aufweisen und nicht geeignet sind, das beworbene Lernziel zu vermitteln.

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1. Fernunterrichtsvertrag

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes auf Online-Coaching-Verträge ist der Abschluss eines Fernunterrichtsvertrages. Ein Fernunterrichtsvertrag liegt gemäß § 1 Abs. 1 FernUSG vor, wenn die folgenden Kriterien gemeinsam erfüllt sind:

a. Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten: Der Unterricht, der die Vermittlung von Fähigkeiten und Kenntnissen zum Gegenstand hat, muss gegen Entgelt erfolgen.

b. Räumliche Trennung: Es muss eine ausschließliche oder überwiegende räumliche Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem bestehen.

c. Lernerfolgskontrolle: Der Lernerfolg muss überwacht werden.

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a. Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten

Ob im Rahmen des jeweiligen Coaching-Vertrags Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, hängt davon ab, welche zusätzlichen Leistungen neben der reinen Gesprächsführung Teil des Coachings sind.

Ein klassisches Coaching, das nur aus gegenseitigen Gesprächen besteht, die die Selbstreflexion und die Einschätzung der Entwicklung der Kompetenzen und Perspektiven des Teilnehmers zum Gegenstand haben, und bei dem der Coach als neutraler, kritischer Gesprächspartner agiert, dient nicht dem Zweck der Kenntnis- und Fähigkeitsvermittlung (OLG Celle, Urteil vom 29.10.2024, Az. 13 U 20/24). Es handelt sich in diesem Fall um eine reine Coaching-Leistung bzw. ein persönliches „Mentoring“ und nicht um einen Fernlehrgang im Sinne des FernUSG. Das reine Coaching erschöpft sich in dem Angebot des Lehrenden, bei Fragen des Teilnehmers beratend zur Seite zu stehen.

Anders kann es zu beurteilen sein, wenn neben der Gesprächsführung zusätzliche Leistungen Inhalt des Coachings sind. Die Rechtsprechung trennt zwischen didaktisch aufbereitetem Lernstoff auf der einen Seite sowie individueller und persönlicher Beratung und Begleitung auf der anderen Seite. Tritt neben dem reinen Coaching im Sinne der Gesprächsführung beispielsweise das Bereitstellen von Lernmaterialien wie Videomaterialien, Arbeitsblättern, Templates oder Skripten hinzu, kommt eine Kenntnis- und Fähigkeitsvermittlung in Betracht (OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023, Az. 2 U 24/23). Ein Online-Kurs, der unter anderem aus dem Zugang zu einer Lernplattform mit vorproduzierten Lernvideos besteht und das Ziel hat, Teilnehmer zu befähigen, eine bestimmte Erwerbstätigkeit auszuführen, beinhaltet eine Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten i.S.d. § 1 Abs. 1 FernUSG (OLG Dresden, Urteil vom 30.04.2025, Az. 12 U 1547/24).

Welchen Anteil die zusätzlichen Leistungen bilden müssen, damit von einer Kenntnis- und Fähigkeitsvermittlung ausgegangen werden kann, ist umstritten.

  • Aus Sicht des OLG Hamburg liegt keine Kenntnis- und Wissensvermittlung vor, wenn die individuelle Beratung den Schwerpunkt des Coachings ausmacht (OLG Hamburg, Urteil vom 20.02.2024, Az. 10 U 44/23).
  • Das OLG Köln lässt es für die Annahme einer Kenntnis- und Fähigkeitsvermittlung dagegen ausreichen, wenn vom Lehrenden zumindest auch weitere themenspezifische Materialien zur Verfügung gestellt werden (OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023, Az. 2 U 24/23).

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b. Räumliche Trennung

Wann eine räumliche Trennung zwischen Lehrendem und Lernenden gegeben ist, wird ebenfalls unterschiedlich beurteilt. Strittig ist, an welchen Umstand anzuknüpfen ist.

  • Ein Teil der Rechtsprechung orientiert sich am wörtlichen Sinn des Begriffs der „räumlichen Trennung“. Danach liegt eine räumliche Trennung vor, wenn sich Lehrender und Lernender an unterschiedlichen Orten aufhalten und das Coaching beispielsweise über einen Video-Chat stattfindet (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.02.2025, Az. 6 U 46/24; OLG Celle, Urteil vom 29.10.2024, Az. 13 U 20/24). Das gilt auch, wenn eine synchrone Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden möglich ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 29.08.2024, Az. 13 U 176/23). Die örtliche Trennung begründet bereits eine Schutzwürdigkeit des Teilnehmers. Da Online-Unterricht – im Gegensatz zu Präsenzunterricht – unter Umständen mit wenig Aufwand durchgeführt werden kann, besteht die Gefahr, dass die Qualität des Lehrgangs und die Eignung für die Bedürfnisse des Teilnehmers im Nachhinein nicht seinen Erwartungen entsprechen (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.02.2025, Az. 6 U 46/24). Aus Sicht des OLG Dresden liegt eine räumliche Trennung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Fern USG bei einem Online-Unterricht vor, auch dann, wenn eine synchrone Kommunikation zwischen Lehrendem und Lernendem möglich ist (OLG Dresden, Urteil vom 30.04.2025, Az. 12 U 1547/24).
  • Die Gegenauffassung stellt nicht auf den räumlichen Wortsinn ab, sondern darauf, ob die Wissensvermittlung überwiegend synchron oder asynchron stattfindet (OLG München, Beschluss vom 16.05.2024, Az. 3 U 984/24e). Bei einer synchronen Wissensvermittlung findet der Unterricht im direkten Austausch statt, beispielsweise über einen Video-Chat oder Chat-Nachrichten. Asynchron ist der Unterricht, der im Selbststudium erfolgt, insbesondere, wenn Unterrichtsmaterialien vom Lehrenden zur selbstständigen Bearbeitung durch den Lernenden auf einer Plattform oder auf sonstigem Wege zur Verfügung gestellt werden. Nach dieser Ansicht kommt es darauf an, ob der Lernende zusätzliche Anstrengungen unternehmen muss, um mit dem Lehrenden in Kontakt zu treten (OLG Nürnberg, Urteil vom 05.11.2024, Az. 14 U 138/24).
  • Beide Ansichten sind sich einig, dass eine räumliche Trennung jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn Lehrender und Lernender örtlich getrennt sind und ein wesentlicher Teil des Unterrichts asynchron angeboten wird.

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c. Lernerfolgskontrolle

Das Merkmal der Lernerfolgskontrolle bereitet im Zusammenhang mit Online-Coaching Verträgen ebenfalls rechtliche Schwierigkeiten.

Bereits 2009 entschied der BGH, dass der Begriff der Lernerfolgskontrolle weit auszulegen sei. Neben schriftlichen Kontrollen reiche es beispielsweise auch aus, dass der Lehrende eine mündliche Kontrolle während des begleitenden Direktunterrichts anbietet. Das könne Feedback auf individuelle Fragen des Lernenden über den erlernten Stoff sein, durch das der Lernende kontrollieren kann, ob er das Erlernte richtig verstanden hat. Ob es tatsächlich zu einer Lernerfolgskontrolle gekommen ist, sei nicht maßgeblich. Es genüge, dass diese Möglichkeit im Rahmen des Coachings angeboten werde. Indiz für eine vereinbarte Lernerfolgskontrolle sei die Verwendung von Begriffen wie „Zertifikat“, „Absolvent“ oder „Studium“ im Zusammenhang mit dem Lehrgang (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2009, Az. III ZR 310/08).

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte orientiert sich an diesen Maßstäben. So bejahten die Oberlandesgerichte Stuttgart und Celle eine Überwachung des Lernerfolgs, wenn das Coaching-Angebot die Möglichkeit von regelmäßigen Videokonferenzen und den Zugang zu einer Online-Chatgruppe bot und dadurch mündliche Fragen zur Verständniskontrolle hinsichtlich des zu erlernenden Stoffes ermöglichte (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.02.2025, Az. 6 U 46/24; OLG Celle, Urteil vom 29.10.2024, Az. 13 U 20/24). Aus Sicht des OLG Dresden reicht es für die Bejahung einer Lernerfolgskontrolle aus, wenn der Lernende einen Anspruch darauf hat, seinen Lernerfolg kontrollieren zu lassen. Hierfür genügt es, dass der Lehrende sich ein Bild davon machen kann, welchen Lernfortschritt der Teilnehmer vorweist, und hierdurch in die Lage versetzt wird, dem Lernenden hierzu eine Rückmeldung zu geben (OLG Dresden, Urteil vom 30.04.2025, Az. 12 U 1547/24).

Steht die Wissensvermittlung nicht im Vordergrund des Coachings, handelt es sich bei Gesprächen zwischen dem Coach und dem Teilnehmer dagegen in der Regel nicht um Lernerfolgskontrollen, sondern um individuelle Beratung (OLG München, Beschluss vom 16.05.2024, Az. 3 U 984/24e; OLG Celle, Urteil vom 29.10.2024, Az. 13 U 20/24). So entschied das OLG München in einem Fall, in dem es um eine individuelle Beratung (1:1 Coaching) zum zum Business-Aufbau ging (OLG München, Beschluss vom 16.05.2024, Az. 3 U 984/24e).

Nicht ausreichend für eine Lernerfolgskontrolle ist die bloße Möglichkeit, Verständnisfragen zu stellen. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Selbstkontrolle des Teilnehmers (OLG Schleswig, Urteil vom 05.07.2024, Az. 19 U 65/24 zu einem Mentoring-Konzept, bei dem es maßgeblich um die Weitergabe von Erfahrungswissen des Lehrenden ging). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Teilnehmern zum Abschluss des Programms ein Absolventen-Zertifikat ausgestellt wird (OLG Naumburg, Urteil vom 26.11.2024, Az. 1 U 41/24). Das OLG Hamburg legt besonderen Wert auf das Element der Kontrolle über den Lernerfolg. Bestandteile der Kontrolle des Lernerfolgs können Prüfungen sein. Der Lehrende übt hingegen keine Kontrolle über den Lernerfolg aus, wenn er dem Lernenden lediglich ermöglicht, Fragen zu stellen (OLG Hamburg, Urteil vom 20.02.2024, Az. 10 U 44/23).

Bei einer Überprüfung des Lernenden durch den Lehrenden liegt dagegen natürlich eine Lernerfolgskontrolle vor (OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023, Az. 2 U 24/23).

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2. Anwendbarkeit des FernUSG auf Verbraucher / Unternehmer

Verbraucher können sich auf die Schutzregelungen des Fernunterrichtsschutzgesetz berufen. Gerade bei Business-Coachings kann allerdings unklar sein, wann Teilnehmer als Verbraucher anzusehen sind.

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a. Allgemeine Abgrenzung zwischen Verbrauchern und Unternehmern

Für die Abgrenzung zwischen Verbraucherhandeln und Unternehmerhandeln kommt es darauf an, ob der Schwerpunkt des konkreten Rechtsgeschäfts beruflicher bzw. gewerblicher oder privater Natur ist:

Verbraucher vs. Unternehmer: Nach § 13 BGB ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Ein Unternehmer ist gemäß § 14 Abs. 1 BGB eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

Zu Beginn der Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit bzw. in der Entscheidungsphase vor der Unternehmensgründung ist die Abgrenzung des gewerblichen bzw. freiberuflichen Bereichs vom privaten Bereich häufig nicht trennscharf. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof die Existenzgründer-Rechtsprechung entwickelt: Danach ist unternehmerisches Handeln anzunehmen, wenn das Rechtsgeschäft „im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit (sog. Existenzgründung) geschlossen wird“ (BGH, Urteil vom 15.11.2007, Az. III ZR 295/06). Maßgeblich ist nicht die innere Haltung der Beteiligten, sondern die nach außen erkennbaren Umständen und der objektive Zweck des Rechtsgeschäfts. Mögliches Vorwissen im unternehmerischen Bereich ist nicht zu berücksichtigen.

Anders zu beurteilen sind Handlungen, die objektiv der Entscheidungsfindung dienen, ob eine Existenz gegründet werden soll. Hier liegt Verbraucherhandeln vor. Das gilt auch dann, wenn sich der Betroffene innerlich bereits fest zur Unternehmensgründung entschlossen hat (BGH, Urteil vom 15.11.2007, Az. III ZR 295/06).

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b. Abgrenzung zwischen Verbrauchern und Unternehmern bei Coachings

Ob ein Teilnehmer eines Online-Coachings als Verbraucher oder Unternehmer einzustufen ist, hängt stark vom Einzelfall ab, insbesondere dem Thema und den Umständen des Coachings.

In einem vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelten Fall diente das gebuchte Coaching-Programm zwar der Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit. Das Programm zielte allerdings gleichzeitig in wesentlichen Teilen darauf ab, dem Lernenden erst die erforderliche Sachkunde zu verschaffen, damit er anschließend über die Existenzgründung entscheiden könne. So richtete sich das Coaching nach der Homepage des Dienstleisters an Personen „ohne Vorkenntnisse“, die „Schritt für Schritt“ angeleitet werden sollten, eine Agentur aufzubauen. In dieser Konstellation wurde der Lernende vom Gericht als Verbraucher und noch nicht als Unternehmer eingestuft (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.02.2024, Az. 6 U 46/24).

Für das OLG Hamburg deuteten der hohe Preis eines Coachings (über 6.000 Euro) sowie der Umstand, dass der Teilnehmer parallel zum Coaching zum Thema „Erfolgreiche Online-Shops“ bereits seinen Online-Shop einrichtete, darauf hin, dass der Teilnehmer seine Entscheidung zur Existenzgründung bereits getroffen hatte, weshalb er als Unternehmer eingestuft wurde (OLG Hamburg, Urteil vom 20.02.2024, Az. 10 U 44/23).

Behauptet der Teilnehmer gegenüber dem Anbieter, er sei Unternehmer, kann dies ebenfalls für ein Unternehmerhandeln sprechen (OLG Schleswig, Urteil vom 05.07.2024, Az. 19 U 65/24).

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c. Anwendbarkeit des FernUSG auf Unternehmer?

Würde man das FernUSG auch auf Unternehmer anwenden, wäre die Abgrenzung zwischen Verbraucher und Unternehmer obsolet. Ob das FernUSG für Unternehmer gilt, ist allerdings strittig.

Die Gerichte haben zu dieser ausgesprochen praxisrelevanten Frage unterschiedliche Auffassungen vertreten.

  • Das Oberlandesgerichte Nürnberg und München gehen davon aus, dass das FernUSG nur für Verbraucher gilt und nicht auf Unternehmer angewendet werden kann. Bei Entstehung des Fernunterrichtsschutzgesetzes sei der Verbraucherschutz vom Gesetzgeber explizit in den Vordergrund gestellt worden (OLG Nürnberg, Urteil vom 05.11.2024, Az. 14 U 138/24; OLG München, Urteil vom 17.10.2024, Az. 29 U 310/21).
  • Das Oberlandesgericht Celle entschied entgegengesetzt in mehreren Verfahren, dass das FernUSG auch auf Unternehmer anwendbar sei. Das FernUSG sehe keine ausschließliche Anwendbarkeit auf Verbraucher vor. Stattdessen schütze es sowohl Verbraucher als auch Unternehmer vor qualitativ minderwertigen Fernunterrichtsverträgen (OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023, Az. 3 U 85/22; OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 29.05.2024, Az. 13 U 8/24; OLG Celle, Urteil vom 24.09.2024, Az. 13 U 20/24). Diese Auffassung vertrat im Ergebnis auch das Landgericht München zu einem Online-Coaching, bei dem sich die erwerbslose Teilnehmerin mit der angebotenen Bildungsmaßnahme eine Existenz im Bereich E-Commerce aufbauen wollte (LG München, Urteil vom 15.01.2025, Az. 44 O 16944/23) sowie das Oberlandesgericht Dresden in Bezug auf eine Lernplattform mit vorproduzierten Videos (OLG Dresden, Urteil vom 30.04.2025, Az. 12 U 1547/24).

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3. Loslösungsmöglichkeiten nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz

Wenn dem Online-Coaching ein Fernunterrichtsvertrag zugrunde liegt und der Anwendungsbereich des Fernunterrichtsschutzgesetzes eröffnet ist (Verbraucher/Unternehmer), kommen für den Teilnehmer unterschiedliche Möglichkeiten in Betracht, sich vom Online-Coaching-Vertrag zu lösen.

a. Nichtigkeit

Gemäß § 12 Abs. 1 FernUSG bedürfen alle Fernlehrgänge einer Zulassung, sofern der Lehrgang nicht ausschließlich Themen der Freizeitgestaltung oder Unterhaltung zum Gegenstand hat. Fernunterrichtsverträge über Fernlehrgänge, die die erforderliche Zulassung nicht besitzen, sind nichtig (§ 7 FernUSG). Zuständig ist die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU). Anbieter von Online-Coachings können und sollten sich insbesondere die FAQ der ZFU ansehen.

Durch die Zulassungspflicht von Fernlehrgängen kann bereits eine erste Kontrolle der Qualität des Programms durchgeführt werden. So ist die Zulassung beispielsweise zu versagen, wenn der Lehrgang nicht geeignet ist, das angegebene Lehrgangsziel zu erreichen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FernUSG).

Fehlt die für den Fernlehrgang erforderliche Zulassung, ist der zwischen dem Lehrenden und dem Lernenden abgeschlossene Vertrag nichtig, das heißt rechtlich unwirksam (§ 7 FernUSG). In diesem Fall hat der Lehrende keinen Anspruch auf Vergütung (vgl. OLG Celle, Urteil vom 01.03.2023, Az. 3 U 85/22). Bereits geleistete Zahlungen können zurückverlangt werden (vgl. OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 29.05.2024, Az. 13 U 8/24).

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b. Kündigung

§ 5 FernUSG gibt dem Teilnehmer ein Kündigungsrecht. Danach kann der Teilnehmer den Fernunterrichtsvertrag erstmals zum Ablauf des ersten halben Jahres nach Vertragsschluss mit einer Frist von sechs Wochen kündigen. Nach Ablauf des ersten Halbjahres kann der Teilnehmer den Vertrag jederzeit mit einer Frist von drei Monaten kündigen. Ein Grund muss nicht genannt werden. Die Kündigung muss in Textform erfolgen, d.h. man kann schriftlich per Brief kündigen, aber auch elektronisch, z.B. per E-Mail, WhatsApp, SMS oder Fax.

Unabhängig davon kann der Vertrag ggf. auch aus wichtigem Grund gekündigt werden (§ 5 Abs. 1 S. 1 FernUSG). Ein Recht zur fristlosen Kündigung steht dem Teilnehmer gemäß § 7 Abs. 2 FernUSG zu, wenn nach Vertragsschluss die Zulassung des Fernlehrgangs entfällt. Die Kündigung ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Belehrung durch den Lehrenden über das Kündigungsrecht und den Wegfall der Zulassung zu erklären.

Im Fall einer wirksamen Kündigung muss nur der Anteil der Vergütung bezahlt werden, der für die tatsächlich durchgeführte Dauer des Vertrages angefallen ist.

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c. Widerruf

Weiterhin steht dem Teilnehmern eines Fernunterrichtslehrgangs gemäß § 4 FernUSG ein Widerrufsrecht zu.

Der Teilnehmer muss den Widerruf innerhalb von 14 Tagen ab Vertragsschluss gegenüber dem Anbieter erklären. Hat der Anbieter den Teilnehmer bei Vertragsschluss nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Frist auf ein Jahr und 14 Tage. Der Teilnehmer muss seinen Widerruf nicht begründen.

Nach wirksamem Widerruf ist eine ggf. bereits gezahlte Vergütung innerhalb von 14 Tagen zurückzuzahlen.

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III. Loslösungsmöglichkeiten nach dem BGB

Neben den Spezialregelungen des FernUSG können auch nach den allgemeinen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuch Möglichkeiten bestehen, sich von einem Online-Coaching-Vertrag zu lösen. Die BGB-Regelungen sind insbesondere dann relevant, wenn der Coaching-Vertrag nicht die inhaltlichen Anforderungen an einen Fernunterrichtsvertrag erfüllt, die das Fernunterrichtsschutzgesetz und die Rechtsprechung fordern.

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1. Widerruf

Nach § 312g BGB steht Verbrauchern ein Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen (= Verträge, die über das Internet, Telefon etc. geschlossen wurden) und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zu.

Dieses Recht ermöglicht es, sich innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen vom Vertrag zu lösen. Wird der Verbraucher bei Vertragsschluss nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, verschiebt sich der Beginn der Widerrufsfrist um ein Jahr. Daneben besteht das Widerrufsrecht auch bei nichtigen Verträgen (BGH, Urteil vom 25.11.2009, Az. VIII ZR 318/08). Die Widerrufsrechte des BGB sind relevant für Fälle, in denen das Widerrufsrecht nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz nicht greift.

Zu beachten ist, dass der Widerruf in bestimmten Fällen ausgeschlossen ist. Das Widerrufsrecht erlischt gem. § 356 Abs. 4 Nr. 2 BGB, wenn die Dienstleistung vollständig erbracht ist und der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Erbringung der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Bevor ein solcher Widerrufsausschluss angenommen werden kann, sollte genau werden, ob die Dienstleistung tatsächlich vollständig erbracht wurde. Das kann sich nach der Dauer des Coachings richten (LG Landshut, Urteil vom 10.05.2024, Az. 54 O 305/24).

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2. Kündigung

Unter bestimmten Voraussetzungen können auch ein Kündigungsrecht nach dem BGB bestehen.

Bei Coaching-Verträgen handelt es sich in der Regel um Dienstverträge im Sinne des § 611 BGB. Für die Kündigung von Dienstverträgen kommt es nicht auf die Verbrauchereigenschaft des Teilnehmers an. Die Kündigungsmöglichkeiten aus § 620, § 626 und § 627 BGB stehen auch Unternehmern offen.

Ob bei Online-Coaching-Verträgen von diesen Kündigungsrechten Gebrauch gemacht werden kann, hängt von der konkreten Vertragsgestaltung ab.

  • Eine ordentliche Kündigung (§ 620 BGB) kommt für Coaching-Verträge grundsätzlich nicht in Betracht, da es sich um befristete Verträge handelt (OLG Schleswig, Urteil vom 05.07.2024, Az. 19 U 65/24).
  • Eine ordentliche Kündigung nach § 627 BGB für Verträge, die eine besondere Vertrauensstellung voraussetzen, wird von der Rechtsprechung ebenso abgelehnt, da es in der Regel an einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Coach und Teilnehmer fehlt (OLG Köln, Urteil vom 06.12.2023, Az. 2 U 24/23; OLG München, Urteil vom 17.10.2024, Az. 29 U 310/21).
  • Eine fristlose Kündigung ist bei Vorliegen eines wichtigen Grundes grundsätzlich möglich (§ 626 BGB). Hier kommt es darauf an, ob in der konkreten Situation ein wichtiger Grund vorliegt, der eine fristlose Kündigung rechtfertigt.

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Hinweis: Dieser Beitrag wurde mit Unterstützung unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Laura Hellfeuer erstellt.

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Autor: Niklas Plutte

Niklas Plutte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz mit Sitz in Mainz. Folgen Sie ihm bei Twitter, Facebook und LinkedIn!

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