Ein Markeninhaber hat gegen jeden, der seine Marke vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, Anspruch auf Schadensersatz. In dieser Übersicht erklären wir, wann man Auskunft und Schadensersatz verlangen darf.
Inhaltsübersicht
I. Schadensersatzanspruch
1. Anspruchsinhaber und Anspruchsgegner
2. Markenrechtsverletzung
a. Bestand eines Markenrechts
b. Markenmäßige Benutzung der Marke durch einen Dritten
c. Im geschäftlichen Verkehr
d. Ohne Zustimmung des Markeninhabers
e. Verwirklichung eines der drei Tatbestände des § 14 Abs. 2 MarkenG
f. Verschulden
3. Schadensberechnung und Schadenshöhe
a. Konkrete Schadensberechnung
b. Lizenzanalogie mit Beispielen für fiktive Lizenzgebühren
c. Herausgabe des Verletzergewinns
d. Ausnahmsweise kein Schadensersatz
II. Auskunftsansprüche
1. Der unselbständige Auskunftsanspruch
2. Der selbständige Auskunftsanspruch (Drittauskunft)
a. Allgemeine Voraussetzungen
b. Vom Anspruchsgegner abhängige Voraussetzungen
c. Umfang der Auskunftspflicht
3. Anspruch auf Vorlage und Besichtigung
I. Schadensersatzanspruch
Wer in seinem Markenrecht verletzt wird, darf vom Verletzer den durch die Verletzung entstandenen Schaden ersetzt verlangen, wenn der Verletzer schuldhaft gehandelt hat.
1. Anspruchsinhaber und Anspruchsgegner
Schadensersatzansprüche nach § 14 Abs. 6 MarkenG stehen dem Markeninhaber als Rechtsinhaber zu. Lizenznehmer können im eigenen Namen keinen Schadensersatz fordern. Da aber oftmals auch bei Lizenznehmern Schäden eintreten, kann der Markeninhaber Schadensersatz für den Lizenznehmer per Drittschadensliquidation geltend machen. Ebenfalls möglich ist eine Abtretung des Schadensersatzanspruchs vom Markeninhaber an den Lizenznehmer, allerdings nur, wenn es um eine Geldforderung geht. Der Lizenznehmer kann dann im eigenen Namen auf Zahlung an sich klagen.
Schadensersatzpflichtig ist grundsätzlich nur der Verletzer. Eine Besonderheit regelt § 14 Abs. 7 MarkenG: Wird die Verletzungshandlung durch einen Angestellten oder Beauftragten eines geschäftlichen Betriebs begangen, kann der Anspruch nicht nur gegen den Angestellten/Beauftragten, sondern auch den Inhaber des Betriebs geltend gemacht werden. Das gilt aber nur, wenn der Angestellte/Beauftragte die Verletzung im Rahmen einer Tätigkeit für den Betrieb und nicht bloß privat vorgenommen hat.
Angestellte sind Personen, die aufgrund eines Vertragsverhältnisses mit dem Betriebsinhaber weisungsabhängige Dienste zu leisten haben (z.B. Angestellte, Auszubildende, Praktikanten, aber auch freiberufliche Mitarbeiter oder Beamte). Der Begriff des Beauftragten ist weit auszulegen und kann z.B. eine externe, selbständig tätige Werbeagentur erfassen. Entscheidend ist, dass der Dritte in die betriebliche Organisation des Betriebsinhabers in der Weise eingegliedert ist, dass der Erfolg der Geschäftstätigkeit des beauftragten Unternehmens dem Betriebsinhaber zu Gute kommt und der Betriebsinhaber einen bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss auf diejenige Tätigkeit des beauftragten Unternehmens hat, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt. Der Unternehmensinhaber haftet daher ggf. auch für ohne sein Wissen und gegen seinen Willen von einem Beauftragten begangene Rechtsverstöße (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.2009, Az. I ZR 109/06 – Partnerprogramm).
Merke: Bei Markenverletzungen können neben Tätern und Teilnehmern auch Störer auf Unterlassung und Beseitigung in Anspruch genommen werden. Störer haften mangels gesetzlicher Grundlage aber nicht auf Schadensersatz.
2. Markenrechtsverletzung
Der Markeninhaber hat ein ausschließliches Recht an seiner Marke, was bedeutet, das allein er berechtigt ist, die Marke zu benutzen. Ohne seine Zustimmung sind Dritten gemäß § 14 Abs. 2 MarkenG folgende Handlungen im geschäftlichen Verkehr verboten:
- Doppelidentität: Benutzung einer identischen Marke für identische Waren oder Dienstleistungen.
- Verwechslungsgefahr Variante 1: Benutzung einer identischen Marke für ähnliche Waren oder Dienstleistungen.
- Verwechslungsgefahr Variante 2: Benutzung einer ähnlichen Marke für identische Waren oder Dienstleistungen.
- Verwechslungsgefahr Variante 3: Benutzung einer ähnlichen Marke für ähnliche Waren oder Dienstleistungen.
- Bekanntheitsschutz: Benutzung einer identischen oder ähnlichen Marke für unähnliche Waren oder Dienstleistungen, wenn Unterscheidungskraft oder Wertschätzung einer bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt wird.
Die Voraussetzungen einer Markenverletzung nach § 14 Abs. 2 MarkenG lauten damit:
a. Bestand eines Markenrechts
Es erscheint selbstverständlich, doch Vorsicht. Erste Voraussetzung für eine Markenrechtsverletzung ist, dass ein rechtswirksames Markenrecht existiert, zum Beispiel eine Wortmarke oder Bildmarke.
Dies kann eine eingetragene Marke sein, die zum Beispiel beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) oder Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) registriert wurde. Seltener (aber möglich) ist aber etwa auch eine Benutzungsmarke, die nicht im Register eingetragen ist, aber aufgrund vom Verkehrsgeltung (§ 4 Nr. 2 MarkenG) Markenschutz entfaltet.
Die Eintragung im Register kann trügerisch sein. Ist die Marke bereits länger als fünf Jahre registriert, muss sie für die betroffenen Waren und Dienstleistungen auch rechtserhaltend benutzt worden sein. Andernfalls kann der Gegner einer markenrechtlichen Abmahnung die Einrede der Nichtbenutzung gegen die fremde Marke erheben. Folge ist unter anderem, dass er keine strafbewehrte Unterlassungserklärung schuldet.
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b. Markenmäßige Benutzung der Marke durch einen Dritten
Verletzungshandlung ist die Benutzung der geschützten Marke durch einen Dritten. Dritter ist jeder, der nicht Inhaber der Marke ist, ggf. also auch ein Lizenznehmer. Markenzeichen können gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG insbesondere Wörter, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Klänge und dreidimensionale Gestaltungen sein.
Die verletzte Marke muss von dem Dritten markenmäßig benutzt werden, was der Fall ist, wenn sie der Unterscheidung von Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von Waren und Dienstleistungen anderer Unternehmen dient (vgl. BGH, Urteil vom 11.04.2013, Az. I ZR 214/11 – Volkswagen/Volks.Inspektion). Dies ist aus der Sicht eines angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 09.02.2012, Az. I ZR 100/10 – pjur/pure). Eine markenmäßige Benutzung liegt insbesondere dann nicht vor, wenn der Begriff nur beschreibend benutzt wird, weil er dann nicht auf die Herkunft von Produkten hinweist. Der Benutzungsbegriff ist tendenziell weit zu verstehen.
Typische Benutzungshandlungen nennen § 14 Abs. 3 und 4 MarkenG:
- Anbringen der Marke auf Waren, Aufmachung oder Verpackung, z.B. auf Etiketten, Anhänger oder Aufnähern,
- Anbieten oder Inverkehrbringen von Waren, Aufmachungen oder Verpackungen unter der Marke oder Besitz der Artikel zu solchen Zwecken,
- Anbieten oder Erbringen von Dienstleistungen unter der Marke,
- Einfuhr oder Ausfuhr von mit der Marke gekennzeichneten Waren,
- Verwendung der Marke als (Teil eines) Handelsnamens oder einer Firmenbezeichnung,
- Benutzung der Marke in Geschäftspapieren oder in der Werbung (vgl. OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 16.02.2022, Az. 3 U 3933/21 – Laverana zur Präsentation von Produkten auf einer Messe im Inland als Benutzung des Zeichens in der Werbung),
- Irreführende Benutzung der Marke für vergleichende Werbung.
Die vorstehenden Beispiele sind nicht abschließend, sondern beispielhaft zu verstehen. Auch in anderen Handlungen kann eine Benutzung von Markenzeichen liegen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.03.2010, Az. C-236/08 – Google France).
Weitere Beispiele für markenmäßige Benutzung:
- der Verwendung von fremden Marken als Metatags auf Webseiten (vgl. BGH, Urteil vom 13.01.2011, Az. I ZR 46/08 – Impuls II).
- dem Anbringen von Etiketten auf Kleidung (vgl. BGH, Urteil vom 31.10.2013, Az. I ZR 49/12 – OTTO CAP)
Beispiele, in denen markenmäßige Benutzung verneint wurde:
- Anbringen des Opel-Blitzes auf Modellautos, weil dies vom Durchschnittsverbraucher nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft (Opel) verstanden wird, sondern als Detail der Abbildung der Wirklichkeit (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.2010, Az. I ZR 88/08 – Opel-Blitz II).
- Anbringen von typischen Gegenständen von Merchandise-Artikeln, z.B. Wappen und Name einer Universität (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.1992, Az. I ZR 251/90 – Universitätsemblem).
c. Im geschäftlichen Verkehr
Eine Marke wird im geschäftlichen Verkehr benutzt, wenn die Benutzung im Zusammenhang mit einer auf einen wirtschaftlichen Vorteil gerichteten kommerziellen Tätigkeit und nicht lediglich im privaten Bereich erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.2018, Az. I ZR 136/17 – Tork). Anknüpfungspunkt ist die konkrete Benutzungshandlung und nicht die Person des Benutzers. Maßgeblich ist, wie ein objektiver Dritter die Zielrichtung der Benutzungshandlung werten wird und nicht die wirkliche Intention des Handelnden (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2001, Az. I ZR 138/99 – shell.de).
Der BGH stellt ausdrücklich keine hohen Anforderungen an die Markennutzung im geschäftlichen Verkehr (vgl. BGH, Urteil vom 04.12.2008, Az. I ZR 3/06 – Ohrclips). Eine Gewinnerzielungsabsicht oder die Entgeltlichkeit der angebotenen Waren bzw. Dienstleistungen sind nicht erforderlich (vgl. BeckOK/Mielke, MarkenG, § 14 Rn. 55). Gleichzeitig ist der private Bereich nicht allein dadurch verlassen, dass eine Ware einer Vielzahl von Personen zum Kauf angeboten wird (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2007, Az. I ZR 35/04 – Internetversteigerung II).
Beispiele:
- Bei Verkäufen auf Anzeigen- und Versteigerungsportalen (wie eBay und Amazon) kommt es stets auf den Einzelfall an. Entscheidend sind vor allem die Häufigkeit und der Umfang der Verkäufe, aber auch alle anderen relevanten Umstände (vgl. EuGH, Urteil vom 12.07.2011, Az. C-324/09 – L’Oréal/eBay). So werden bei einer Wohnungsauflösung zwar sehr viele Gegenstände verkauft (= großer Umfang), wegen der Einmaligkeit (= geringe Häufigkeit) kann aber nicht direkt von einem Verkauf im geschäftlichen Verkehr ausgegangen werden (vgl. BGH, Urteil vom 19.04.2007, Az. I ZR 35/04 – Internetversteigerung II).
- Private Mitbringsel aus dem Urlaub (z.B. eine gefälschte Sonnenbrille) sind nicht Bestandteil des geschäftlichen Verkehrs, wenn sie privat genutzt werden sollen. Anders verhält es sich, wenn man im Ausland Waren erwirbt, um sie in Deutschland gewinnbringend weiter zu vertreiben. Lässt sich eine Person für den privaten Gebrauch (gefälschte) Waren liefern, ist zu differenzieren: Der Besteller handelt in diesem Fall privat, Hersteller und Lieferant hingegen im geschäftlichen Verkehr.
- Privat und damit nicht im geschäftlichen Verkehr handelt, wer geschützte Marken auf Waren anbringt, um diese selbst zu verwenden (z.B. Aufnähen eines Markenlogos auf ein T-Shirt). Das gilt selbst dann, wenn für das Anbringen ein gewerblich Handelnder beauftragt wird, z.B. eine Schneiderin (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.1998, Az. I ZR 241/95 – Rolex-Uhr mit Diamanten).
Tipp: Im Prozess muss das Vorliegen einer Handlung im geschäftlichen Verkehr als Tatbestandsvoraussetzung grundsätzlich vom Anspruchssteller dargelegt und bewiesen werden. Weil es für den Anspruchsteller im Einzelfall schwierig sein kann, die maßgeblichen äußeren Umstände des Verkaufs herauszufinden, besteht aber eine sekundäre Darlegungslast des Handelnden (vgl. BGH, Urteil vom 04.12.2008, Az. I ZR 3/06 – Ohrclips). Dieser muss also ggf. nähere Ausführungen dazu machen, weswegen seine Handlung privat erfolgt sein soll.
d. Ohne Zustimmung des Markeninhabers
Eine Markenrechtsverletzung ist ausgeschlossen, wenn der Berechtigte seine Zustimmung zur Benutzung der Marke erteilt hat. Der Benutzer der Marke trägt die Darlegungs- und Beweislast, dass er über eine ausreichende Erlaubnis des Berechtigten verfügt.
Merke: Der Markeninhaber kann seine Zustimmung nicht nur im Voraus (als Einwilligung), sondern auch im Nachhinein (als Genehmigung) erteilen. Die nachträgliche Zustimmung bzw. ein Verzicht kann sogar durch einen Lizenznehmer des Markeninhabers erfolgen, der die mit der Marke versehenen Waren mit Zustimmung des Markeninhabers in Verkehr bringen darf, was zur Folge hat, das bereits entstandenen Ansprüchen des Markeninhabers die Grundlage entzogen wird (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.2021, Az. I ZR 37/20 – myboshi).
Die Rechtsprechung stellt allerdings strenge Anforderungen an die Zustimmung. Sie muss den Willen zum Verzicht auf das Markenrecht mit Bestimmtheit erkennen lassen, was jedoch konkludent geschehen kann, also durch schlüssiges Verhalten (vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2012, Az. I ZR 17/11 – Honda-Grauimport).
Beispiel: Ein Motorradhändler importierte ein Modell der Marke Honda aus Singapur nach Europa, das von Honda selbst noch nicht in Europa angeboten wurde. Honda wusste schon länger von der Importtätigkeit und hatte sie bisher nichts beanstandet. Auch hatte Honda dem Modell eine Bedienungsanleitung in deutscher Sprache beigefügt und eine Zulassung auf dem europäischen Markt beantragt. Der BGH leitete aus diesen Umständen keine Zustimmung durch Honda ab, weil diese sich nicht aus bloßem Schweigen ergeben könne und die sonstigen Tätigkeiten keinen eindeutigen Willen zur Gestattung des Inverkehrbringens der Motorräder in Europa erkennen ließen (vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2012, Az. I ZR 17/11 – Honda-Grauimport).
e. Verwirklichung eines der drei Tatbestände des § 14 Abs. 2 MarkenG
Das vom Dritten benutzte Zeichen muss einen der drei Tatbestände des § 14 Abs. 2 MarkenG erfüllen:
- Doppelidentität im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG liegt vor, wenn der Dritte ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren/Dienstleistungen verwendet, die mit den Waren/Dienstleistungen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist. Beachten Sie, dass schon Übereinstimmungen in Bezug auf einzelne Waren/Dienstleistungen ausreichen. Ein klassischer Fall von Doppelidentität ist Produktpiraterie.
- Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist in der Praxis der mit Abstand bedeutsamste Tatbestand. Verwechslungsgefahr im Verhältnis zur älteren Marke liegt vor bei Benutzung einer identischen oder ähnliche Marke für identische oder ähnliche Produkte. Wann Verwechslungsgefahr vorliegt, ist Gegenstand von zahlreichen Gerichts- und Behördenentscheidungen, die wir in einer großen Übersicht zusammengefasst haben.
- Das Ausnutzen oder Beeinträchtigen der Bekanntheit besonders bekannter Marken stellt nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ebenfalls eine Markenverletzung dar, wenn die Wertschätzung oder Unterscheidungskraft der bekannten Marke durch das Benutzen eines identischen oder ähnlichen Zeichens unlauter ausgenutzt oder beeinträchtigt wird. Die Bekanntheit der älteren Marke kann im Prozess z.B. durch Vorlage von demoskopischen Umfragen belegt werden. Im Gegensatz zur Verwechslungsgefahr ist es nicht erforderlich, dass zwischen den Waren und Dienstleistungen der sich gegenüberstehenden Marken Ähnlichkeit besteht.
Tipp: Im Prozess muss grundsätzlich der Markeninhaber darlegen und beweisen, dass eine Markenverletzung vorliegt. Unter bestimmten Voraussetzungen kann den (mutmaßlichen) Verletzer aber eine sekundäre Darlegungslast treffen. Dies ist der Fall, wenn der Markeninhaber keine näheren Kenntnisse der maßgeblichen Tatsachen besitzt, wohingegen der Prozessgegner die wesentlichen Umstände kennt und es ihm zumutbar ist, dazu nähere Angaben zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.2009, Az. I ZR 109/06 – Partnerprogramm).
Beispiel: Der Markeninhaber kann nachweisen, dass bei Eingabe seiner Marke in eine Suchmaschine die Webseite eines Dritten als Suchergebnis erscheint, weil der durch seine Marke geschützte Begriff irgendwie auf der Webseite benutzt wird. Wenn der Dritte entgegenhält, dass er den Begriff nicht markenmäßig, sondern „nur“ beschreibend verwendet, trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast, weil er im Gegensatz zum Markeninhaber seine eigene Webseite kennt und ohne großen Aufwand vortragen kann, wie er den geschützten Begriff verwendet (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.2009, Az. I ZR 109/06 – Partnerprogramm).
f. Verschulden
Der Verletzer muss nach § 14 Abs. 6 S. 1 MarkenG nur dann Schadensersatz leisten, wenn er die Markenrechtsverletzung vorsätzlich oder fahrlässig begangen hat.
Eine vorsätzliche Begehung liegt vor, wenn der Verletzer sich während der Handlung bewusst war, eine Markenverletzung zu begehen. Praktisch häufiger sind fahrlässige Markenverletzungen. Nach § 276 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Im Markenrecht gelten insoweit strenge Maßstäbe. Zu beachten sind vor allem die folgenden Leitlinien der Rechtsprechung:
- Der Verletzer trägt das sog. Fahrlässigkeitsrisiko (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.1999, Az. I ZR 178/96 – Altberliner; LG Hamburg, Urteil vom 25.01.2011, Az. 312 O 237/10). Wer eine Marke im geschäftlichen Verkehr markenmäßig benutzen möchte, muss vorher alle möglichen und zumutbaren Nachforschungen anstellen, um zu überprüfen, ob die geplante Markennutzung geeignet ist, fremde Kennzeichenrechte zu verletzen. Es empfiehlt sich daher, vorab eine gründliche Markenrecherche durchzuführen (vgl. BGH, Urteil vom 31.07.2008, Az. I ZR 171/05 – Haus und Grund II).
- Wer die Marke nach einem Widerspruch, einer Berechtigungsanfrage oder einer Abmahnung weiter benutzt, handelt vorsätzlich, zumindest aber fahrlässig (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2008, Az. I ZR 63/06 – Motorradreiniger).
- Rechtsirrtümer, also Fälle, in denen der Verletzer sein Verhalten fälschlicherweise für zulässig hielt, sind nur dann entschuldigt, wenn der Verletzer unter Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte rechnen musste (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1995, Az. I ZR 210/93 – Gefärbte Jeans). Dagegen muss sich der Verletzer Fahrlässigkeit vorwerfen lassen, wenn er sich bewusst in einen rechtlichen Grenzbereich begibt, also weiß, dass in der juristischen Fachliteratur bzw. in der Rechtsprechung eine für ihn ungünstige Beurteilung seines Falles vertreten wird (vgl. BGH, Urteil vom 31.03.2010, Az. I ZR 174/07 – Peek & Cloppenburg I).
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3. Schadensberechnung und Schadenshöhe
Liegen die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs vor, wird vorausgesetzt, dass die Markenrechtsverletzung grundsätzlich einen Schaden darstellt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.06.2012, Az. I-20 U 103/11 – Charité).
Zur Berechnung der Schadenshöhe stehen gemäß § 14 Abs. 6 MarkenG drei alternative Berechnungsmethoden zur Verfügung, die vom Geschädigten wahlweise zugrunde gelegt werden dürfen:
- Konkrete Schadensberechnung
- Lizenzanalogie
- Herausgabe des Verletzergewinns
- Ausnahmsweise kein Schadensersatz
Es gilt ein Verbot der Vermengung der drei Berechnungsarten (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2009, Az. I ZR 87/07 – Zoladex). Der Markeninhaber kann nicht mit allen drei Grundsätzen argumentieren und sich so einen möglichst hohen Betrag „zusammenrechnen“. Stattdessen muss er sich auf eine der drei Berechnungsmethoden festlegen.
Aber: Im Prozess kann bis zur letzten Hauptverhandlung zwischen den verschiedenen Berechnungsmethoden gewählt werden. Das ist insbesondere dann bedeutsam, wenn sich in der mündlichen Verhandlung herauskristallisiert, welche Berechnungsmethode für den Markeninhaber am günstigsten ist.
Unabhängig von der gewählten Berechnungsmethode ist zusätzlich immer der Marktverwirrungsschaden zu ersetzen (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2009, Az. I ZR 169/07 – BTK). Marktverwirrungsschaden bezeichnet den Schaden, der entstanden ist, weil bei den Verbrauchern durch die Markenverletzung falsche Vorstellungen über Herkunft oder Qualität der Produkte des Markeninhabers entstanden sind. Das Bestehen eines solchen Schadens wird vor Gericht vermutet (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1998, Az. I ZR 125/96 – Cefallone).
a. Konkrete Schadensberechnung
Bei der konkreten Schadensberechnung wird der tatsächlich durch die Verletzung entstandene Schaden nach §§ 249 ff. BGB berechnet. Dazu zählt insbesondere entgangener Gewinn (§ 252 BGB).
Die entscheidende Frage bei dieser Berechnungsmethode ist, welche Vermögenseinbuße der Markeninhaber aufgrund der Markenverletzung tatsächlich erlitten hat, insbesondere welche Gewinne ihm entgangen sind.
In der Praxis stellen sich häufig Beweisschwierigkeiten für den Markeninhaber, wenn nicht klar nachgewiesen werden kann, dass ein Gewinnausfall gerade auf der Markenverletzung beruht. Zwar wird die Beweislast des Markeninhabers durch § 252 S. 2 BGB erleichtert, wonach der Gewinn als entgangen gilt, der gewöhnlich eingetreten wäre. Zudem kann das Gericht nach § 287 Abs. 1 ZPO die Höhe des Schadens nach freier Überzeugung bestimmen.
Den Markeninhaber trifft aber trotzdem eine Obliegenheit, dem Gericht eine tatsächliche Grundlage zu unterbreiten, die diesem eine wenigstens im Groben zutreffende Schätzung des entgangenen Gewinns ermöglicht (vgl. BGH, Urteil vom 21.01.2016, Az. I ZR 90/14). Der Markeninhaber muss dazu Umstände wie seine Umsatzentwicklung, aber auch sensiblere Daten wie seine Kalkulation und Gewinnspannen angeben (vgl. OLG Köln, Urteil vom 24.01.2014, Az. I-6 U 111/13). Aufgrund dieser Anforderungen hat die konkrete Schadensberechnung in der Praxis keine große Bedeutung.
b. Lizenzanalogie
Bei der in der Praxis weitaus häufigsten Form der Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie ist maßgeblich, was vernünftige Vertragsparteien bei Abschluss eines Lizenzvertrags als Vergütung für die Benutzung des Kennzeichens vereinbart hätten. Hierfür ist der objektive Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung zu ermitteln, der in der angemessenen und üblichen Lizenzgebühr besteht (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2009, Az. I ZR 169/07 – BTK; BGH, Urteil vom 18.06.2020, Az. I ZR 93/19 – Nachlizenzierung m.w.N.).
Zur Beurteilung der Frage, welcher Lizenzsatz bei der Verletzung eines Kennzeichenrechts angemessen ist, ist auf die verkehrsübliche Lizenzgebühr abzustellen, die für die Erteilung des Rechts zur Benutzung des Kennzeichens zu zahlen wäre. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die auch bei freien Lizenzverhandlungen auf die Höhe der Vergütung Einfluss gehabt hätten. Als Ausgangspunkt der Beurteilung kann die Bandbreite marktüblicher Lizenzsätze für die in Rede stehende Kennzeichenart herangezogen werden (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2009, Az. I ZR 169/07 – BTK m.w.N.). Bei Kennzeichen spielen als wertbildende Faktoren der Bekanntheitsgrad und der Ruf des Zeichens eine maßgebliche Rolle. Außerdem kommt es auf das Maß der Verwechslungsgefahr an, insbesondere auf den Grad der Zeichenähnlichkeit. Daneben sind Umfang und Dauer der Verletzungshandlung ebenso zu berücksichtigen wie deren Intensität. Auch ein Marktverwirrungsschaden kann in die Bemessung der Lizenzgebühr einzubeziehen sein. Die Erhöhung des Lizenzsatzes durch einen Verletzerzuschlag kommt nicht in Betracht; ein solcher Zuschlag ist mit den Grundlagen des deutschen Schadensersatzrechts unvereinbar (BGH, Urteil vom 22.09.2021, Az. I ZR 20/21 – Layher).
Für die Berechnung der fiktiven Lizenz gelten folgende Grundsätze:
- Entscheidend für die Berechnung ist eine objektive ex post-Betrachtung der Vorgänge. Zu fragen ist, welche Lizenzgebühr Verletzer und Markeninhaber vereinbart hätten, wenn sie von der künftigen Benutzung, insbesondere von Ausmaß und Dauer, gewusst hätten. Maßstab ist vor allem, was sonst in der Branche gezahlt wird (vgl. BGH, Urteil vom 17.06.1992, Az. I ZR 107/90 – Tchibo/Rolex II).
- Der Richter entscheidet über die Höhe der Lizenzgebühr nach freier Überzeugung und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Diese Schadensschätzung unterliegt nur einer beschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht (BGH, Urteil vom 22.09.2021, Az. I ZR 20/21 – Layher). Aspekte, die die Lizenzgebühr über das im Verkehr übliche steigern können, sind z.B. ein hoher Bekanntheitsgrad oder besonders guter Ruf (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2009, Az. I ZR 169/07 – BTK), hohe Intensität der Beeinträchtigung, z.B. bezüglich Grad und Art der Verwechslungsgefahr (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 14.12.2005, Az. 5 U 200/04 – Miss 17) oder die Gefahr einer Prestigeminderung der Marke wegen Marktverwirrung (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2009, Az. I ZR 169/07 – BTK).
- Es kommt nicht darauf an, ob der Markeninhaber tatsächlich bereit gewesen wäre, eine Lizenz zu erteilen (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2005, Az. I ZR 322/02 – Noblesse). Die Festlegung auf den objektiven Wert der Benutzungsberechtigung, die dazu führen soll, dass der Verletzer nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden soll als ein die Marke berechtigt nutzender Lizenznehmer, bringt es mit sich, dass es auf die subjektive Einschätzung des Wertes der Marke durch den Verletzer nicht entscheidend ankommen kann. Entscheidend ist, dass die objektiv übliche Lizenzgebührenvereinbarung auch für den Fall fingiert wird, dass sie gerade auch vom Verletzer nicht geschlossen worden wäre, weil sie wegen seiner besonderen Situation für ihn wirtschaftlich nicht vernünftig erscheint. Auch ein solcher Verletzer muss als fiktiver Lizenznehmer die angemessene und objektiv übliche Lizenzgebühr zahlen wie ein Dritter unter den gegebenen Bedingungen (OLG Hamm, Urteil vom 25.06.2009, Az. 4 U 8/09).
- Nach dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 lit. b Enforcement-RL (der EU-Richtlinie, die § 14 Abs. 6 MarkenG zugrunde liegt, muss der Schadensersatz nach der Lizenzanalogie „mindestens“ so hoch sein wie die angemessene Lizenzgebühr. Bei richtlinienkonformer Auslegung von § 14 Abs. 6 S. 3 MarkenG ist es daher möglich, dass das Gericht bei der Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zusätzlich tatsächliche Schadensposten berücksichtigt. Dies gilt insbesondere für Marktverwirrungsschäden (vgl. OLG Köln, Urteil vom 08.11.2013, Az. 6 U 34/13 – Fair Play) und entgangene Zinsen wegen verspäteter Zahlung der (fiktiven) Lizenzgebühr (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2009, Az. I ZR 169/07 – BTK). In der juristischen Literatur werden darüber hinaus weitere Fallgruppen diskutiert. So soll auch Werbung, die der Verletzer mit der Marke betrieben hat, sowie die Kosten des Markeninhabers für die Überwachung des Marktes Berücksichtigung finden (vgl. BeckOK MarkenG/Goldmann, § 14 Rn. 767 ff.).
- Die Berechnung erfolgt regelmäßig als Umsatzlizenz mit einem Prozentsatz zwischen 1 % – 5 % vom Netto-Umsatz (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2009, Az. I ZR 169/07 – BTK). Es handelt sich allerdings nur um eine Faustregel. Im Einzelfall kann der Prozentsatz auch höher oder tiefer liegen. Ebenfalls denkbar sind andere Gebührenmodelle wie beispielsweise eine Pauschallizenz, wenn am Markt üblicherweise für die Verwertung eines Schutzrechtes ein Pauschalbetrag als Lizenzgebühr vereinbart wird (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 25.06.2009, Az. 4 U 8/09 mit Verweis u.a. auf BGH, Urteil vom 24.06.1993, Az. I ZR 148/91 – Dia-Duplikate).
- Wird eine Marke allein in der Werbung markenrechtsverletzend genutzt, schließt das nicht von vornherein aus, den Schadensersatzanspruch im Rahmen der Lizenzanalogie auf der Grundlage einer Umsatzlizenz zu berechnen. Die Wahl der Berechnungsgrundlage ist im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO in erster Linie Sache des Tatgerichts. Bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs auf der Basis einer Umsatzlizenz kann eine Lizenzminderung bei einer Markenrechtsverletzung nur in der Werbung nicht damit begründet werden, es werde an einen Umsatz angeknüpft, der nur zu einem geringen Teil auf der Markenrechtsverletzung beruhe. Der Umstand, dass die Markenrechtsverletzung sich auf die Werbung beschränkt, kann aber wegen einer möglicherweise geringeren Intensität der Markenrechtsverletzung lizenzmindernd zu berücksichtigen sein (BGH, Urteil vom 22.09.2021, Az. I ZR 20/21 – Layher). Auf dieser Basis kann schon allein der Umstand, dass eine Marke ausschließlich in der Werbung und nicht zugleich bei der Produktkennzeichnung verwendet wurde, für sich genommen eine lizenzmindernde Bedeutung haben. Das gilt allerdings dann nicht, wenn die Bedeutung der Werbung auf dem jeweiligen Markt gegen eine geringere Intensität der Verletzungshandlung spricht (verneint von OLG Stuttgart, Urteil vom 12.01.2023, Az. 2 U 34/20 für den Markt der Gerüstbauteile).
Merke: Die Zahlung von Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie führt nicht zum Abschluss eines tatsächlichen Lizenzvertrags. Die Markenbenutzung bleibt rechtswidrig. Es handelt sich lediglich um die Fiktion einer Lizenz, mit der in der Vergangenheit liegende Schäden ausgeglichen werden. Für die Zukunft entsteht kein Recht zur Nutzung der fremden Marke auf Seiten des Verletzers, schon gar kein alleiniges Nutzungsrecht.
Beispiele für fiktive Lizenzgebühren
- „Marktübliche“ Lizenzgebühr von 1 % des Verkaufspreises für den einmaligen Verkauf einer Handyhülle auf Ebay zum Preis von 4,29 €. Da der Kläger vor Gericht nur eine einmalige Verletzung geltend gemacht hatte, wurden ihm lediglich 0,05 € Schadensersatz zugesprochen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.05.2015, Az. I-20 U 92/14).
- Stücklizenz als fiktive Lizenzgebühr in Höhe von 1,31 % bzw. 0,65 % vom Umsatz (= 326.689,60 €) für eine Markenverletzung bei Messern und sonstigen Schneidwaren (OLG Hamm, Urteil vom 25.06.2009, Az. 4 U 8/09).
- 0,25 % Lizenzsatz für die Verletzung einer Marke für IT- und Telekommunikationsdienstleistungen, was zu Schadensersatz in Höhe von 1.039.815,39 € führte (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2010, Az. I-20 U 62/09).
- 2 % Umsatzlizenz für die Verletzung der Marke “Fair Play” durch einen Spielhallenbetreiber (OLG Köln, Urteil vom 08.11.2013, Az. 6 U 34/13).
- 2 % Umsatzlizenz wegen markenrechtsverletzendem Parallelimport eines Arzneimittels ohne Vorabinformation (BGH, Urteil vom 29.07.2009, Az. I ZR 87/07 – Zoladex).
- 5 % Umsatzlizenz (= 4.538,95 DM) für Verkauf von Auto-Fußmatten mit dem Aufdruck Mercedes (LG Düsseldorf, Urteil vom 23.05.2001, Az. 2 a O 435/00).
- 5 % Umsatzlizenz (= 3.586,76 €) für das Betreiben eines Bekleidungsgeschäfts unter der Kennzeichnung „Miss 17” unmittelbar neben einem „Görtz 17”-Geschäft (OLG Hamburg, Urteil vom 14.12.2005, Az. 5 U 200/04 – Miss 17).
- 5 % Umsatzlizenz (33.500,00 €) für die Bewerbung von Gerüstbauteilen mit der fremden Marke “Layher”, ohne dass die Waren selbst mit “Layher” gekennzeichnet wurden (OLG Stuttgart, Urteil vom 12.01.2023, Az. 2 U 34/20).
- 8 % Umsatzlizenz von einem geschätzten Umsatz von 1.680.000,- € (= 134.400 €) wegen der Abbildung einer bekannten Automarke in einer Werbeschrift für Autoinspektionen, von der 19,76 Millionen Exemplare verteilt wurden (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 09.02.2017, Az. 5 U 222/12).
- Lizenzsatz von 15 % (= 26.136 D-Mark) für Verletzung der bekannten Marke Hugo Boss im Zusammenhang mit dem Verkauf von 4.960 T-Shirts (OLG München, Urteil vom 7. 6. 2001, Az. 29 U 2003/01).
- 750 € Pauschallizenz für die Bewerbung einer Party als „Ballermann-Party“ ohne Erwerb einer Lizenz für die Wortmarke „Ballermann“ durch eine Kneipe (vgl. OLG München, Urteil vom 27.09.2018, Az. 6 U 1304/18 – Ballermann).
c. Herausgabe des Verletzergewinns
Der Markeninhaber hat schließlich die Möglichkeit, den Gewinn vom Verletzer heraus zu verlangen, den dieser durch die Verletzung der Marke erlangt hat (vgl. § 14 Abs. 6 S. 2 MarkenG).
Die entscheidende Frage bei dieser Berechnungsmethode ist, welchen Gewinn der Verletzer durch die Markenrechtsverletzung zu Unrecht erlangt hat.
„Gewinn“ meint den Umsatz abzüglich Kosten. Hier stellen sich ähnliche Beweisprobleme wie bei der konkreten Schadensberechnung, weshalb die Herausgabe des Verletzergewinns in der Praxis ebenfalls nur geringe Bedeutung hat. Streitig ist häufig zum einen, in welcher Höhe der Verletzer Kosten vom Gewinn abziehen darf und zum anderen, dass nur der Teil des Gewinns herausverlangt werden darf, der kausal auf die Markenverletzung zurückgeht. Der Markeninhaber müsste demnach beweisen, dass der Verletzer den herausverlangten Gewinn nicht ohne die Markenverletzung gemacht hätte, was oft schwer fällt.
Wer sich trotz dieser Beweisprobleme für eine Abschöpfung des Verletzergewinns entscheidet, muss folgende Grundsätze beachten:
- Berechnungsvorgang: Im ersten Schritt ist der gesamte Verletzergewinn zu berechnen und auf dieser Basis die Quote des Gewinns, für die die Markenverletzung kausal ist und die der Markeninhaber herausverlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2009, Az. I ZR 98/06 – Tripp-Trapp-Stuhl).
- Berechnung des Verletzergewinns: Der Verletzergewinn berechnet sich aus den Erlösen abzüglich aller Kosten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Markenverletzung stehen (vgl. BGH, Urteil vom 14.05.2009, Az. I ZR 98/06 – Tripp-Trapp-Stuhl). Die Beweislast , dass ein unmittelbarer Zusammenhang der Kosten mit der Markenverletzung besteht, trägt der Verletzer (vgl. BGH, Urteil vom 21.09.2006, Az. I ZR 6/04 – Steckverbindergehäuse).
Beispiele für vom Erlös abziehbare Kosten:
In einem unmittelbaren Zusammenhang zur Schutzrechtsverletzung stehen sog. variable Kosten wie Material, Energiekosten für die Produktion, Kosten für Fracht und Vertrieb der Ware sowie sonstige Fixkosten, die ausschließlich für die Produktion des schutzrechtsverletzenden Produkts anfallen (vgl. BGH, Urteil vom 21.09.2006, Az. I ZR 6/04 – Steckverbindergehäuse).
In keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen sog. Gemeinkosten, die nicht speziell bei der Schutzrechtsverletzung, sondern allgemein beim Geschäftsbetrieb des Verletzers entstanden sind. Das sind insbesondere Fixkosten wie Miete, Unterhalt bestehender Anlagen sowie Gehälter und Steuern (vgl. BGH, Urteil vom 21.09.2006, Az. I ZR 6/04 – Steckverbindergehäuse).
Berechnung der Quote: In der Regel geht kein überwiegender Teil des Gewinns kausal auf die Markenverletzung zurück, es sei denn, es handelt sich um ganz besonders prestigehaltige Kennzeichen oder um Produktpiraterie (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2005, Az. I ZR 322/02 – Noblesse). Wie bei den anderen Berechnungsmethoden schätzt der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach freier Überzeugung den herauszugebenden Gewinnanteil über § 287 Abs. 1 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 03.09.2013, Az. X ZR 130/12 – Kabelschloss).
Beispiele für Gewinnquoten:
- OLG Köln, Urteil vom 08.11.2013, Az. 6 U 34/13 – Fair Play: Spielhalle benutzt die identische Geschäftsbezeichnung „Fair Play“ einer anderen Spielhalle: 7,5 % des Verletzergewinns. Das Gericht begründete dies damit, dass allenfalls einzelne Kunden die Spielhalle wegen der bekannten Marke aufgesucht hätten (→ geringe Kausalität), in den meisten Fällen seien jedoch andere Gesichtspunkte ausschlaggebend.
- OLG Frankfurt, Urteil vom 13.03.2003, Az. 6 U 3/02 – Vier-Streifen-Kennzeichnung: Die Marke Samsonite verletzte eine Marke der Firma Adidas durch die Abbildung von vier Querstreifen auf Sportschuhen (das Gericht nahm Verwechslungsgefahr an). Das OLG Frankfurt sprach Adidas deshalb Schadensersatz in Höhe von 20 % des Verletzergewinns zu.
- LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 27.04.2011, Az. 4 HKO 9888/10 – Speedminton: 66,6 % des Verletzergewinns bei der Bewerbung von Badminton-Schlägern mit der Marke „Speedminton“.
- OLG Hamburg, Urteil vom 20.01.2005, Az. 5 U 38/04 – Ahoj-Brause: Ein seltener Fall mit einer Quote von 100 % lag vor, als ein Unternehmen die bekannte Marke „Ahoj-Brause“ als Retro-Motiv auf ein T-Shirt druckte und dieses verkaufte. Weil aus Sicht des Gerichts ohne die Benutzung der Marke gar kein Gewinn mit dem T-Shirt erzielt worden wäre, stand dem Markeninhaber der gesamte Gewinn zu.
d. Ausnahmsweise kein Schadensersatz
Ein Markeninhaber kann bei Markenverletzungen ausnahmsweise keinen Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie geltend machen, wenn die Lizenzierung sonst ausschließlich unentgeltlich erfolgt (BGH, Urteil vom 16.12.2021, Az. I ZR 201/20 – ÖKO-TEST III; Bestätigung von: OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2020, Az. I-20 U 152/16). Es bleibt dem Markeninhaber aber offen, seinen durch eine Markenverletzung entstandenen Schaden nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns zu berechnen, auch wenn er seine Marke selbst nicht kommerziell vermarktet.
In der Entscheidung zu mehreren kostenlos lizenzierten Marken wurden Schadensersatzansprüche ausnahmsweise insgesamt abgelehnt, obwohl die Beklagte die Lizenzbedingungen der Markeninhaberin verletzt hatte. Ein Schadensersatzanspruch setze ungeachtet der unterschiedlichen Berechnungsmöglichkeiten (konkreter Schaden, Lizenzanalogie, Herausgabe des Verletzergewinns) immer eine Vermögenseinbuße beim Verletzten voraus. Verzichte der Verletzte auf jegliche kommerzielle Nutzung seines Ausschließlichkeitsrechts, könne der objektive Wert einer Lizenzgebühr jedoch nur mit Null angesetzt werden. Auch eine Berechnung unter dem Gesichtspunkt der Herausgabe des Verletzergewinns komme nicht in Betracht. Diese Berechnungsmethode beruhe auf dem Gedanken, dass dann, wenn es nicht zur jeweiligen Verletzung gekommen wäre, der Verletzte einen Gewinn realisiert hätte. Davon könne bei einem Rechteinhaber, der auf die kommerzielle Verwertung verzichtet hat, nicht ausgegangen werden. Bei einem Verzicht des Schutzrechtsinhabers auf dessen monetäre Verwertung entsteht ihm durch die rechtswidrige Nutzung des Schutzrechts kein Schaden.
II. Auskunftsansprüche
Im Markenrecht gibt es drei verschiedene Auskunftsansprüche, die sich wie folgt unterscheiden:
Der unselbständige Auskunftsanspruch ist nicht ausdrücklich im Markengesetz geregelt. Er wird in ständiger Rechtsprechung aus § 242 BGB hergeleitet und richtet sich nur gegen den Verletzer (vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2012, Az. I ZR 82/11 – Völkl). Er ist unselbständig, weil Voraussetzung ist, dass gegen den Auskunftspflichtigen ein Schadensersatzanspruch besteht. Mit dem unselbständigen Auskunftsanspruch werden nur Informationen über die konkrete Verletzung durch den Auskunftspflichtigen eingefordert. Er dient nur der Durchsetzung dieses einen Schadensersatzanspruches.
Der selbständige Auskunftsanspruch ist in § 19 MarkenG geregelt. Er reicht deutlich weiter als der unselbständige Auskunftsanspruch. Zum einen lassen sich über § 19 MarkenG neben dem Verletzer auch Dritte in Anspruch nehmen. Zum anderen geht es beim selbständigen Auskunftsanspruch nicht nur um eine bestimmte Markenverletzung, sondern auch darum, auf weitere Verletzungen aufmerksam zu werden, ggf. von Dritten. Der selbständige Auskunftsanspruch zielt insbesondere auf Informationen über Zulieferer und Lieferketten ab. Das ermöglicht es dem Markeninhaber, gegen weitere Verletzer vorgehen.
Der Anspruch auf Vorlage und Besichtigung ist in § 19a MarkenG geregelt. Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Auskunftsansprüchen ist beim Anspruch auf Vorlage und Besichtigung nicht erforderlich, dass bereits eine Markenverletzung bzw. sogar ein Schadensersatzanspruch besteht bzw. festgestellt wurde. Der Vorlage- und Besichtigungsanspruch ist vielmehr im Vorfeld angesiedelt, wenn der Verdacht einer Markenverletzung besteht. Dem Markeninhaber soll die Möglichkeit gegeben werden, festzustellen, ob seine Marke überhaupt verletzt wurde, um ggf. einen Anspruch geltend zu machen. Der Anspruch auf Besichtigung nach § 19a Abs. 1 MarkenG umfasst als Minus die Pflicht zur Mitteilung von Eigenschaften der Ware, deren Besichtigung zu gestatten ist, zum Beispiel Herstellungsnummern (BGH, Urteil vom 21.01.2021, Az. I ZR 20/17).
1. Der unselbständige Auskunftsanspruch
Der unselbständige Auskunftsanspruch ist kein Phänomen des Markenrechts, sondern ein allgemeiner Rechtsgedanke des Zivilrechts, der von der Rechtsprechung aus § 242 BGB abgeleitet wird (vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2012, Az. I ZR 82/11 – Völkl). Es handelt sich um einen bloßen Hilfsanspruch, der es dem Markeninhaber ermöglichen soll, einen bereits bestehenden Schadensersatzanspruch effektiv und im richtigen Umfang durchzusetzen.
Der unselbständige Auskunftsanspruch hat folgende Voraussetzungen:
- Bestehen eines Schadensersatzanspruchs des Markeninhabers.
- Der Markeninhaber hat noch keine Kenntnis von den begehrten Informationen (vgl. BGH, Urteil vom 23.02.2006, Az. I ZR 27/03 – Parfümtestkäufe).
- Der Verletzer muss die Auskunft unschwer erteilen können (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 17.11.2005, Az. 3 U 126/03; BGH, Urteil vom 07.12.1979, Az. I ZR 157/77 – Monumenta Germaniae Historica).
Der unselbständige Auskunftsanspruch umfasst als akzessorischer Anspruch grundsätzlich nur Auskünfte über die konkrete Verletzungshandlung. Nach der Rechtsprechung muss auch über im Kern gleichartige Handlungen informiert werden (vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2012, Az. I ZR 82/11 – Völkl), aber nur, wenn feststeht, dass diese ebenfalls schuldhaft begangen wurden, also auch insoweit ein Schadensersatzanspruch besteht (vgl. BGH, Urteil vom 23.02.2006, Az. I ZR 27/03 – Parfümtestkäufe).
Inhaltlich umfasst die Auskunftspflicht alle Informationen, die zur Berechnung des Schadens erforderlich sind:
- Einkaufspreise
- Gestehungskosten
- Liefermengen und Lieferzeiten
- Lieferpreise
- Art und Umfang von getätigter Werbung
(vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2012, Az. I ZR 82/11 – Völkl).
Anders liegt es, wenn nur eine Berechnung des Schadensersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie in Betracht kommt. In diesem Fall beschränkt sich der Auskunftsanspruch auf die erzielten Netto-Umsätze. Grund ist, dass der Auskunftsanspruch sich nur auf Informationen beziehen kann, die für den konkreten Schadensersatzanspruch benötigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 13.09.2007, Az. I ZR 33/05 – THE HOME STORE).
Beispiel für die Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs im Prozess, dem das Gericht stattgab:
“Die Klägerin hat (…) beantragt, (…) die Beklagten (…) zu verurteilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie seit dem 1. Januar 1994 Handlungen gemäß Ziffer I (= Verletzungshandlungen) vorgenommen haben, und zwar unter Übergabe einer geordneten Auflistung, aus der sich die Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreise und die Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer ersehen lassen sowie die Einkaufspreise und die Gestehungskosten und unter Nennung des Herstellers und der Lieferanten der mit der streitgegenständlichen Kennzeichnung versehenen Waren sowie unter Bekanntgabe der für diese Waren betriebenen Werbung, unter Angabe der Werbungsträger, Erscheinungszeiten, Auflagenhöhen, Verbreitungsgebiete und der Kosten dieser Werbung (vgl. BGH, Urteil vom 02.10.2012, Az. I ZR 82/11 – Völkl).”
Achtung: Der unselbständige Auskunftsanspruch kann nur im Rahmen der Hauptsacheklage geltend gemacht werden. § 19 Abs. 7 MarkenG findet keine entsprechende Anwendung (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 14.06.2006, Az. 5 U 21/06 – Cerebro Card). Er unterliegt der gleichen Verjährung wie der Schadensersatzanspruch (vgl. OLG Zweibrücken, Urteil vom 02.11.2006, Az. 4 U 140/05). Der Streitwert des unselbständigen Auskunftsanspruch kann nur etwa 10 % des gesamten Prozessstreitwerts betragen (vgl. Ströbele/Hacker, § 19 MarkenG, Rn. 49).
2. Der selbständige Auskunftsanspruch (Drittauskunft)
Weitergehende Auskünfte als der unselbständige Auskunftsanspruch ermöglicht der in § 19 MarkenG geregelte selbständige Auskunftsanspruch. Er ist gerichtet auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg widerrechtlich gekennzeichneter Waren oder Dienstleistungen. Damit zielt er im Ergebnis darauf ab, Informationen über Markenverletzungen zu erlangen, die von Dritten begangen wurden. Der selbständige Auskunftsanspruch wird daher auch Anspruch auf Drittauskunft genannt. Im Gegensatz zum unselbständigen Anspruch, der nur „Anhängsel“ eines Schadensersatzanspruchs ist, kann der Auskunftsanspruch nach § 19 MarkenG unabhängig von einem bestehenden Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden.
Der Auskunftsanspruch aus § 19 MarkenG kann sowohl gegen den Verletzer als auch gegen Dritte geltend gemacht werden, mit denen der Verletzer in Kontakt gekommen ist. Je nachdem variieren die Voraussetzungen.
Überblick: Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs nach § 19 MarkenG
a. Allgemeine Voraussetzungen
- Gläubiger: Markeninhaber
- Verletzungshandlung
- keine Unverhältnismäßigkeit (§ 19 Abs. 4 MarkenG)
b. Vom Anspruchsgegner abhängige Voraussetzungen
- Wenn Anspruchsgegner = Verletzer: keine weiteren Voraussetzungen
- Wenn Anspruchsgegner = Dritter:
- besonderer Zusammenhang des Dritten zur Verletzungshandlung (§ 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-4 MarkenG)
- offensichtliche Rechtsverletzung oder bereits erhobene Verletzungsklage
- kein Zeugnisverweigerungsrecht des Dritten
a. Allgemeine Voraussetzungen
Unabhängig davon, ob der Auskunftsanspruch gegen den Verletzer oder einen Dritten geltend gemacht wird, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Gläubiger des Anspruchs kann grundsätzlich nur der Markeninhaber sein. Ein Lizenznehmer kann einen solchen Anspruch nur mit Zustimmung des Markeninhabers geltend machen (§ 30 Abs. 3 MarkenG).
- Die Marke des Inhabers muss verletzt worden sein, es bedarf also einer Verletzungshandlung.
- Die Inanspruchnahme des Schuldners darf im Einzelfall nicht unverhältnismäßig sein (§ 19 Abs. 4 MarkenG). Abzuwägen ist das Interesse des Markeninhabers an der Auskunft und das Geheimhaltungsinteresse des Dritten. Hintergrund dieser Voraussetzung ist, dass eine zu weitgehende Ausforschung des Konkurrenten vermieden werden soll, da der Markeninhaber hieran kein schutzwürdiges Interesse hat.
Beispiele: Die Erfüllung eines Auskunftsanspruchs kann ausnahmsweise unverhältnismäßig sein, wenn es sich um einen bloßen Einzelfall der Schutzrechtsverletzung handelt oder bereits alle Schäden der Schutzrechtsverletzung ausgeglichen sind. In diesen Fällen besteht kein schutzwürdiges Interesse des Markeninhabers mehr (vgl. BGH, Urteil vom 23.03.2006, Az. I ZR 27/03 – Parfümtestkäufe). In Fällen von Produktpiraterie kommt Unverhältnismäßigkeit dagegen kaum in Betracht, weil das Geheimhaltungsinteresse nicht schutzwürdig ist.
b. Vom Anspruchsgegner abhängige Voraussetzungen
Je nachdem, von wem der Markeninhaber Auskunft verlangt, können weitere Voraussetzungen zu beachten sein.
Ist der Anspruchsgegner der Verletzer, sind nur die vorstehenden allgemeinen Voraussetzungen zu beachten. Zusätzliche Erfordernisse bestehen nicht. Soll hingegen ein Dritter Auskunft erteilen, muss ein besonderer Zusammenhang des Dritten zur Verletzungshandlung bestehen, da nicht jeder beliebige Dritte auf Auskunft in Anspruch genommen werden darf. Wann der Zusammenhang eng genug ist, regelt § 19 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.
Danach besteht der Anspruch auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
- rechtsverletzende Ware in ihrem Besitz hatte. Wer für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne Kenntnis von der Markenrechtsverletzung zu haben, besitzt die Waren nicht zum Zweck des Anbietens oder Inverkehrbringens, wenn er selbst nicht diese Zwecke verfolgt (BGH, Urteil vom 21.01.2021, Az. I ZR 20/17 im Anschluss an EuGH, Urteil vom 02.04.2020, Az. C‑567/18 – Coty Germany / Amazon Services Europe Sàrl u.a.).
- rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm,
- für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder
- an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Waren oder an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war.
Der Anspruch kann nur gegen Dritte geltend gemacht werden, die zur Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen Vorteils handeln. Das gilt auch für Privatpersonen, weswegen der Begriff „gewerblich“ etwas anderes meint, als das Merkmal „im geschäftlichen Verkehr“ (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, § 19 Rn. 21).
Beispiel: Eine private Urlauberin, die sich eine gefälschte Handtasche zu einem wesentlich günstigeren Preis als das Original kauft, handelt zur Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils und kann somit auf Auskunft in Anspruch genommen werden. Mangels Teilnahme am geschäftlichen Verkehr bestehen aber keine Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche gegen sie.
- Offensichtliche Rechtsverletzung oder bereits erhobene Verletzungsklage: Wird ein Dritter in Anspruch genommen, muss entweder offensichtlich sein, dass eine Verletzung der Marke vorliegt oder der Inhaber muss bereits Verletzungsklage erhoben haben, z.B. auf Unterlassung und/oder Schadensersatz. Eine Verletzung ist offensichtlich, wenn sie so eindeutig ist, dass eine Fehlentscheidung ausgeschlossen erscheint (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 28.11.2002, Az. 3 U 33/02 – Pflasterspender). Offensichtliche Rechtsverletzungen liegen in der Regel bei Produktfälschungen vor.
- Kein Zeugnisverweigerungsrecht des Dritten: Dem Dritten darf kein Zeugnisverweigerungsrecht nach §§ 383 – 385 ZPO im Prozess gegen den Verletzer zustehen.
c. Umfang der Auskunftspflicht
Liegen die vorstehenden Voraussetzungen vor, hat der Anspruchsgegner Auskunft über Herkunft und Vertriebsweg der markenverletzenden Ware/Dienstleistung zu erteilen. Den Umfang der Auskunftspflicht bestimmt § 19 Abs. 3 MarkenG. Danach hat der zur Auskunft Verpflichtete Angaben zu machen über:
- Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Waren oder Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und
- die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren sowie über die Preise, die für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen bezahlt wurden.
Weitergehende Auskunft schuldet der Verletzer nach § 19 Abs. 1 MarkenG nicht. Der Umfang seiner Auskunftspflichten beschränkt sich auf die in § 19 Abs. 3 MarkenG ausdrücklich genannten Angaben. Daher muss beispielsweise weder Auskunft erteilt werden, wann eine rechtsverletzende Google Ads Werbeanzeige im Internet veröffentlicht worden war noch die Anzahl der Klicks auf die Werbeanzeige. § 19 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG gilt für Werbemittel weder direkt noch analog. Der Auskunftsanspruch nach § 19 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG bezieht sich auf die Preise für rechtsverletzende Dienstleistungen, nicht jedoch auf die Preise für Dienstleistungen gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, die für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzt worden sind. Es besteht daher auch kein Anspruch auf Auskunft über den Preis, den der Besteller für eine rechtsverletzende Internetanzeige bezahlt hat (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.2022, Az. I ZR 121/21 – Google-Drittauskunft).
Die Herkunft der Waren, also der Weg der Ware zum Verletzer, ist vollständig aufzudecken. Der nachfolgende Vertriebsweg “ab dem Verletzer” muss dagegen nur hinsichtlich gewerblicher Abnehmer aufgedeckt werden. Im Gegensatz zum Begriff der Gewerblichkeit in § 19 Abs. 2 MarkenG bedeutet „gewerblich“ hier wiederum, dass der Abnehmer im geschäftlichen Verkehr handelt.
Die Angabe über die Menge der Produkte muss so erfolgen, dass alle Benutzungen der Marke genannt werden, die die konkrete Verletzungsform verwirklichen (vgl. BGH, Urteil vom 23.03.2006, Az. I ZR 27/03 – Parfümtestkäufe).
Beispiele:
- Bei Produktpiraterie umfasst der konkrete Auskunftsanspruch auch alle anderen Fälle, in denen unter Verwendung der Marke gefälschte Produkte hergestellt wurden, nicht aber Fälle, in denen die Marke auf andere Weise verletzt wurde, z.B. durch Benutzung einer verwechselbar ähnlichen Marke.
- Google Ads:
Der selbständige Auskunftsanspruch aus § 19 MarkenG gegen Google umfasst den Zeitpunkt, ab wann Google Ads geschaltet wurden, nicht jedoch die Anzahl der Klicks und damit verdientes Entgelt. Mangels Störerhaftung im Fall bestand auch kein unselbständige Auskunftsanspruch nach § 242 BGB (Kammergericht, Urteil vom 13.07.2021, Az. 5 U 87/19). Update vom 18.10.2022: Die Entscheidung wurde aufgehoben durch BGH, Urteil vom 14.07.2022, Az. I ZR 121/21 – Google-Drittauskunft.
Wurde die Auskunft erkennbar unvollständig erteilt, liegt keine formell ordnungsgemäße Auskunft vor. Der Auskunftsanspruch kann dann per Zwangsvollstreckung gemäß § 888 ZPO durchgesetzt werden. Soweit keine aussagekräftigen Unterlagen über die Herkunft der markenverletzenden Waren vorliegen, muss der Auskunftsschuldner alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Information ausschöpfen. Dazu gehört es, ggf. bei bekannten Vorlieferanten nachzuforschen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.08.2022, Az. 6 W 41/22).
Tipp: Im Prozess kann der Auskunftsanspruch auch per einstweiliger Verfügung geltend gemacht werden, wenn die Rechtsverletzung offensichtlich ist (§ 19 Abs. 7 MarkenG). Der Streitwert kann wesentlich höher als beim unselbständigen Auskunftsanspruch liegen. Als Orientierung werden in der Literatur 25 % genannt (vgl. Ströbele/Hacker, § 19 MarkenG, Rn. 49). Weigert sich der Anspruchsgegner, Auskunft zu erteilen, kann über § 888 ZPO Zwangsgeld oder Zwangshaft erwirkt werden.
3. Anspruch auf Vorlage und Besichtigung
Der in § 19a MarkenG geregelte Anspruch auf Vorlage und Besichtigung ist in der markenrechtlichen Praxis nicht besonders bedeutsam. Im Gegensatz zu den dargestellten Auskunftsansprüchen findet er bereits dann Anwendung, wenn ein begründeter Verdacht einer Markenverletzung besteht. Damit ist er im Vorfeld der anderen Auskunftsansprüche angesiedelt.
Während der unselbständige und der selbständige Auskunftsanspruch bei einer feststehenden Markenverletzung dabei helfen, den Schadensersatzanspruch näher beziffern zu können bzw. weitere Markenverletzungen aufzudecken, dient § 19a MarkenG der Aufklärung, ob überhaupt eine Markenverletzung stattgefunden hat und inwieweit ein Schadensersatzanspruch bestehen könnte. Entsprechend geringer ist der Umfang der Auskunftspflicht.
Der Anspruch aus § 19a MarkenG hat folgende Voraussetzungen:
- Gläubiger ist der Markeninhaber.
- Hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung: Ob die Rechtsverletzung hinreichend wahrscheinlich ist, richtet sich nach der Indizienlage. Im Prozess wird es auf die Sachvorträge von Gläubiger und Anspruchsgegner ankommen. Hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung liegt zum Beispiel vor, wenn der Markeninhaber Quittungen von Testkäufen vorlegen kann und der Anspruchsgegner sich darauf nicht konkret einlässt. Ein bloß pauschales Bestreiten genügt in diesem Fall nicht (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 04.02.2015, Az. 2a O 367/13).
- Erforderlichkeit zur Begründung von Ansprüchen: Die Auskunft muss erforderlich sein, um Ansprüche wegen Markenverletzung zu begründen. Das ist bereits der Fall, wenn geltend gemacht wird, dass der Anspruch dazu diene einen Schadensersatzanspruch nach einer der drei Berechnungsmethoden zu berechnen (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 04.02.2015, Az. 2a O 367/13).
- Keine Unverhältnismäßigkeit: Gemäß § 19a Abs. 2 MarkenG besteht der Anspruch aus § 19a MarkenG nur, wenn die Geltendmachung im konkreten Fall nicht unverhältnismäßig ist.
Sind die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt, muss der Anspruchsgegner dem Markeninhaber Urkunden wie z.B. Quittungen vorlegen und in seinem Besitz befindliche Sachen zur Besichtigung bereitstellen. Das betrifft insbesondere die (vermeintlich) markenverletzenden Waren selbst. Falls hinreichend wahrscheinlich ist, dass die Rechtsverletzung gewerblich (im Sinne von „im geschäftlichen Verkehr“) vorgenommen wurde, erstreckt sich der Anspruch auch auf Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen. Gleichzeitig ist das Geheimhaltungsinteresse des vermeintlichen Verletzers zu berücksichtigen (§ 19a Abs. 1 S. 3 MarkenG).
Tipp: Wenn die Gefahr besteht, dass der Anspruchsgegner die entscheidenden Beweise beseitigt, kann der Anspruch auch per einstweiliger Verfügung geltend gemacht werden (vgl. § 19a Abs. 3 MarkenG).
Stellt sich dagegen heraus, dass keine Markenrechtsverletzung vorlag, besteht wegen unberechtigter Inanspruchnahme eine Schadensersatzpflicht des Markeninhabers (§ 19a Abs. 5 MarkenG).
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Hinweis: Dieser Beitrag wurde unter Mitwirkung unseres wissenschaftlichen Mitarbeiters Felix Wichert erstellt.