Die Registrierung einer Marke ist oft eine gute Idee. Anders sieht es aus Bösgläubigkeit des Anmelders. In diesem Beitrag erklären wir alles Wichtige zu bösgläubigen Markenanmeldungen.
Inhaltsübersicht
I. Deutsches Recht vs. EU-Recht
II. Wann liegt Bösgläubigkeit vor?
1. Eingriff in einen schutzwürdigen fremden Besitzstand
2. Markenanmeldung als zweckfremdes Mittel im Wettbewerb
3. Fehlender Benutzungswille des Anmeldenden
4. Wiederholungsmarken
5. Weitere Anwendungsfälle
6. Ausnahme: Vorratsmarken
III. Zu welchem Zeitpunkt muss Bösgläubigkeit vorliegen?
IV. Bösgläubigkeit bei Anmeldung und Eintragung in das Register
V. Bösgläubigkeit bei Bestand der Eintragung im Register
VI. Bösgläubigkeit bei konkreter Nutzung der Marke
1. Einwand des Rechtsmissbrauchs
2. Ansprüche gegen den Inhaber einer bösgläubig angemeldeten Marke
VII. Rechtsfolgen einer bösgläubigen Markenanmeldung
VIII. Darlegungs- und Beweislast
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I. Deutsches Recht vs. EU-Recht
Regelungen zur bösgläubigen Markenanmeldung finden sich sowohl im deutschen Markengesetz (MarkenG) als auch in der Unionsmarkenverordnung (UMV). Das deutsche Recht in Gestalt des Markengesetzes wird erheblich durch das europäische Recht beeinflusst. Deshalb gibt es kaum inhaltliche Unterschiede bei der juristischen Beurteilung von bösgläubig angemeldeten Unionsmarken bzw. deutschen Marken.
II. Wann liegt Bösgläubigkeit vor?
Der in § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG und Art. 59 Abs. 1 b) UMV enthaltene Begriff der “Bösgläubigkeit” ist nicht gesetzlich definiert.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Markenanmeldung bösgläubig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG, wenn der Anmelder das angemeldete Zeichen nicht als Marke benutzen will, das heißt als Herkunftshinweis, sondern die formale Rechtsstellung als Inhaber eines Kennzeichenrechts lediglich zum Zwecke der rechtsmissbräuchlichen oder sittenwidrigen Behinderung Dritter einsetzen möchte (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2015, Az. I ZR 105/14 – Goldbären; BGH, Beschluss vom 02.04.2009, Az. I ZB 8/06 – Ivadal I).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs liegt Bösgläubigkeit vor, wenn sich aus schlüssigen und übereinstimmenden Indizien ergibt, dass der Inhaber einer Unionsmarke die Anmeldung dieser Marke nicht mit dem Ziel eingereicht hat, sich in lauterer Weise am Wettbewerb zu beteiligen, sondern mit der Absicht, in einer den redlichen Handelsbräuchen widersprechenden Weise Drittinteressen zu schaden, oder mit der Absicht, sich ohne Bezug zu einem konkreten Dritten ein ausschließliches Recht zu anderen als zu den zur Funktion einer Marke gehörenden Zwecken zu verschaffen (EuGH, Urteil vom 12.09.2019, Az. C-104/18 P – STYLO & KOTON; EuG, Urteil vom 06.03.2024, Az. T-59/23, T-68/23 – DEC FLEXIBLE TECHNOLOGIES/Darstellung eines Quadrats mit Kurven).
Eine böswillige Markenanmeldung kommt auch dann in Betracht, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen (BGH, Beschluss vom 15.10.2015, Az. I ZB 44/14 – LIQUIDROM).
Der Begriff der Bösgläubigkeit ist umfassend unter Berücksichtigung aller im Einzelfall erheblichen Faktoren zu beurteilen. Maßgeblich ist die Absicht des Anmelders zum Zeitpunkt der Anmeldung, die anhand der objektiven Umstände zu bestimmen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 11.06.2009, Az. C-529/07 – Lindt & Sprüngli/Franz Hauswirth; EuGH, Urteil vom 27.06.2013, Az. C-320/12 – Malaysia Dairy Industries; BGH, Beschluss vom 02.04.2009, Az. I ZB 8/06 – Ivadal I).
An den Nachweis der Bösgläubigkeit sind insgesamt hohe Anforderungen zu stellen. Grundsätzlich gilt die Vermutung einer nicht bösgläubigen Anmeldung. Eine Widerlegung setzt voraus, dass die Bösgläubigkeit im Einzelfall durch besondere Feststellungen belegt wird.
Mit der Zeit hat die Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, die eine Orientierung ermöglichen, wann auf Bösgläubigkeit geschlossen werden kann.
1. Eingriff in einen schutzwürdigen fremden Besitzstand
Der Anmelder einer Marke handelt nicht allein deshalb bösgläubig, weil er weiß oder wissen muss, dass ein Dritter zumindest in einem Mitgliedstaat ein gleiches oder ähnliches Zeichen für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen nutzt, ohne hierfür Markenschutz erworben zu haben (LG Hamburg, Urteil vom 27.04.2023, Az. 327 O 208/22 m.V.a. EuGH, Urteil vom 11.06.2009. Az. C-529/07 – Lindt; EuGH, Urteil vom 27.06.2013, Az. C-320/12 – Malaysia Dairy Industries). Ein Vorbenutzungsrecht in diesem Sinne ist dem Markenrecht fremd. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die das Verhalten des Anmelders als wettbewerbswidrig erscheinen lassen (BPatG, Beschluss vom 09.11.2023, Az. 25 W (pat) 43/21).
Ausgehend hiervon kann ein bösgläubiger Markenerwerb nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes insbesondere darin liegen, dass der Anmelder in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes eines Vorbenutzers ohne rechtfertigenden Grund die gleiche oder eine verwechselbar ähnliche Marke für gleiche oder ähnliche Waren und/oder Dienstleistungen anmeldet mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den weiteren Gebrauch der Marke zu sperren (vgl. BGH, Urteil vom 19.02.1998, Az. I ZR 138/95 –Makalu; BGH, Urteil vom 10.08.2000, Az. I ZR 283/97 – EQUI 2000; BGH, Urteil vom 10.01.2008, Az. I ZR 38/05 – AKADEMIKS). Der Eingriff liegt darin, dass die Anmeldung für gleiche oder ähnliche Waren und/oder Dienstleistungen mit der gleichen oder einer zum Verwechseln ähnlichen Bezeichnung erfolgt, wie sie der Vorbenutzer schon für sich beanspruchen darf (vgl. BPatG, Beschluss vom 17.09.2020, Az. 28 W (pat) 19/18 – BUBBLES). Ob ein objektiv schützenswerter Besitzstand gegeben ist, spielt auch für das Vorliegen anderer Fallgruppen eine Rolle.
Voraussetzung für die Annahme eines schützenswerten Besitzstandes ist, dass das Zeichen des Vorbenutzers eine gewisse überregional bestehende Bekanntheit und Bedeutung erlangt hat (BPatG, Beschluss vom 17.04.2014, Az. 30 W (pat) 32/12 – LIQUIDROM). Bekanntheit im Ausland reicht aus, sie muss nicht in Deutschland oder der EU gegeben sein (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.2008, Az. I ZR 38/05 – EKONOMIKS). Voraussetzung ist aber, dass der Betroffene bereits in der EU oder in Deutschland tätig ist oder ein Tätigwerden zumindest ernsthaft angestrebt wird (LG Berlin, Urteil vom 18.08.2018, Az. 16 O 278/17).
Auch nicht mehr genutzte Marken können dem Vorbenutzer noch einen schützenswerten Bestand gegenüber der Markenanmeldung eines anderen vermitteln (vgl. EuG, Urteil vom 08.05.2014, Az. T-327/12 – Simca).
Kriterien zur Bestimmung eines schützenswerten Besitzstandes:
- Dauer der Zeichenverwendung durch den Vorbenutzer
- Bedeutung der damit erzielten Umsätze für die Geschäftstätigkeit des Vorbenutzers
- Bedeutung der Marke für den speziellen Abnehmerkreis des Vorbenutzers
Geschäfts- und Unternehmenskennzeichen, ggf. auch nur Teile hiervon, können einen schützenswerten Besitzstand begründen. Dasselbe gilt für die Benutzung von Domains, wenn der Name der Domain einen Herkunftshinweis für den Rechtsverkehr vermittelt (BPatG, Beschluss vom 26.09.2011, Az. 29 W (pat) 169/10 – Entertainer.de).
Auf europäischer Ebene wurden als Indiz für Bösgläubigkeit die Anmeldung von Marken und Domains mit dem Unternehmensnamen eines Mitbewerbers angesehen (EuG, Urteil vom 06.03.2024, Az. T-59/23, T-68/23 – DEC FLEXIBLE TECHNOLOGIES/Darstellung eines Quadrats mit Kurven).
Urheber- und Persönlichkeitsrechte erfüllen unter Umständen ebenfalls die Kriterien eines schutzwürdigen Besitzstandes. Hierzu gehören Fälle, in denen ein Markenanmelder den Namen einer bekannten Person eintragen lässt, um ihn für eigene Profite auszunutzen (Trittbrettfahrer).
Beispiel: Anmeldung des Namens eines seinerzeit aufstrebenden südamerikanischen Fußballerspielers als Marke durch einen nicht mit dem Sportler in Verbindung stehenden Dritten (vgl. EuG, Urteil vom 14.05.2019, Az. T-795/17 – NEYMAR).
Gegenbeispiel: Die Anmeldung einer in Vergessenheit geratenen, erloschenen und unbenutzten Namensmarke mit dem Ziel der Wiederherstellung ihrer Bekanntheit wurde als nicht bösgläubig eingestuft (EuG, Urteil vom 06.07.2022, Az. T-250/21 – Nehera).
Einschränkend ist zu beachten, dass eine Markenanmeldung selbst bei Annahme eines grundsätzlich schützenswerten Bestands eines Vorbenutzers nicht zwingend unlauter sein muss. So kann der (vermeintlich) bösgläubige Markenanmelder seinerseits eine schützenswerte Rechtsposition bzw. schützenswerte Eigeninteressen besitzen, die mit einer Markenanmeldung zur Geltung kommen sollen (vgl. BPatG, Beschluss vom 19.08.2022, Az. 25 W (pat) 29/20 – Tschedro; BPatG, Beschluss vom 16.11.1999, Az. 27 W (pat) 94/99 – SSZ).
Der Vorbenutzer kann sich auch dann nicht auf die Störung seines Besitzstandes berufen, wenn er die Zeichennutzung durch den anderen für eine längere Zeit geduldet hat, ohne sich dagegen zu wehren. Kunst- und Meinungsfreiheit können ebenfalls den Eingriff in den schützenswerten Besitzstand rechtfertigen. Das hat zum Beispiel in Fällen der Eintragung sogenannter Markenparodien Bedeutung.
An das Vorliegen der Kenntnis eines schützenswerten Besitzstandes werden keine hohen Anforderungen gestellt. Sie ist anzunehmen, wenn sich dem Markeninhaber die Kenntnis des Besitzstandes eines Dritten aufdrängen musste. Sollte ein schützenswerter Besitzstand sachlich vorliegen, wird auch die Kenntnis hiervon regelmäßig zu bejahen sein (Schoene, in: Beck-Onlinekommentar Markenrecht, § 8 MarkenG, Rz. 941).
2. Markenanmeldung als zweckfremdes Mittel im Wettbewerb
Die Anmeldung und Eintragung einer Marke im Markenregister führt zu einer an sich unbedenklichen Sperrwirkung des Registers für zeitlich nachfolgende Markenanmeldungen Dritter. Rechtsmissbräuchlich wird die Anmeldung einer Marke aber, wenn sie mit der alleinigen oder überwiegenden Absicht erfolgt, andere vom Wettbewerb auszuschließen. Beantragt der Anmeldende die Markeneintragung mit Behinderungsabsicht, spricht man von einer Sperrmarke. In derartigen Fällen ist die Markenanmeldung auch dann missbräuchlich, wenn der Markeninhaber tatsächlich einen Benutzungswillen hinsichtlich der anzumeldenden Marke hat (BGH, Urteil vom 10.01.2008, Az. I ZR 38/05 – AKADEMIKS).
Alleine die Geltendmachung unberechtigter Ansprüche gegen Dritte ist noch kein Indiz für die unlautere Anmeldung und Verwendung einer Marke. So kann beispielsweise ein Vorgehen des Markeninhabers gegen die bloß dekorative und nicht schon markenmäßige Verwendung des Kennzeichens durch einen Dritten nur bei Hinzutreten weiterer Umstände den Verdacht der Behinderungsabsicht begründen (BGH, Beschluss vom 15.10.2015, Az. I ZB 69/14 – GLÜCKSPILZ).
Umgekehrt wird das Vorliegen einer Sperrmarke wahrscheinlich sein, wenn der schützenswerte Besitzstand eines Dritten betroffen ist (BPatG, Urteil vom 22.09.2014, Az. 32 W (pat) 77/07 – LIMES LOGISTIK). Zudem legt die Eintragung und Monopolisierung bloßer Modell- bzw. Typenbezeichnungen von Produkten eine unlautere Absicht nahe (BPatG, Beschluss vom 22.03.2018, Az. 26 W (pat) 25/15 – CE4 Plus).
Gleichzeitig ist zu beachten, dass eine Markenanmeldung trotz naheliegender Behinderungsabsicht durch einen legitimen Zweck berechtigt sein kann (vgl. EuGH, Urteil vom 06.09.2018, Az. C-488/16 P – NEUSCHWANSTEIN). Wer schon länger Zeichen für Waren und Dienstleistungen benutzt und sich nun einer Kopie seiner Produkte durch Dritte ausgesetzt sieht, kann an der Eintragung und der damit einhergehenden Sperrwirkung ein berechtigtes Interesse haben.
Behinderungsabsicht liegt in der Praxis nahe, wenn die Anmeldung einer Marke als unmittelbare Reaktion auf das Verhalten eines Wettbewerbers erfolgt. Exemplarisch ist eine Auseinandersetzung zwischen den Süßwarenherstellern Haribo und Lindt (BGH, Urteil vom 23.09.2015, Az. I ZR 105/14 – Goldbären). Haribo hatte die Marke “Gold-Teddy” unmittelbar nachdem angemeldet, als Lindt das Unternehmen über seine Absicht in Kenntnis gesetzt hatte, den Begriff “Teddy” für eines seiner Schokoladenprodukte verwenden zu wollen. Aus Sicht des BGH stand die Behinderungsabsicht von Haribo gegenüber Lindt erkennbar im Vordergrund und war auch nicht durch einen legitimen Zweck gerechtfertigt.
Behinderungsabsicht kann sich aus einer vertraglichen Bindung des Markeninhabers zu einem Dritten ergeben, wenn sich die Markenanmeldung als Verstoß gegen den Vertragszweck darstellt. So zum Beispiel, wenn ein Markendesigner ein Logo auftragsgemäß für ein Unternehmen gestaltet und diesem ausschließliche Nutzungsrechte einräumt, dann aber die Grafik selbst als Marke anmeldet und dem Auftraggeber entgegenhält (BPatG, Beschluss vom 23.10.2012, Az. 27 W (pat) 87/09 – Krystallpalast Variete).
Die Behinderungsabsicht rückt außerdem in den Fokus, wenn der Markeninhaber und ein Dritter vor der Anmeldung über einen längeren Zeitraum in geschäftlicher Beziehung zueinander standen. Hier kann ein Vertrauensverhältnis entstanden sein, aus dem sich die Unredlichkeit der Markenanmeldung gegenüber dem alten Geschäftspartner ergeben kann. Wird zum Beispiel eine Marke, die das Ergebnis längerfristiger und gleichberechtigter Zusammenarbeit war, von einem der ehemaligen Partner angemeldet und sodann gegen den anderen eingesetzt, kann das für eine unlautere Anmeldung sprechen (BGH, Urteil vom 26.06.2008, Az. I ZR 190/05 – EROS). Von einer Behinderungsabsicht ist auch dann auszugehen, wenn im Rahmen einer langjährigen Vertriebsbeziehung einer der Partner das innerhalb eines Vertriebssystems genutzte Zeichen als Marke anmeldet, obwohl ihm das Zeichen und das zugehörige Produkt nach den innervertraglichen Regelungen und der gelebten Praxis nicht allein zusteht. Ein eigener Benutzungswille schließt die Bösgläubigkeit nicht aus (LG München, Urteil vom 21.09.2021, Az. 33 O 14670/19).
3. Fehlender Benutzungswille des Anmeldenden
Wer eine Marke anmeldet, muss diese nicht unmittelbar in Benutzung nehmen oder gar bereits in Benutzung haben. Unionsmarkenverordnung und Markengesetz räumen dem Markenanmelder eine Benutzungsschonfrist von fünf Jahren ein (§§ 43 Abs. 1, 26 Abs. 5 MarkenG; Art. 18, 64 Abs. 2 UMV). Zu beachten ist, dass die fünfjährige Benutzungsschonfrist den Markenanmelder nicht von der Notwendigkeit befreit, einen generellen Benutzungswillen zu haben (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.05.2021, Az. 6 W 31/21 – ASCOLI/Ascona). Die Benutzungsschonfrist begründet lediglich eine entsprechende Vermutung, die widerlegt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2000, Az. I ZR 93/98 – Classe E).
Die fünfjährige Benutzungsschonfrist beginnt bei deutschen Marken mit dem Tag, ab dem gegen die Eintragung der Marke kein Widerspruch mehr erhoben werden kann, das heißt nach Ende der Widerspruchsfrist (+ 1 Tag) bzw. dem Tag des rechtskräftigen Abschlusses eines Widerspruchsverfahrens. Bei Unionsmarken beginnt die Benutzungsschonfrist ab dem Tag der Eintragung zu laufen.
Wem es mit seiner Markenanmeldung indes darum geht, Dritten mit der Markenanmeldung zuvorzukommen, um sie dann zum Erwerb der Marke zu veranlassen oder mit Unterlassungsansprüchen und Schadensersatzansprüchen zu überziehen, dem fehlt ein anerkennenswerter Nutzungswillen (BGH, Beschluss vom 02.04.2009, Az. I ZB 8/06 – Ivadal I). Man spricht in solchen Fällen von Spekulationsmarken bzw. Hinterhaltsmarken.
Beispiel: Wird eine unbenutzte Marke umfangreich zur Rechtsverfolgung verwendet, spricht das unter Umständen dafür, dass sie zweckfremd als Hinterhaltsmarke eingesetzt wird, um sich durch erzwungene Lizenzverträge und Vergleiche mit den Abgemahnten eine Einnahmequelle zu verschaffen, anstatt die Marke in lauterer Weise als Kennzeichen für Waren und Dienstleistungen zu benutzen. Der mutmaßlichen Behinderungsabsicht steht nicht entgegen, dass sich die Marke noch in der Benutzungsschonfrist befindet (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.05.2021, Az. 6 W 31/21 – ASCOLI/Ascona).
Diese Anhaltspunkte sprechen für einen fehlenden Benutzungswillen, was den vermuteten Benutzungswillen widerlegen kann:
- Musste dem Markenanmelder bei Anmeldung klar sein, dass bestimmte Dritte selbst ein Interesse an der Eintragung haben und jetzt an der Nutzung gehindert werden?
- Wendet sich der Markeninhaber von selbst und unter Verweis auf seine Inhaberschaft an potentielle andere Nutzer? Wenn ja, wie oft und wie hartnäckig?
- Ist der vom Markeninhaber verlangte Preis für die Lizenz oder Veräußerung der Marke angemessen?
- Wie abmahnfreudig ist der Markeninhaber? Wird mit Abmahnung pauschalierter oder unangemessen hoher Schadensersatz verlangt?
Ein anerkennenswerter Benutzungswille fehlt ebenfalls bei Defensivmarken. Alleiniger Zweck von Defensivmarken ist es, eine bereits eingetragene und benutzte Hauptmarke vor Eintragungen Dritter zu schützen. Die Defensivmarke wird vom Inhaber in der Regel nicht genutzt. Sie dient nur der Verstärkung der Rechtsstellung der Hauptmarke, indem sie diese von ähnlichen Markenanmeldungen Dritter freihalten soll. In der Anmeldung des Begriffs “Gold-Teddy” durch Haribo kann eine Defensivmarke gesehen werden.
4. Wiederholungsmarken
Die wiederholte Anmeldung einer Marke ist begründet grundsätzlich keine Bösgläubigkeit. Ohne das Hinzutreten weiterer Unlauterkeitsmerkmale stellt die bloße Eintragung einer Wiederholungsanmeldung daher keinen Nichtigkeitsgrund dar (BPatG, Beschluss vom 29.06.2022, Az. 29 W (pat) 66/20 – HANDTE).
Problematisch ist es aber, wenn ein Markeninhaber wiederholt unter demselben Markennamen kurz vor oder nach Ablauf der Benutzungsschonfrist von fünf Jahren eine identische Marke erneut beim selben Markenregister für dieselbe Warenpalette anmeldet, um den Benutzungsnachweis nach Ablauf der fünfjährigen Benutzungsschonfrist nicht erbringen zu müssen. Eine viermonatige zeitliche Lücke zwischen dem Ablauf der Benutzungsschonfrist und der Neuanmeldung wurde allerdings als ausreichend angesehen, um es Dritten zu ermöglichen, in der Zwischenzeit eigene Rechte zu erwerben (BPatG, Beschluss vom 29.06.2022, Az. 29 W (pat) 66/20 – HANDTE).
Wenn die eingetragene Marke bisher tatsächlich nicht geschäftsmäßig genutzt wurde, kann die künstliche Verlängerung der gesetzlichen Benutzungsschonfrist durch erneute Anmeldung eine böswillige Markenanmeldung darstellen (vgl. EuG, Urteil vom 21.04.2021, Az. T-663/19 – MONOPOLY nach EUIPO, Zweite Beschwerdekammer, Entscheidung vom 22.07.2019, Az. R 1849/2017-2).
Die konkreten Voraussetzungen für das Vorliegen einer unlauteren Wiederholungsmarke sind umstritten und noch nicht endgültig geklärt. Offen ist insbesondere, wie hoch der Identitätsgrad zwischen alter und neu angemeldeter Marke zu sein hat, um von einer Wiederholungsmarke sprechen zu können. Weiterhin stellt sich die Frage, ab wann von einer ausreichenden tatsächlichen Benutzung der Marke auszugehen ist, insbesondere wie intensiv diese Nutzung ausfallen muss. Zumindest wer durch die erneute Anmeldung versucht, seine bisher nicht genutzte Marke in einer bestimmten Art zu modernisieren, handelt nicht missbräuchlich (vgl. EuG, Urteil vom 13.12.2012, Az. T-136/11 – Pelikan).
5. Weitere Anwendungsfälle
Wird eine Markenanmeldung durch falsche Informationen oder Verheimlichen relevanter Umstände veranlasst, liegt eine Markenerschleichung vor. Die Markenerschleichung ist ein Fall der böswilligen Markenanmeldung (BPatG, Beschluss vom 15.02.2006, Az. 29 W (pat) 341/10 – E2).
Missbräuchlich kann eine Markenanmeldestrategie sein, die die Wechselwirkungen von nationaler Markenanmeldung und Anmeldung einer Unionsmarke ausnutzt. Im Rahmen des Anmeldeverfahrens einer Unionsmarke können Dritte gegen eine Eintragung Widerspruch einlegen, wenn sie eine identische oder ähnliche Marke für identische Waren oder Dienstleistungen bei einem nationalen Markenamt innerhalb der letzten sechs Monate angemeldet haben (sog. Prioritätsrecht). Es ist deshalb missbräuchlich, alle sechs Monate eine nationale Markenanmeldung vorzunehmen und verfristen zu lassen, um das hieraus folgende Prioritätsrecht gegen die Anmeldung einer identischen oder ähnlichen Unionsmarke durch einen Dritten geltend zu machen (EuG, Urteil vom 07.07.2016, Az. T-82/14 – LUCEO).
Auch bei Errichtung von Kollektiv- und Gewährleistungsmarken kann Bösgläubigkeit eine Rolle spielen. Unlautere Absichten können sich aus dem Satzungsinhalt ergeben, zum Beispiel wenn hierdurch bestimmte Geschäftsmodelle verhindert werden sollen.
6. Ausnahme: Vorratsmarken
Erfolgt die Anmeldung von Marken mit dem Ziel, für die baldige Einführung neuer Produkte oder Dienstleistungen jetzt schon ein geeignetes Kennzeichnungsmittel zur Hand zu haben, handelt es sich um Vorratsmarken. Die Anmeldung von Vorratsmarken ist nach der Rechtsprechung zulässig, da sie im Gegensatz zu Spekulationsmarken mit einem potentiellen bzw. generellen Benutzungswillen angemeldet werden (BGH, Urteil vom 23.11.2000, Az. I ZR 93/98 – Classe E).
Erforderlich zur Annahme eines potentiellen Benutzungswillens ist, dass die Tätigkeit des Anmeldenden über die Vielzahl von Markenanmeldungen hinaus derjenigen eines durchschnittlichen Markendesigners entspricht. Markendesigner melden eine Vielzahl von Marken für ein große Palette an Waren oder Dienstleistungen an, damit potentielle Kunden diese später erwerben und benutzen können. Um von einem generellen Benutzungswillen ausgehen zu können, muss der Anmelder deshalb abstrakt ein stimmiges und seriöses Geschäftsmodell mit der Markenanmeldung verfolgen (vgl. LG Köln, Urteil vom 21.04.2016, Az. 31 O 469/15).
III. Zu welchem Zeitpunkt muss Bösgläubigkeit vorliegen?
Sowohl bei deutschen Marken als auch Unionsmarken stellt die Rechtsprechung darauf ab, ob der Anmelder im Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke bösgläubig war (vgl. EuGH, Urteil vom 11.06.2009, Az. C-529/07 – Lindt & Sprüngli; BGH, Beschluss vom 15.10.2015, Az. I ZB 44/14 – LIQUIDROM unter ausdrücklicher Aufhebung seiner früheren Rechtsprechung, nach der auf den Tag der Markeneintragung abgestellt wurde). Maßgeblich ist damit der Tag, an dem der formgerechte Antrag auf Anmeldung beim Markenamt eingereicht wird.
Auf welche Weise die Marke genutzt wird, findet bei der Beurteilung ebenfalls Berücksichtigung. Oft ergeben sich erst aus dem Verhalten vor und nach Anmeldung Anhaltspunkte für oder gegen eine rechtsmissbräuchliche Absicht zum Anmeldezeitpunkt (vgl. BPatG, Beschluss vom 17.09.2020, Az. 28 W (pat) 19/18 – BUBBLES). Anhaltspunkte für oder gegen eine rechtsmissbräuchliche Anmeldung können sogar mehrere Jahre zurückliegen (vgl. EuG, Urteil vom 01.02.2012, Az. T-291/09 – CHICKEN ON THE GRILL).
Bei einer böswilligen Markenanmeldung leidet die Marke an einem nicht mehr behebbaren Makel. Selbst wenn sie später rechtmäßig genutzt wird, bleibt ihr der Schutz der Rechtsordnung verwehrt. Das gilt auch, wenn die Marke von einem unbehelligten Dritten erworben wird (vgl. BGH, Urteil vom 10.08.2000, Az. I ZR 283/97 – EQUI 2000; OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.06.2010, Az. I-20 U 199/09 – Spekulationsmarke).
IV. Bösgläubigkeit bei Anmeldung und Eintragung in das Register
In Deutschland stellt die bösgläubige Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG ein absolutes Schutzhindernis dar. Absolute Schutzhindernisse sind vom DPMA von Amts wegen zu überprüfen. Der Prüfungsumfang des DPMA beschränkt sich allerdings auf ersichtliche Fälle. Die bösgläubige Anmeldung muss ohne umfangreiche und zeitraubende Ermittlungen seitens des DPMA positiv festgestellt werden können (BPatG, Beschluss vom 24.04.2012, Az. 33 W(pat) 122/09 – soulhelp). Hinweise Dritter und Erkenntnisse aus anderen Verfahren darf das DPMA berücksichtigen.
In der Europäischen Union erfolgt im Gegensatz dazu seitens des EUIPO im Rahmen der Anmeldung von Unionsmarken keine Prüfung von Amts wegen auf Bösgläubigkeit. Nach der Unionsmarkenverordnung ist Bösgläubigkeit nur ein absoluter Grund für die Nichtigkeit einer Unionsmarke, so dass sie entweder vor dem EUIPO oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren geltend gemacht werden kann. Daher ist Bösgläubigkeit in Prüf- oder Widerspruchsverfahren unerheblich (in Bezug auf Widerspruchsverfahren: EuG, Urteil vom 17.12.2010, Az. T-192/09 – Seve Trophy). Weitere Informationen hierzu finden Sie hier.
V. Bösgläubigkeit bei Bestand der Eintragung im Register
Das DPMA darf bei ursprünglich bösgläubig eingetragenen Marke auch nach erfolgter Eintragung noch von Amts wegen ein Nichtigkeitsverfahren durchführen. Diese Befugnis ist allerdings zeitlich begrenzt. Ein Nichtigkeitsverfahren muss innerhalb von zwei Jahren ab Eintragung eingeleitet werden. Auch in diesem Fall prüft das DPMA nur, ob die Bösgläubigkeit ersichtlich ist. Das EUIPO hat in Bezug auf Unionsmarken keine vergleichbare Kompetenz zur rückwirkenden Prüfung.
Die Eintragung einer deutschen Marke wird nach § 50 Abs. 1 MarkenG auf Antrag wegen Nichtigkeit gelöscht, wenn sie entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG böswillig angemeldet worden ist. Für Unionsmarken ergibt sich dies aus Art. 59 Abs. 1 b) UMV.
Jedermann kann den Antrag stellen. Der Nichtigkeitsantrag muss schriftlich beim jeweils zuständigen Markenamt gestellt werden. Es gibt keine Fristen, innerhalb derer der Antrag wegen Bösgläubigkeit einzureichen ist. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller durch die Marke persönlich betroffen ist. Folge eines Antrags ist, dass ein Nichtigkeitsverfahren durch das jeweils angerufene Markenamt eingeleitet wird.
- Im Nichtigkeitsverfahren vor dem DPMA wird dem Markeninhaber durch das Amt Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (§ 53 MarkenG). Der Markeninhaber muss innerhalb von zwei Monaten ab Mitteilung des DPMA Widerspruch einlegen. Ansonsten kommt es zur Löschung seiner Marke. Bei fristgemäßem Widerspruch durch den Markeninhaber entscheidet das DPMA in der Sache. Gegen die Entscheidung des DPMA kann Beschwerde zum Bundespatentgericht eingelegt werden.
- Im Rahmen des Nichtigkeitsverfahren vor dem EUIPO wird Antragssteller und Antragsgegner so oft wie es die Nichtigkeitsabteilung des EUIPO für erforderlich hält, eine Äußerungsfrist zur Sache gesetzt (Art. 64 UMV). Über Beschwerden gegen die Entscheidung des EUIPO entscheiden die Beschwerdekammern des EUIPO. Gegen deren Entscheidung kann wiederum nach Art. 72 Abs. 1 UMV Klage vor dem Gerichtshof (EuG) erhoben werden.
VI. Bösgläubigkeit bei konkreter Nutzung der Marke
Die Geltendmachung von Bösgläubigkeit ist nicht auf amtliche Löschungsverfahren beschränkt.
1. Einwand des Rechtsmissbrauchs
Wer vom Inhaber einer bösgläubig angemeldeten Marke wegen Markenrechtsverletzung auf Unterlassung und/oder Schadensersatz in Anspruch genommen wird, kann gegenüber dem Markeninhaber den Einwand des Rechtsmissbrauchs erheben (vgl. BGH, Urteil vom 10.08.2000, Az. I ZR 283/97 – EQUI 2000).
Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann auch noch nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung geltend gemacht werden, wenn der Schuldner nachfolgend vom Inhaber der bösgläubigen Marke auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch genommen wird (BGH, Urteil vom 23.10.2019, Az. I ZR 46/19 – DA VINCI). Ist der Einwand erfolgreich, muss keine Vertragsstrafe gezahlt werden.
2. Ansprüche gegen den Inhaber einer bösgläubig angemeldeten Marke
Gegen den Inhaber einer bösgläubigen Marke können zunächst dem Inhaber einer anderen eingetragenen oder sonst schützenswerten Marke die Ansprüche gemäß § 14 MarkenG auf Unterlassung, Beseitigung oder Schadensersatz zustehen. Denn Ansprüche aus der älteren Marke gegen bösgläubig angemeldete jüngere Marken können entgegen dem gesetzlichen Regelfall nicht verwirkt werden. Der Inhaber einer bösgläubig angemeldeten Marke kann dem Inhaber der älteren Marke nicht entgegenhalten, dieser habe seine Marke trotz Kenntnis der jüngeren Marke über einen langen Zeitraum nicht genutzt (vgl. § 21 MarkenG bzw. Art. 61 UMV).
Darüber hinaus können weitere Ansprüche gegen den Inhaber einer bösgläubig angemeldeten Marke bestehen, insbesondere wegen gezielter Mitbewerberbehinderung nach § 4 Nr. 4 UWG. Eine Behinderung von Wettbewerbern kann sich aus der böswilligen Anmeldung und der darauffolgenden Nutzung einer Marke ergeben. Vom Inhaber der bösgläubig angemeldeten Marke darf nicht nur Unterlassung der Markenverwendung verlangt werden, sondern auch Einwilligung in die Löschung aus dem Markenregister (BGH, Urteil vom 10.08.2000, Az. I ZR 283/97 – EQUI 2000). Der wegen einer Markenverletzung in Anspruch genommene Beklagte kann Widerklage mit dem Ziel erheben, die Löschung der Klagemarke wegen ihrer bösgläubigen Anmeldung zu erreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 27.05.2021, Az. I ZR 149/20 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 10.01.2008, Az. I ZR 38/05 – AKADEMIKS; BGH, Urteil vom 08.06.2011, Az. I ZR 41/10 – Werbegeschenke).
Die bloße Benutzung einer Marke durch den bösgläubigen Anmelder reicht nicht für die Durchsetzung eines Anspruchs aus § 4 Nr. 4 UWG wegen wettbewerbswidriger Behinderung allerdings aus. Voraussetzung ist, dass der Inhaber der bösgläubig angemeldeten Marke zielgerichtet gegen Mitbewerber vorgeht. Dann kann einredeweise entgegen gehalten werden, dass auf Seiten des Markeninhabers besondere Umstände vorliegen, die die Geltendmachung des markenrechtlichen Schutzes als eine wettbewerbswidrige Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 4 UWG erscheinen lassen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 26.03.2021, Az. 6 U 11/21 – American Food and Drinks m.V.a. BGH, Urteil vom 15.10.2015, Az. I ZB 69/14 – GLÜCKSPILZ; BGH, Urteil vom 26.06.2008, Az. I ZR 190/05 – EROS; BGH, Urteil vom 12.07.2007, Az. I ZR 148/04 – CORDARONE). Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass ein Zeichenanmelder die mit der Eintragung des Zeichens verbundene Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfs einsetzt (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2005, Az. I ZR 45/03 – Russisches Schaumgebäck; OLG Frankfurt, Urteil vom 27.10.2011, Az. 6 U 179/10). Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich angenommen, dass bei einer böswillig angemeldeten Marke dem Unterlassungsanspruch der Einwand des § 4 Nr. 4 UWG entgegen gehalten werden kann, auch wenn Löschungsansprüche nicht bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2015, Az. I ZB 44/14 – LIQUIDROM).
Exkurs zur unlauteren Behinderung von Mitbewerbern nach § 4 Nr. 4 UWG (vgl. OLG Köln, Urteil vom 26.03.2021, Az. 6 U 11/21 – American Food and Drinks).
Eine Behinderung liegt vor, wenn die wettbewerbliche Entfaltungsmöglichkeit des Mitbewerbers beeinträchtigt wird. Das setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist.
Unlauter ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit beurteilen (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2017, Az. I ZR 210/16 – Portierungs-Auftrag; BGH, Urteil vom 21.02.2002, Az. I ZR 281/99 – Vanity-Nummer). Hierzu zählen alle Wettbewerbsparameter, wie der Absatz, wobei die Eignung zur Behinderung ausreicht, auch wenn diese noch nicht eingetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2017, Az. I ZR 210/16 – Portierungs-Auftrag; Köhler in Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 39. Auflage, § 4 Nr. 4 Rn. 4.6).
Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht in erster Linie auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2008, Az. I ZR 190/05 – EROS). Hierbei sind auch die gesetzlichen Wertungen zu berücksichtigen, insbesondere das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. Das Interesse des Handelnden kann allerdings zurücktreten, wenn dieses weniger schutzwürdig ist als das Interesse des Gegenübers oder der Allgemeinheit (vgl. Köhler in Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 39. Auflage, § 4 Nr. 4 Rn. 4.11 m.w.N.). Hat eine Handlung bei objektiver Betrachtung nachteilige Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen, die so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen, dann ist diese ebenfalls als unlauter anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 11.01.2007, Az. I ZR 96/04 – Außendienstmitarbeiter).
Auch wer bereits vom Inhaber einer bösgläubig angemeldeten Marke erfolgreich in Anspruch genommen wurde, kann sich noch wehren. Wer zu seiner Verteidigung Aufwendungen getätigt hat, zum Beispiel anwaltliche Verteidigungskosten, kann nach § 826 BGB Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verlangen.
“Die Schaffung der Gefahr von Verwechslungen durch Anmeldung einer Marke ohne eigenes Nutzungsinteresse zum bloßen Zwecke, daraus Kapital zu schlagen, stellt eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung desjenigen dar, der in Unkenntnis des Vorliegens einer Spekulationsmarke eine Unterlassungserklärung abgegeben hat” (OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.06.2010, Az. I-20 U 199/09 – Spekulationsmarke).
Ansprüche gegen einen bösgläubigen Markeninhaber können per Widerklage geltend gemacht werden. Wird die bösgläubige Anmeldung einer Unionsmarke im Prozess entgegengehalten, kann das mit der Entscheidung befasste Unionsmarkengericht selbst die Marke für nichtig erklären. Hierbei ist zu beachten, dass es sich bei der Zuständigkeit der Unionsmarkengerichte um einen ausschließlichen Gerichtsstand handelt.
VII. Rechtsfolgen einer bösgläubigen Markenanmeldung
Ist festgestellt, dass Markeninhaber bei der Anmeldung bösgläubig war, können zukünftig keine Rechte mehr aus ihr hergeleitet werden. Mit der Nichtigkeit ist gleichzeitig festgestellt, dass markenmäßige Rechte nie bestanden haben.
Wurde eine nationale Marke wegen Bösgläubigkeit für nichtig erklärt, hat dies Auswirkungen auf eine identische Unionsmarke. In diesem Fall steht die national festgestellte Bösgläubigkeit der Rechtmäßigkeit der identischen Unionsmarke entgegen. Hierauf kann der Einwand einer bösgläubiger Anmeldung der Unionsmarke gestützt werden. Aus einer bösgläubig angemeldeten Unionsmarke folgt hingegen nicht zwingend die bösgläubige Anmeldung einer parallel angemeldeten nationalen Marke (Schoene, in: Beck-Onlinekommentar, Markenrecht, § 8 MarkenG, Rz. 971).
Eine Marke kann als teilweise bösgläubig angemeldet behandelt werden. Liegt beispielsweise die Benutzungsabsicht einer Marke nur für einen Teil der für sie eingetragenen Waren- und Produktklassen vor, wird die Bösgläubigkeit nur für diesen Teil erklärt. Für die benutzten Warenklassen bleibt die Marke weiter bestehen (vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2020, Az. C-371/18 – SkyKick).
VIII. Darlegungs- und Beweislast
Wer gegen eine fremde Markenanmeldung ein Nichtigkeitsverfahren vor dem DPMA wegen Bösgläubigkeit betreibt, trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast, da dem Markenamt die Beweismittel für die unredliche Anmeldung der Marke regelmäßig nicht vorliegen werden (vgl. BPatG, Beschluss vom 17.09.2020, Az. 28 W (pat) 19/18 – BUBBLES; EuG, Urteil vom 21.05.2015, Az. T-635/14; EuG, Urteil vom 16.05.2017, Az. T-107/16 – AIR HOLE).
Weil für das Amt die Nichtigkeitsgründe ersichtlich sein müssen, ist in Zweifelsfällen nicht von einer bösgläubigen Markenanmeldung auszugehen (BPatG, Beschluss vom 15.11.2017, Az. 29 W (pat) 16/14 – YOU & ME). Deshalb müssen im Rahmen des Nichtigkeitsantrags alle erforderlichen Tatsachen und Beweismittel mit angegeben werden.
Für Nichtigkeitsverfahren vor dem EUIPO gilt, dass die Gutgläubigkeit bis zum Beweis des Gegenteils vermutet wird (EuG, Urteil vom 16.06.2021, Az. T-678/19 – Enterosgel; EuG, Urteil vom 13.12.2012, Az. T-136/11 – Pelikan). Der Antragsteller ist den Beweis der Bösgläubigkeit der angemeldeten Marke schuldig. Er muss die Umstände belegen, die die behauptete Bösgläubigkeit stützen. Wenn diese Umstände die Gutgläubigkeit der Markenanmeldung widerlegen, obliegt es dem Markeninhaber, plausibel die Ziele der Markenanmeldung und deren unternehmerische Logik zum Zeitpunkt der Anmeldung zu erklären (vgl. EuG, Urteil vom 07.09.2022, Az. T-627/21 – MONSOON).
Im Rahmen der Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadenersatzforderungen oder der Verteidigung mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs gilt das zivilrechtliche Günstigkeitsprinzip. Wer sich auf einen ihm günstigen Umstand beruft, muss diesen darlegen und wenn nötig beweisen. Auf dieser Grundlage nimmt das Gericht dann die gebotene Gesamtabwägung vor.
Wer Marken für eine Vielzahl von Waren angemeldet hat und sich auf die Rechtmäßigkeit der Markenregistrierung beruft, den kann im Ernstfall eine sekundäre Darlegungslast treffen. Diese Gefahr besteht vor allem dann, wenn aus objektiver Sicht hinter der Vielzahl von Markenanmeldungen kein einheitliches Konzept ersichtlich ist. Dann muss der Anmeldende nachvollziehbare Gründe und Motivationen zur streitigen Markenanmeldung vorbringen. Gelingt ihm dies nicht, wird man regelmäßig von Spekulationsmarken auszugehen haben (vgl. BGH, Urteil vom 23.10.2019, Az. I ZR 46/19 – DA VINCI).
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Hinweis: Dieser Beitrag wurde unter Mitwirkung unseres Referendars Torben Ueckermann erstellt.