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Gesundheitsbezogene Werbung

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Gesundheitsbezogene Werbung hat starken Einfluss auf die Kaufentscheidung. Um sicherzustellen, dass beworbene Produkte tatsächlich die Wirkung aufzeigen, die angepriesen wird, ist rechtliche Regulierung wichtig.

Rechtsanwalt Niklas Plutte
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

rechtsanwalt oliver wolf

Rechtsanwalt Oliver Wolf, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

Haben Sie rechtliche Fragen zu gesundheitsbezogener Werbung? Unsere Anwälte beraten Sie gerne, beispielsweise zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen. Nutzen Sie unsere kostenlose Ersteinschätzung.

1. Was ist gesundheitsbezogene Werbung?

Gesundheitsbezogene Werbeaussagen suggerieren einen Wirkzusammenhang zwischen dem Konsum oder der Nutzung des Produkts und der Gesundheit des Anwenders (OLG Celle, Hinweisbeschluss vom 03.02.2022, Az. 13 U 75/21). Gleiches gilt für Produkte, die sich förderlich auf die Gesundheit von (Haus-)Tieren auswirken sollen (LG Potsdam, Urteil vom 07.05.2024, Az. 52 O 44/24).

Gesundheitsbezogene Werbeaussagen können unterschiedliche Zielrichtungen haben: Geworben wird beispielsweise mit Inhaltsstoffen, die gesundheitliche Beschwerden wie Stress oder Schlafstörungen lindern würden oder weniger schädlich sind als vergleichbare Produkte. Auch gewichtsreduzierende Wirkungen oder Aussagen über die Verringerung von Falten, wenn damit eine Steigerung körperlicher Funktionen beschrieben wird, sind gesundheitsbezogen. Darüber hinaus kann die Silbe „med“ im Zusammenhang mit dem Produktnamen auf eine medizinische Wirkung des Produkts hindeuten (BGH, Urteil vom 07.03.1969, Az. I ZR 41/67).

Entscheidend ist, welchen Eindruck die Werbeaussage bei einem Durchschnittsverbraucher hervorruft (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.11.2021, Az. 2 U 49/21). Fasst der Durchschnittsverbraucher die Werbung als gesundheitsbezogene Werbeaussage und nicht bloß als übertriebene oder gehaltlose Anpreisung im Sinne von „Wellness“ auf, ist sie als gesundheitsbezogene Werbung zu behandeln (OLG München, Urteil vom 04.05.2023, Az. 29 U 458/22).

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2. Allgemeine Anforderungen an gesundheitsbezogene Werbung

Produkte, die mit einer Förderung der Gesundheit beworben werden, müssen eine solche Gesundheitsförderung auch tatsächlich bewirken. Ansonsten droht eine Irreführung der Verbraucher und ein unbilliger Vorteil für den Werbenden, der keinen Vorteil auf dem Markt haben soll, indem er seinen Produkten Wirkungen zuspricht, die in Wirklichkeit gar nicht eintreten. Gleichzeitig soll die Gesundheit der Konsumenten geschützt und bewahrt werden.

An die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit von gesundheitsbezogenen Werbeanzeigen werden von der Rechtsprechung daher besonders hohe Anforderungen gestellt (BGH, Urteil vom 06.02.2013, Az. I ZR 62/11; LG Berlin, Urteil vom 28.04.2021, Az. 97 O 31/21).

Diese werden beispielsweise nicht erfüllt, wenn mit Aussagen geworben wird, die sich nicht auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen lassen (BGH, Urteil vom 06.02.2013, Az. I ZR 62/11). Der Stand der Wissenschaft, auf den sich die gesundheitsbezogene Aussage stützt, muss bereits zum Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein. Ein nachträglich eingeholtes Gutachten reicht nicht aus, um den Vorwurf zu entkräften, dass die Werbeaussage nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhte (LG Kempten, Urteil vom 20.04.2023, Az. 1 HK O 149/22). Unzulässig ist es auch, mit einer fachlich umstrittenen Meinung zu werben, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen (BGH, Urteil vom 07.03.1991, Az. I ZR 127/89). Wer so wirbt, übernimmt als Werbender die Verantwortung dafür, dass seine Angaben objektiv richtig sind, was er beweisen können muss (LG Kempten, Urteil vom 20.04.2023, Az. 1 HK O 149/22). Auch unspezifische Behauptungen können unzulässig sein, beispielsweise, dass ein bestimmter Inhaltsstoff dem Körper guttut, ohne dass diese Wirkung näher eingegrenzt wird (LG Köln, Urteil vom 15.12.2020, Az. 31 O 73/20).

Für bestimmte Produktkategorien existieren spezielle Gesetze, die sich mit der Regulierung von gesundheitsbezogener Werbung befassen. So gilt für Arzneimittel das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Lebensmittel, die eine gesundheitsfördernde Wirkung haben sollen, fallen unter die Health-Claims-Verordnung (HCVO). Produktunabhängig ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beachten.

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3. Belege durch Studien

Fachliche Aussagen, die gesundheitsbezogene Werbung betreffen, müssen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen belegt werden (BGH, Urteil vom 07.05.2017, Az. I ZR 29/14). Lässt sich die gesundheitsbezogene Wirkung eines Produktes nicht mit wissenschaftlichen Erkenntnissen belegen, liegt eine Irreführung vor (OLG München, Urteil vom 04.05.2023, Az. 29 U 458/22; LG Stuttgart, Urteil vom 11.01.2021, Az. 37 O 40/20 KfH).

Die Rechtsprechung hat Kriterien entwickelt, was beim Beleg von gesundheitsbezogenen Werbeaussagen durch Studien zu beachten ist (sog. Grundsatz der Zitatwahrheit).

Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Zitatwahrheit ist gegeben, wenn die Werbeaussage auf Studien gestützt wird, die diese Aussage nicht tragen. Das ist der Fall, wenn die angeführte Studie den Anforderungen an einen hinreichenden wissenschaftlichen Beleg nicht entspricht. Das gleiche gilt, wenn die Studie selbst von abweichenden Studienergebnissen spricht oder die Werbeaussage gar nicht für bewiesen hält. Irreführung liegt auch dann vor, wenn die Studie nur eine vorsichtige Bewertung der Ergebnisse vornimmt, die Werbung diese Einschränkung aber nicht widerspiegelt (BGH, Urteil vom 06.02.2013, Az. I ZR 62/11).

Beispiel: Wurde zwar belegt, dass ein Umfeld aus Zirbenholz, bestehend aus einem Zirbenholzzimmer und einem Zirbenholzbett, positive Auswirkungen auf Probanden hatte, das fragliche Produkt allerdings ein Zirbenholz-Raumspray ist, liegt Irreführung im Sinne des § 5 UWG vor (OLG München, Urteil vom 04.05.2023, Az. 29 U 458/22).

Die Darlegungslast und Beweislast dafür, dass kein wissenschaftlicher Beleg für die gesundheitsbezogene Aussage vorliegt, liegt grundsätzlich beim Kläger, der auf Unterlassung der Werbung klagt (Kammergericht, Urteil vom 03.12.2024, Az. 5 U 9/24). Ausreichend für eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast ist, wenn der Kläger darlegt und beweist, dass der Beleg, auf den sich der Werbende stützt, die Werbeaussage nicht trägt oder eine tragfähige wissenschaftliche Grundlage fehlt (OLG München, Urteil vom 04.05.2023, Az. 29 U 458/22). Eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast kommt ebenfalls in Betracht, wenn der Werbende mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben hat, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen. Der Werbende übernimmt in einem derartigen Fall dadurch, dass er eine bestimmte Aussage trifft, die Verantwortung für die Richtigkeit, die er im Streitfall auch beweisen muss. Ob die beanstandete Aussage wissenschaftlich umstritten ist, muss wiederum vom Kläger dargelegt und bewiesen werden. Eine entsprechende Umkehr der Darlegungs- und Beweislast gilt, wenn der Kläger darlegt und nachweist, dass nach der wissenschaftlichen Diskussion die Grundlagen, auf die der Werbende sich stützt, seine Aussage nicht rechtfertigen oder sogar jegliche tragfähige wissenschaftliche Grundlage für die Behauptung fehlt (BGH, Urteil vom 06.02.2013, Az. I ZR 62/11Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; BGH, Urteil vom 05.11.2020, Az. I ZR 204/19Sinupret; Kammergericht, Urteil vom 19.06.2015, Az. 5 U 120/13).

Welche Anforderungen an den Nachweis einer gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis zu stellen sind, hängt von den im Wesentlichen tatrichterlich zu würdigenden Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind Studienergebnisse, die in der Werbung oder im Prozess als Beleg einer gesundheitsbezogenen Aussage angeführt werden, grundsätzlich nur dann hinreichend aussagekräftig, wenn sie nach den anerkannten Regeln und Grundsätzen wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Dafür ist im Regelfall erforderlich, dass eine randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit einer adäquaten statistischen Auswertung vorliegt, die durch Veröffentlichung in den Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden ist (BGH, Urteil vom 06.02.2013, Az. I ZR 62/11Basisinsulin mit Gewichtsvorteil; BGH, Urteil vom 05.11.2020, Az. I ZR 204/19, NJW 2021, 1676Sinupret). Die wissenschaftliche Absicherung des Wirkungsversprechens muss bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein; ein etwa erst nachträglich eingeholtes Sachverständigengutachten könnte nämlich den Vorwurf nicht entkräften, mit einer im Zeitpunkt der Werbung nicht belegten Aussage geworben zu haben (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2020, Az. I ZR 204/19Sinupret, m.w.N.).

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4. Wettbewerbsrecht

Gesundheitsbezogene Werbung wird durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) begrenzt. Sind speziellere Gesetze einschlägig, können sie die allgemeineren Regelungen des UWG verdrängen (z.B. die Health-Claims-Verordnung im Verhältnis von Unternehmen zu Konsumenten) oder die Gesetze sind nebeneinander anwendbar.

Im Kontext von gesundheitsbezogener Werbung sind §§ 3, 5 Abs. 1. Abs. 2 Nr. 1 UWG und §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit Normen außerhalb des UWG zu beachten.

  • Ein Verstoß gegen §§ 3, 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UWG ist bei irreführenden geschäftlichen Handlungen gegeben. Eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des Abs. 2 Nr. 1 sind unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware wie etwa Vorteile. Dazu zählen auch unzutreffende gesundheitsbezogene Werbeaussagen. Ausgangspunkt ist das Verständnis eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Werbeadressaten. Ob eine Irreführung vorliegt, ist danach zu bestimmen, wie der durchschnittliche Werbeadressat die Werbeaussage aufgrund ihres Gesamteindrucks im Gesamtkontext verstehen muss (OLG München, Urteil vom 04.05.2023, Az. 29 U 458/22).
  • § 3a UWG richtet sich an Verstöße von Normen außerhalb des UWG, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Außerdem muss der Verstoß geeignet sein, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Hier werden vor allem die Normen spezieller Gesetze wie das Heilmittelwerbegesetz oder die Health-Claim-Verordnung relevant. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften ist entsprechend über § 3a UWG auch ein Verstoß gegen Lauterkeitsrecht.

Auf ein Verschulden oder eine Täuschungsabsicht kommt es nicht an (OLG Koblenz, Urteil vom 03.02.2021, Az. 9 U 809/20).

Bei einem Verstoß gegen Vorschriften des UWG drohen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche (§ 8 UWG) und Schadensersatzansprüche (§ 9 UWG). Nebenfolge ist eine Pflicht des Abgemahnten, erforderliche außergerichtliche anwaltliche Abmahnkosten zu ersetzen.

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5. Arzneimittel und Heilmittel

Gesundheitsbezogene Werbeaussagen bezüglich Arznei- und Heilmitteln sind am allgemeinen Irreführungsverbot (§ 5 UWG) sowie den speziellen Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) zu messen. Neben dem allgemeinen Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor schädlichen Mitteln sollen Kranke vor der Anwendung wirkungsloser (Heil-)Mittel geschützt werden.

a. Allgemeines Irreführungsverbot des UWG

Therapeutische Wirkaussagen sind irreführend im Sinne des § 5 UWG, wenn sie nicht mit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen belegt sind (OLG München, Urteil vom 04.05.2023, Az. 29 U 458/22).

Zur Beurteilung der Irreführungsgefahr ist nicht auf das Verständnis des ggf. ebenfalls angesprochenen Fachkreises abzustellen. Bezugspunkt ist der Durchschnittsverbraucher, der nicht medizinisch vorgebildet ist.

Beispiel: Die Werbeaussage „schnelle Wundheilung“ verstehen Fachkreise als möglichst ungestörten und gut ineinandergreifend hintereinander ablaufenden physiologischen Heilungsprozess. Der Durchschnittsverbraucher stellt bei dieser Werbeaussage dagegen allein auf die Geschwindigkeit der Wundheilung zu jeder Phase des Heilungsprozesses ab. Liegt kein wissenschaftlicher Beleg für eine erhöhte Geschwindigkeit während der gesamten Dauer des Wundheilungsprozesses vor, ist die Werbeaussage aus rechtlicher Perspektive nicht wissenschaftlich belegt und damit irreführend. Gleichgültig ist, ob ein Beleg für eine schnellere Wundheilung in einer einzelnen Phase des Heilungsprozesses gegeben ist (OLG Hamm, Urteil vom 12.01.2023, Az. 4 U 45/20).

In Bezug auf die Unmissverständlichkeit und Klarheit der Werbeaussage für Arznei und Heilmittel gelten hohe Anforderungen. So entschied der BGH beispielsweise, dass die Werbeaussage „bewährt auch bei […] Grippe“ sich aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers auf die Bekämpfung der Ursache der Grippe bezieht und nicht lediglich auf die Linderung der Symptome (BGH, Urteil vom 20.01.1983, Az. I ZR 183/80).

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b. Heilmittelwerbegesetz (HWG)

§ 3 HWG statuiert ein Verbot irreführender Werbung. Die Vorschrift stellt eine Ausprägung des allgemeinen Irrführungsverbots der §§ 5, 5a UWG für den Bereich des Heilmittelrechts dar (vgl. Spickhoff/Fritzsche, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 3 HWG Rn. 1). Es handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG, da diese Bestimmung den Schutz der menschlichen Gesundheit und damit den Verbraucherschutz bezweckt (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2015, Az. I ZR 29/14Äquipotenzangabe in Fachinformation). § 3a UWG wird nicht durch den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG verdrängt. Ist der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG definierte Anwendungsbereich eröffnet, ist allerdings für die lauterkeitsrechtliche Anwendung von Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG nur Raum, sofern die Richtlinie den von der Marktverhaltensregelung betroffenen Bereich nach den übrigen Absätzen des Art. 3 unberührt lässt (vgl. BGH, Urteil vom 29.05.2024,Az. I ZR 43/23Hydra Energy m.w.N. sowie Kammergericht, Urteil vom 03.12.2024, Az. 5 U 9/24).

Wann eine Irreführung vorliegt, ist in § 3 HWG in einer nicht abschließenden Auflistung von Beispielen dargestellt. Hiernach liegt eine Irreführung im Sinne von § 3 Satz 1 HWG insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben (§ 3 Satz 2 Nr. 1 HWG). Das gleiche gilt für Werbung, in der die Heilungschancen des Produktes überhöht dargestellt werden (§ 3 Satz 2 Nr. 2 HWG) oder falsche bzw. täuschende Angaben zum Produkt getätigt werden (§ 3 Satz 2 Nr. 3 HWG).

Mit dem im Heilmittelwerbegesetz nicht definierten Begriff der „therapeutischen Wirksamkeit“ wird der therapeutische Erfolg der Wirkung eines Heilmittels auf bestimmten Anwendungsgebieten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch beschrieben, während der Begriff der „Wirkungen“ generell Aussagen über die tatsächlichen oder gewünschten Folgen der Anwendung von Heilmitteln im Sinne des § 1 Abs. 1 HWG, ausgenommen Neben- oder Wechselwirkungen, betrifft; eine exakte Unterscheidung zwischen den sich in ihrer Bedeutung überschneidenden Begriffen ist im Rahmen des Irreführungstatbestands des § 3 HWG nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2020, Az. I ZR 204/19Sinupret, m.w.N.). Für die Frage, wie eine Werbung verstanden wird, ist – auch im Heilmittelrecht – auf die Sichtweise eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Werbeadressaten abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2020, Az. I ZR 204/19Sinupret, m.w.N.).

Beispiel Osteopathie: Die Bekanntmachung der Bundesärztekammer vom 28. August 2009 über die Wissenschaftliche Bewertung osteopathischer Verfahren belegt auch weiterhin, dass die therapeutische Wirksamkeit einer osteopathischen Behandlung allgemein fachlich umstritten ist. Dies hat zur Folge, dass der Werbende, der bei einem verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervorruft, durch die beworbene osteopathische Behandlung seien bestimmte therapeutische Erfolge zu erzielen, ohne dass die Aussage durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis auf die Gegenmeinung abgeschwächt wird, im gerichtlichen Verfahren eine therapeutische Wirksamkeit der Behandlung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen – bzw. im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung glaubhaft zu machen – hat. Mit Vortrag, seit dem Jahr 2009 habe sich die Datenlage verbessert und seither sei eine Vielzahl (auch) randomisierter kontrollierter Studien hinzugekommen, genügt der Werbende seiner Darlegungslast nicht (Kammergericht, Urteil vom 03.12.2024, Az. 5 U 9/24; Kammergericht, Urteil vom 19.06.2015, Az. 5 U 120/13; Kammergericht, Urteil vom 22.02.2017, Az. 5 U 139/16).

Vom Kammergericht wurden daher in der Entscheidung vom 03.12.2024 (Az. 5 U 9/24) unter anderem folgende Werbeaussage einer Osteopathin wegen Irreführung verboten:

„Die durch die Schwangerschaft bedingten Umstellungen können sich in den verschiedenen Bereichen des Körpers bemerkbar machen. Eine osteopathische Behandlung kann hier eine deutliche Erleichterung schaffen. Zudem wird durch das Lösen von Blockierungen dem ungeborenen Kind eine möglichst gute Umgebung für seine Entwicklung geschaffen und bestmögliche Voraussetzungen für eine komplikationslose Entbindung“

“Da traumatische Ereignisse oftmals auch ohne die Anwesenheit der Eltern oder einer anderen Person stattfinden, macht es Sinn sein Kind in regelmäßigen Abständen von einem Osteopathen untersuchen und behandeln zu lassen, um es so in seiner Entwicklung bestmöglich zu unterstützen.”

“Sinnvoll ist eine osteopathische Behandlung auch bei der Durchführung einer kieferorthopädischen Behandlung, sei es durch eine festsitzende Zahnspange oder durch flexible Maßnahmen. Die osteopathische Behandlung kann dabei die Tragedauer der Zahnspange deutlich verkürzen und evtl. Nebenwirkungen der Zahnspange abmildern.”

Wird der Eindruck erweckt, das Produkt habe keine schädlichen Nebenwirkungen, liegt Irreführung im Sinne von § 3 Satz 2 b) HWG vor.

Darüber hinaus sind § 4 HWG allgemeine inhaltliche Anforderungen für Arzneimittelwerbung zu entnehmen. Die Werbung muss unter anderem die Bezeichnung des Arzneimittels, die Anwendungsbereiche und Nebenwirkungen nennen. Auch muss der Hinweistext „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke“ gut wahrnehmbar wiedergegeben werden.

Für Arzneimittel, die zulassungspflichtig sind und nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen wurden, gilt ein Werbeverbot (§ 3a HWG).

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6. Lebensmittel

Bei gesundheitsbezogenen Angaben in der Lebensmittelwerbung ist neben dem allgemeinen Wettbewerbsrecht die Health-Claims-Verordnung (HCVO) (HCVO) zu beachten. Die HCVO stellt einen EU-weit einheitlichen Standard für die Kennzeichnung und Aufmachung von gesundheits- und nährstoffbezogenen Angaben für Lebensmittel her. Sie bezieht sich insbesondere auf die Kennzeichnung auf dem Produkt selbst und die Darstellung des Lebensmittels in der Werbung.

a. Health-Claims-Verordnung (HCVO)

Die HCVO gibt den Grundsatz vor, dass gesundheitsbezogene Angaben bei Lebensmitteln verboten sind, wenn die Anforderungen der HCVO nicht erfüllt sind (Art. 10 Abs. 1 HCVO).

In Kapitel II HCVO sind allgemeine Anforderungen zur Kennzeichnung und Aufmachung mit Bezug zur Gesundheit oder Nährwerten von Lebensmittel zu finden. Demnach dürfen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben nicht irreführend, mehrdeutig oder falsch sein (Art. 3 Abs. 2 lit. a HCVO). Außerdem dürfen keine Texte oder Darstellungen verwendet werden, die auf Veränderungen bei Körperfunktionen Bezug nehmen, die beim Verbraucher Ängste auslösen können (Art. 3 Abs. 2 e) HCVO). Der Inhaltsstoff, auf den sich die gesundheitsbezogene Aussage bezieht, muss auch in einer signifikanten Menge im Lebensmittel enthalten sein (Art. 5 Abs. 1 b) HCVO).

In Kapitel IV HCVO befinden sich spezielle Anforderungen an gesundheitsbezogene Angaben. Lebensmittelwerbung muss einen Hinweis auf die Bedeutung von abwechslungsreicher und ausgewogener Ernährung und einer gesunden Lebensweise enthalten (Art. 10 Abs. 2 a) HCVO). Falls von dem Lebensmittel bei übermäßigem Verzehr eine Gesundheitsgefahr ausgeht, muss dies auch entsprechend gekennzeichnet werden (Art. 10 Abs. 2 d) HCVO). Art. 12 HCVO nennt unzulässige gesundheitsbezogene Angaben. Hierzu zählen z.B. Angaben, die den Eindruck erwecken, dass die Gesundheit durch Verzicht auf das Lebensmittel beeinträchtigt wird.

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b. Liste der zugelassenen Angaben

Darüber hinaus müssen gesundheitsbezogene Angaben von Lebensmitteln gemäß der HCVO zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gem. Art. 13 und 14 HCVO aufgenommen worden sein (Art. 10 Abs. 1 HCVO).

Sogenannte „Claims“, also Behauptungen über die gesundheitsbezogene Wirkung, konnten von den Mitgliedstaaten bis zum 19.01.2008 beantragt werden. Neue Claims können über eine Onlineplattform der EU beantragt werden. Die Claims werden anschließend von den zuständigen Behörden bewertet und, soweit sie zutreffende Angaben enthalten, von der Europäischen Kommission verabschiedet. Damit ist sichergestellt, dass die in der Liste aufgenommenen gesundheitsbezogenen Behauptungen wissenschaftlich belegt sind. In der hier zu findenden Liste werden einem Inhaltsstoff (z.B. Vitamin C) oder einem Lebensmittel (z.B. zuckerfreier Kaugummi) die zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben – ggf. mit Bedingungen oder Beschränkungen – zugeordnet.

Die gesundheitsbezogene Angabe eines Produktes mit mehreren Inhaltsstoffen muss deutlich machen, welcher Inhaltsstoff der Liste die angepriesene Wirkung hervorruft (BGH, Urteil vom 07.04.2016, Az. I ZR 81/15).

Für einige Inhaltsstoffe ist kein Claim beantragt worden, oder die Beantragung ist noch im Bearbeitungsprozess. Das ist beispielsweise der Fall bei pflanzlichen Stoffen (sog. „Botanicals“). Botanicals sind häufig in Nahrungsergänzungsmitteln zu finden.

Wurde die Bearbeitung des Claims von der Kommission angehalten („on hold“ gesetzt), richtet sich die Verwendung der gesundheitsbezogenen Behauptung nach den Übergangsvorschriften des Art. 28 Abs. 5 oder Abs. 6 HCVO.

Für Botanticals gilt, dass gesundheitsbezogene Angaben nach den Übergangsvorschriften nur dann verwendet werden können, wenn der Claim in einer Liste von noch nicht entschiedenen Claims zu finden ist. Dieses Verfahren ist nicht unumstritten, da die Bewertung der Claims hinsichtlich Botanicals von der Kommission bis auf Weiteres ausgesetzt wurde. Das führt zu Rechtsunsicherheit für betroffene Hersteller.

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7. Genussmittel

Für gesundheitsbezogene Werbung für Genussmittel wie Alkohol oder Tabakerzeugnisse bzw. Alternativprodukte wie e-Zigaretten oder Liquids gelten strenge Regeln.

Gesundheitsbezogene Werbung für Genussmittel ist in den Grenzen des allgemeinen Irreführungsverbots des § 5 UWG und des § 3a UWG in Verbindung mit den speziellen Vorschriften des Tabakerzeugnisgesetzes (TabakerzG) für Zigaretten und Alternativprodukte und der Health-Claims-Verordnung (HCVO) für alkoholhaltige Lebensmittel zulässig.

In Bezug auf Genussmittel ist eine weitere Ausprägung des Begriffs der gesundheitsbezogenen Angaben zu beachten: Unter den Begriff der gesundheitsbezogenen Angaben fallen nicht nur Behauptungen, die eine Verbesserung der Gesundheit in Aussicht stellen. Auch Angaben, die zum Ausdruck bringen, dass der Konsum nicht gesundheitsschädlich ist, sind gesundheitsbezogen (BGH, Urteil vom 17.05.2018, Az. I ZR 252/16; OLG Frankfurt, Urteil vom 27.02.2014, Az. 6 U 244/12).

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a. Alkohol

Für alkoholische Getränke mit einem Alkoholgehalt von über 1,2 Volumenprozent gilt, dass diese gemäß Art. 4 Abs. 3 Satz 1 HCVO keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen dürfen. Dieses Verbot bezieht sich nicht nur auf die Kennzeichnung am Produkt selbst, sondern auch auf die Darstellung des Produktes in der Werbung (BGH, Urteil vom 17.05.2018, Az. I ZR 252/16). Hintergrund ist, dass alkoholische Getränke wegen ihrer schädigenden Wirkung und ihres Missbrauchspotenzial an besonders strengen Regeln zu messen sind (EuGH, Urteil vom 06.09.2012, Az. C-544/10).

Beispiel 1: Bier darf nicht mit dem Adjektiv „bekömmlich“ beworben werden darf. Der Durchschnittverbraucher versteht darunter nicht bloß eine Beschreibung des Geschmacks oder einen Ausdruck des allgemeinen Wohlbefindens. Stattdessen schreibt er einem mit dem Wort „bekömmlich“ beworbenen Bier einen positiven Effekt auf die Verdauung zu. Dadurch wird ein Wirkzusammenhang zwischen dem Konsum des Biers und einer Körperfunktion nahegelegt. Somit handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Aussage (vgl. BGH, Urteil vom 17.05.2018, Az. I ZR 252/16).

Beispiel 2: Durch die Verwendung des Begriffs „wohltuend“ als werbliche Beschreibung eines Kräuterlikörs wird ebenfalls eine Verbesserung des Gesundheitszustands des Konsumenten suggeriert (vgl. BGH, Beschluss vom 13.01.2011, Az. I ZR 22/09).

Beide Begriffe stellen in Bezug auf alkoholische Getränke gesundheitsbezogene Aussagen dar und dürfen daher nicht werbend verwendet werden.

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b. Tabakerzeugnisse und verwandte Produkte

§ 18 TabakerzG verbietet das Vertreiben von Tabakerzeugnissen mit irreführenden werblichen Informationen auf Packung, Außenverpackung oder am Produkt selbst.

Eine Irreführung im Sinne dieses Gesetzes ist gegeben, wenn die werbliche Aussage den Tabakerzeugnissen gesundheitliche Wirkungen zuschreibt, die ihnen nach gesichertem wissenschaftlichen Stand der Wissenschaft nicht zukommen (§ 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 TabakerzG). Das gleiche gilt für Werbeaussagen, die den Eindruck erwecken, das Produkt sei weniger schädlich als andere Tabakerzeugnisse (§ 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 TabakerzG). Nach § 18 Abs. 4 TabakerzG ist die Vorschrift im Wesentlichen auch auf e-Zigaretten und deren Nachfüllbehälter anzuwenden.

Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 TabakerzG sind sämtliche Werbeaussagen verboten, die nahelegen, dass das Tabakerzeugnis gesundheitlich unbedenklich ist oder Körperfunktionen, die Leistungsfähigkeit oder das Wohlbefinden positiv beeinflusst. Anders als § 18 TabakerzG beschränkt sich § 21 TabakerzG nicht auf die Werbung auf der Verpackung, Außenverpackung oder am Produkt selbst. § 21 gilt nicht für Alternativprodukte wie e-Zigaretten und Liquids (OLG Koblenz, Urteil vom 03.02.2021, Az. 9 U 809/20).

Auch Werbeaussagen mit zutreffendem Inhalt können irreführend sein: Die Werbeaussage, eine e-Zigarette enthalte keine krebserregenden Stoffe, wurde vom BGH als irreführend im Sinne des § 5 UWG eingestuft. Hintergrund ist, dass hier Werbung mit einer Selbstverständlichkeit vorliegt. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 3 TabakerzG dürfen e-Zigaretten, mit Ausnahme von Nikotin, nur mit solchen Stoffen hergestellt werden, von denen kein Gesundheitsrisiko ausgeht. Die Werbeaussage hat sich also auf einen Umstand bezogen, der ohnehin gesetzlich vorgeschrieben ist (BGH, Urteil vom 11.07.2024, Az. I ZR 164/23).

Eine Irreführung nach § 5 UWG liegt ebenfalls vor, wenn mit Aussagen geworben wird, die den Eindruck erwecken, das Rauchen der e-Zigarette wäre gesundheitlich unbedenklich. Das wurde für die Begrifflichkeiten „Verschnaufpause“ oder „Schonung der Lunge“ bejaht (OLG Frankfurt, Urteil vom 27.02.2014, Az. 6 U 244/12).

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Hinweis: Dieser Beitrag wurde unter Mitwirkung unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Laura Hellfeuer erstellt.

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Autor: Niklas Plutte

Niklas Plutte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz mit Sitz in Mainz. Folgen Sie ihm bei Twitter, Facebook und LinkedIn!

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