
Es ist rechtsmissbräuchlich, Firmen kommerziell auf DSGVO-Verstöße hinzuweisen samt kostenpflichtiger „Lösung“, um bei Ablehnung persönliche DSGVO-Forderungen geltend zu machen (AG Mainz, Urteil vom 27.03.2025, Az. 88 C 200/24).
Geschäftsidee: Beanstandung von DSGVO-Verstößen plus „Lösung“
Ein als Einzelunternehmer tätiger, auf Zahnärzte spezialisierter Onlinemarketer besuchte zahlreiche Websites von Zahnärzten und schickte diesen im Anschluss werbliche E-Mails, in denen er DSGVO-Verstöße rügte und den Zahnärzten gleichzeitig als „Lösung“ anbot, eine cookiefreie und DSGVO-konforme Webpräsenz auf einem deutschem Server zu erstellen.
Witzigerweise war das Spam, da vorherige ausdrückliche Erlaubnisse der Zahnärzte für derartige E-Mailwerbung fehlten.
Reagierte die angeschriebene Zahnarztpraxis nicht, schrieb der Onlinemarketer sie erneut per E-Mail an und forderte dazu auf, Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO zu erteilen.
Zahlreiche Zahnärzte verweigern Auskunft wegen Rechtsmissbrauchs
Ein Großteil der Zahnärzte wies die Auskunftsforderungen wegen Rechtsmissbrauchs zurück mit der Begründung, sie dienten nicht persönlichen datenschutzrechtlichen Interessen, sondern würden stattdessen als Teil einer Marketingkampagne benutzt, um Druck auszuüben.
Abmahner beauftragt Bruder mit teuren Gutachten
Der Onlinemarketer beauftragte parallel seinen als IT-Forensiker tätigen Bruder mit der Erstellung von „Beweissicherungsgutachten“, welche personenbezogenen Daten durch den jeweiligen Zahnarzt auf dessen Webseite verarbeitet wurden. Die Erstellung der Gutachten stellte der IT-Forensiker seinem Bruder in Rechnung, im hiesigen Fall zum Preis von 1.160,25 Euro brutto.
In der Folge erhob der Onlinemarketer allein am Amtsgericht Mainz 25 gleichgelagerte Klagen gegen Zahnärzte, darüber hinaus mindestens zwei weitere Verfahren am Amtsgericht Darmstadt. Neben dem Anspruch auf Auskunft forderte er in jedem Verfahren Ersatz der Gutachterkosten als angeblich notwendige Beweissicherungsmaßnahmen sowie DSGVO-Schadensersatz in Höhe von jeweils mindestens 100 Euro.
AG Mainz: Klageabweisung wegen Rechtsmissbrauchs
Das Amtsgericht Mainz wie die Klage in dem von unserer Kanzlei betreuten Verfahren wegen Rechtsmissbrauchs ab (§ 242 BGB).
Materiell-rechtlich lägen zwar DSGVO-Verstöße vor, da u.a. die IP-Adresse des Websitebesuchers bei Aufruf der Zahnarztwebseiten an Drittunternehmen weitergeleitet worden sei. Der klagende Onlinemarketer habe die ihm formal nach der DSGVO zustehenden Rechte aber aus sachfremden Motive verfolgt, nämlich zur Generierung von Einkünften.
Aufgedeckte Verstöße gegen die DSGVO habe er genutzt, um Einnahmen zu erzielen, wenn schon nicht durch Abschluss eines Vertrages mit dem jeweiligen Zahnarzt über die Erstellung einer neuen Website, dann doch wenigstens mit der Verfolgung monetärer Ansprüche als Geschäftsmodell in Zusammenarbeit mit seinem Bruder. Ausdrücklich hob das Gericht hervor, es glaube dem Kläger nicht, der vorgegeben hatte, es ginge ihm um den Schutz seiner personenbezogenen Daten.
Die Erstellung der „Beweissicherungsgutachten“ sei nicht erforderlich gewesen, nicht zuletzt, weil der Onlinemarketer seinen Bruder bereits vor Ablauf der gesetzten Frist zur Auskunftserteilung mit der Erstellung beauftragt hatte. Zur Überzeugung des Gerichts standen dem Onlinemarketer im Übrigen ausreichende andere Möglichkeiten zur Verfügung, um eine nicht rechtmäßige Datenverarbeitung belegen zu können, u.a. Screenshots oder Zeugen.
Kommentar von Rechtsanwalt Plutte
„Die Idee, auf DGSVO-Verstöße hinzuweisen und gleich die Lösung des Problems mitzuliefern, ist an sich wohl eine legale Form der Kaltakquise, wenn die Kontaktaufnahme nicht per E-Mail erfolgt, sondern beispielsweise per Post (Rechtsberatung außen vor gelassen). Wer so für seine Leistung wirbt, muss aber damit leben können, beim Wunschkunden abzublitzen. Plötzlich beleidigt Auskunfts- und Schadensersatzforderungen nachzuschieben, ist unseriös. Den eigenen Bruder mit überteuerten und unnötigen Pseudogutachten zu beauftragen, rundet das Bild nur ab.“
Anmerkung: Unsere Kanzlei vertritt mehrere Zahnärzte auf Beklagtenseite. Die Verfahren führt Rechtsanwalt Oliver Wolf.