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OLG Hamburg: Schadensersatz bei Filesharing durch Kind

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Ein Anschlussinhaber haftet als Erziehungsberechtigter für illegales Filesharing seines minderjährigen Kindes auf Schadensersatz, wenn er das Kind weder belehrt noch dessen Verhalten im Internet gezielt überwacht (OLG Hamburg, Urteil vom 07.11.2013, Az. 5 U 222/10).
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Schadensersatzhaftung von erziehungsberechtigten Anschlussinhabern

Im Fall hatte ein 15-jähriger Junge über den elterlichen Anschluss illegal mehr als 4.000 Musikdateien getauscht. Eine nachdrückliche Belehrung über das Gefährdungspotential von Urheberrechtsverletzungen im Internet sowie ein entsprechendes Verbot durch den Vater als Anschlussinhaber und aufsichtspflichtigen Erziehungsberechtigten waren zuvor nicht erfolgt (bzw. im Prozess wegen zu späten Vortrags nicht berücksichtigungsfähig). Das Oberlandesgericht sah hierin eine fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung des Anschlussinhabers, da dieser das Internetverhalten seines Sohnes auch nicht gezielt überwacht hatte.

Die Entscheidung widerspricht nicht der Morpheus-Rechtsprechung des BGH. Eine Entlastung des aufsichtspflichtigen Vaters von der gesetzlichen Haftungsvermutung des § 832 Abs.1 BGB wäre bei einem normal entwickelten 15-jährigen Jugendlichen nämlich nur dann in Betracht gekommen, wenn eine vorherige, zielführende Belehrung des Minderjährigen stattgefunden hätte. Da der Vater seinem minderjährigen Kind den Internetzugang jedoch ohne jede Belehrung und ohne gezielte Kontrolle überlassen hatte, schied eine Entlastung von vornherein aus, wenn sich die zu verhindernde Gefahr wie im Fall geschehen realisierte.

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OLG Hamburg: Im Einzelfall 200,00 EUR Schadensersatz pro Musiktitel

Wegen der Urheberrechtsverletzungen haftete der Vater mit seinem Sohn gemeinschaftlich als sog. Gesamtschuldner gemäß § 97 Abs. 1 UrhG auf Schadensersatz. Das Gericht hielt im konkreten Fall einen Betrag von 200,00 EUR pro Titel für angemessen und ging damit erheblich über den in erster Instanz vom Landgericht für angemessen erachteten Betrag von 15,00 EUR pro Titel hinaus.

Interessanterweise lehnte das OLG Hamburg einen Rückgriff auf GEMA-Tarife zur Bemessung des Schadensersatzes ab, ganz im Gegensatz zum Oberlandesgericht Köln (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 08.05.2013, Az. 6 W 256/12). Zur Begründung führten die Hamburger Richter aus:

“Die von der GEMA herausgegebenen Tarife sind schon deshalb nicht geeignet, weil die GEMA ausschließlich die Urheberrechte der Komponisten/Textdichter vertritt, die Nutzung von Musikdateien im Internet hingegen wesentlich weitergehende Rechte Dritter betrifft, insbesondere die Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers und der ausübenden Künstler. Vor diesem Hintergrund ist bereits der Ausgangspunkt der Lizenzberechnung für die Erfassung der hier in Rede stehenden Nutzungsart ungeeignet.

Hinzu kommt, dass das Tarifgefüge der GEMA auch ersichtlich weder geeignet noch dazu bestimmt ist, Rechtsverletzungen Privater im Wege des nichtkommerziellen Filesharing im Internet zu erfassen. An einer plausiblen Berechnungsgrundlage muss es bereits deshalb fehlen, weil noch nicht einmal zu ermitteln ist, wie hoch die Zugriffe auf die einzelnen Musikdateien jeweils gewesen sind. Ob überhaupt auf die Datei zugegriffen wird, ob es nur wenige Zugriffe sind, wie viele Nutzer überhaupt an einem Dienst teilnehmen und einen konkreten Musiktitel interessiert sind, alles dies bleibt auch auf der Grundlage der Darlegung der Klägerinnen ungewiss. Es ist auch nicht vorgetragen, für welchen Zeitraum die einzelnen Musiktitel konkret eingestellt und verfügbar waren. Vor diesem Hintergrund ist eine starre Betrachtung in Relation zu Seitenzugriffen – seien es nun bis zu 10.000 oder je angefangene 120.000 im Jahr – für eine sachgerechte Beurteilung des Lizenzschadens nicht ausreichend geeignet. Es gäbe auch keine ausreichende Rechtfertigung dafür, für das öffentliche Zugänglichmachen einer Musikdatei im Wege des privaten Filesharing, auf die nur in geringem Umfang zugegriffen wird, einen kommerziellen Tarif zur Anwendung zu bringen, der von Zugriffen im 5 bis 6-stelligen Bereich ausgeht, selbst wenn dies mit den Worten “bis zu” verknüpft ist. […]

Deshalb fehlt es für die Anwendung dieser Tarife an einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Die Klägerinnen gehen ersichtlich davon aus, dass legale Anbieter strukturierter Dienste grundsätzlich bereit und in der Lage wären, vorab Genehmigungen einzuholen und dabei eine Kosten-/Nutzen-Betrachtung anstellen können. Auch eine derartige Situation ist beim illegalen Filesharing ersichtlich nicht gegeben. Denn der Verletzer nutzt nicht etwa die zu lizenzierenden Musikdateien selbst, sondern stellt diese Dritten ohne finanzielle Vergütung zur Verfügung. Selbst wenn sein Gegenwert darin besteht, dass er seinerseits auf Musikdateien anderer zugreifen kann, ist das Lizenzgefüge der GEMA auf eine derartige Nutzungssituation ersichtlich nicht abgestellt.”

Statt der konkreten Schadensersatzberechnung über GEMA-Tarife schätzte das OLG Hamburg nach § 287 ZPO einen Mindestschaden. Da der Versuch, für jeden denkbaren Musiktitel einen individuell ausgestalteten Schadensersatzbetrag zu finden, der den Besonderheiten dieses einzelnen Musikstücks gerecht wird, nicht nicht sinnvoll vorgenommen werden könne, dürfe ein Pauschalbetrag als Schadensersatzbetrag geschätzt werden. Dabei sei ein jugendlicher Filesharer (bzw. sein Erziehungsberechtigter) aber nicht auf eine Stufe zu stellen mit Anbietern, die ein geschütztes Werk auf der Grundlage eines Lizenzvertrages zu nutzen bereit wären.

OLG Hamburg hält sich Korrekturmöglichkeit offen

Bemerkenswert ist, dass das OLG Hamburg den zu zahlenden Schadensersatz nur deshalb auf 200,00 EUR pro Titel schätzte, weil die Klägerinnen mitgeteilt hatten, dass über die klagegegenständlichen zwei Musiktitel hinaus kein weitergehendes Vorgehen gegen die Beklagten beabsichtigt sei. Für den Fall, dass eine höhere Zahl an Verstoßfällen eingeklagt wird, ließen sich die Richter ausdrücklich eine Korrekturmöglichkeit offen und betonten, dass die Schadensberechnung ohne Bindung an feste „Taxen“ in einer Gesamtwürdigung alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu erfolgen habe. Die Schadensersatzsumme von 200,00 EUR pro Titel sei daher nicht notwendigerweise auch auf andere Fälle übertragbar. Insbesondere bei einer größeren Anzahl von Titeln könnten andere Grundsätze gelten mit der Folge, dass möglicherweise eine einzeltitelbezogene Berechnung keine Geltung mehr beanspruchen könne.

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  1. Unterzeichnen Sie nicht die der Abmahnung beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung – auch dann nicht, wenn Sie die Datei heruntergeladen haben. Bei Verstößen gegen die Erklärung drohen lebenslang Vertragsstrafen in Höhe von mehreren tausend Euro pro Fall. Weitere ausführliche Informationen rund um Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen finden Sie im Filesharing Abmahnung Lexikon.
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Autor: Niklas Plutte

Niklas Plutte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz mit Sitz in Mainz. Folgen Sie ihm bei Twitter, Facebook und LinkedIn!

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