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Filesharing: Kind kann persönlich für illegale Downlads haften

Abmahnung Filesharing Anwalt

Minderjährige können für Urheberrechtsverletzungen in Filesharing-Tauschbörsen persönlich auf Erstattung von Anwaltskosten und Schadensersatz haften, wenn sie zum Zeitpunkt des Downloads ausreichend einsichtsfähig waren (LG Bielefeld, Urteil vom 04.03.2015, Az. 4 O 211/14).

Eltern werden wegen illegalem Download ihres Kindes abgemahnt

Ein zum Tatzeitpunkt 12 jähriger Junge hatte über den Internetanschluss seiner Eltern die Filesharing-Tauschbörse bittorrent genutzt, um das Computerspiel “Bus-Simulator 2012” herunterzuladen.

Wegen des mit dem Download einhergehenden Dateitauschs erging nach Abmahnung zunächst eine einstweilige Verfügung gegen die Eltern des Kindes vor dem LG Berlin, die im Verfahren mitteilten, dass ihr Sohn für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist. Der Minderjährige sei auch mehrmals umfassend über das Verbot der Nutzung von Internettauschbörsen belehrt und ihm ein derartiges Verhalten verboten worden.

Nachdem die Klägerin das Eilverfahren in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH verloren hatte, ging sie direkt gegen den Minderjährigen vor und verklagte ihn persönlich auf Erstattung vorgerichtlicher anwaltlicher Abmahnkosten sowie Schadensersatz.

LG Bielefeld: Minderjähriger haftet persönlich bei Einsichtsfähigkeit

Das Landgericht Bielefeld gab der Klage überwiegend statt und verurteilte das Kind zur Zahlung von insgesamt 1.290,50 € (780,50 € Anwaltskosten + 510 € Schadensersatz, jeweils zzgl. Zinsen). Zwar sei der Junge im Jahr 2012 erst 12 Jahre alt gewesen. Seine Eltern hätten als gesetzliche Vertreter aber im Namen ihres Kindes eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben und so die Wiederholungsgefahr ausschließen können.

Dem Kind sei auch ein Verschuldensvorwurf zu machen, wie er zur Begründung der Schadensersatzforderung nötig ist. Die Deliktsfähigkeit des Jungen (§ 828 Abs. 3 BGB) war nach der “vollen Überzeugung des Gerichts” gegeben. Maßgeblich stützte sich das Landgericht dabei auf eine persönliche Anhörung des Kindes im Verhandlungstermin.

Aus den Urteilsgründen:

“Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH NJW 2005, 354) besitzt derjenige die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht im Sinne von § 828 Abs. 3 BGB, der nach seiner individuellen Verstandesentwicklung fähig ist, das Gefährliche seines Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für die Folgen seines Tuns bewusst zu sein. Auf die individuelle Fähigkeit, sich auch dieser Einsicht gemäß zu verhalten, kommt es insoweit gerade nicht an (BGH NJW 1984, 1958).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Einsichtsfähigkeit trägt dabei grundsätzlich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der in Anspruch genommene Minderjährige, hier demnach der Beklagte. Denn ab einem Alter von 7 Jahren wird das Vorliegen der nötigen Einsichtsfähigkeit vom Gesetz widerlegbar vermutet (vgl. BGH NJW-RR 1997, 1110; BGH NJW 2005, 354 m.w. Nachweisen).

Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung hat der Beklagte keine Tatsachen vorgetragen, die für die Annahme einer fehlenden Einsichtsfähigkeit aus Sicht des Gerichtes ausgereicht hätten. Demnach muss davon ausgegangen werden, dass auch ein 12 bzw. fast schon 13-jähriger Gymnasiast bereits in der Lage ist, die Gefährlichkeit von Internettauschbörsen zu erkennen, auf denen verschiedene Software zum Up- und Download angeboten wird.

Insbesondere gab der Beklagte selbst an, mehrmals wöchentlich den Computer für Schulaufgaben genutzt zu haben. Dabei sei er durch seine Eltern auch vor jeder Nutzung nochmals auf die Gefährlichkeit des Internets hingewiesen worden und er solle den Rechner nur zur Recherche nutzen und nicht auf irgendwelchen Seiten „herum klicken“. Dies tat der Beklagte nach seinen eigenen Angaben aber dennoch.

Auch gab der Beklagte an, die grundlegende Funktionsweise eines Downloads durchaus zu verstehen und auch die Gefahr möglicher Kosten zu kennen. Zwar meinte er, dass es sich bei dem konkreten Angebot auf der Tauschbörse „Torrent“ um einen „free Download“ gehandelt hätte. Dies ändert aber nichts an dem grundsätzlichen Verständnis und der vorhandenen Einsichtsfähigkeit. Dem Beklagten waren auch im Alter von fast 13 Jahren die Gefahren durchaus präsent und er war nach seiner Entwicklung her in der Lage, sich auch über mögliche Folgen seines Handelns im Klaren zu sein.

Das von den Beklagten zur Frage der Einsichtsfähigkeit nach § 828 Abs.3 BGB angebotene Sachverständigengutachten war daher nicht mehr einzuholen. Ein derartiges Gutachten wäre nur bei begründeten Zweifeln des Gerichts an der Zurechnungsfähigkeit geboten gewesen (BGH VersR 1961, 812; 1967, 158).

Dem Beklagten fällt hier bezüglich der Rechtsverletzung auch ein Verschulden jedenfalls in Form von Fahrlässigkeit zur Last. Denn wer Fremde Werke oder Softwareprogramme wie Computerspiele nutzt oder verbreitet, muss sich grundsätzlich vorher auch über sein Recht zur Nutzung vergewissern. Dies gilt auch für minderjährige Internetnutzer (OLG Hamburg NJOZ 2007, 5761, 5763, ebenso LG München MMR 2008, 619 m.w. Nachweisen).”

Kommentar zum Urteil

Der Knackpunkt des Falls liegt m.E. weniger in der Entscheidung des LG Bielefeld, sondern in der vorangegangenen Auskunft der Eltern über die Täterschaft ihres Kindes im Prozess vor den Berliner Gerichten. Im Jahr 2012 legten die meisten Gerichte in Filesharing-Fällen an die sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers noch deutlich strengere Anforderungen als heute.

Nach aktuellen Maßstäben wäre es aber wohl zulässig gewesen, wenn die Eltern ihre Täterschaft bestritten und gleichzeitig im Hinblick auf ihren Sohn das Zeugnis verweigert hätten. Hintergrund ist, dass die Eltern vom Abmahner aufgrund des grundrechtlichen Schutzes der Familie (Art. 6 GG) nicht gezwungen werden können, einen nahen Familienangehörigen zu belasten. Im Sinne der Morpheus-Rechtsprechung hätte es ausgereicht, darauf hinzuweisen, dass das Kind eingehend über das Verbot einer illegalen Tauschbörsennutzung belehrt wurde. Die konkrete Internetnutzung des Kindes muss dann nicht mehr überwacht werden. Hätte sich das Kind in dieser Lage ebenfalls auf sein Recht zur Zeugnisverweigerung berufen, wären die Abmahner im Ergebnis leer ausgegangen.

Weitere ausführliche Informationen rund um Urheberrechtsverletzungen in Online-Tauschbörsen finden Sie in unserem Filesharing Abmahnung Lexikon. Nutzen Sie im Falle des Erhalts einer Abmahnung unsere kostenlose Ersteinschätzung.

Autor: Niklas Plutte

Niklas Plutte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz mit Sitz in Mainz. Folgen Sie ihm bei Twitter, Facebook und LinkedIn!

5 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Was wäre denn die juristische Folge ? Ein Kind verklagen geht ja nun m.W. nicht. “Eltern haften für Ihre Kinder” dürfte auch nicht greifen,da sonst das ganze Urteil unsinnig gewesen wäre…

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  2. Pingback: Filesharing & sekundäre Darlegungslast: Was bedeutet das?

  3. Eine interessante Darstellung! Vielleicht sollte jedoch der Artikel im Hinblick auf das Urteil des BGH vom 30.03.2017 – I ZR 19/16 – überarbeitet werden, in welchen den Eltern im Ergebnis quasi eine “Verpetzpflicht” auferlegt wurde.

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  4. Guten Tag, wie kann denn ein 12 Jähriger eine Summe von 1.290,50 € ohne Einkommen jemals aufbringen?
    VG Jan

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