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OLG Köln: Aktivlegitimation, Lizenzschaden, Abmahnkosten

Abmahnung Filesharing Anwalt

In Filesharingverfahren müssen Verwertungsrechte und Lizenzschaden detailliert belegt werden. Pauschale Behauptungen reichen nicht aus, andernfalls droht (teilweise) Klageabweisung (OLG Köln, Beschluss vom 15.01.2013, Az. 6 W 12/13).

Anwalt Urheberrecht

Aktivlegitimation nicht ausreichend dargelegt

Im vorliegenden Fall hatte ein 15jähriger über den elterlichen Anschluss illegal Musik in Online-Tauschbörsen heruntergeladen. In der Folge wurde sein Vater als Anschlussinhaber von einer Abmahnkanzlei zunächst vorgerichtlich wegen rund 1.000 Musiktiteln und später immerhin noch wegen 234 Titeln gerichtlich in Anspruch genommen.

Im Prozess konnten die Klägerinnen ihre ausschließlichen Verwertungsrechte (sog. Aktivlegitimation) jedoch nicht für alle 234 Werke, sondern nur für 75 Musiktitel nachweisen. Dem Oberlandesgericht genügte es nicht, dass in der Anspruchsbegründung lediglich angeführt wurde, die Klägerinnen besäßen “an einer Vielzahl” der verfügbar gemachten Musikaufnahmen ausschließliche Online-Verwer­tungsrechte, ohne die weiteren Werke nach Anzahl und Inhalt zu konkretisieren. Aufgrund der hier erfolgten Rüge der Aktivlegitimation lies das Gericht die “beispielhafte” Auflistung von 75 Musiktiteln nicht genügen, um die Rechteinhaberschaft für alle 234 Titel nachzuweisen.

Reduzierte Anwaltsgebühren

Aufgrund des nicht ausreichenden Nachweises der Aktivlegitmation reduzierte das Gericht auch den in erster Instanz vom Landgericht Köln angesetzten Streitwert von 80.000,00 EUR auf 50.000,00 EUR und begründete ausführlich die Auswirkungen auf die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren:

“Demzufolge hat der Beklagte die Kosten der Abmahnung nur in dem Umfang zu ersetzen, in dem diese berechtigt war. Dabei ist die Höhe der zu erstattenden Abmahn­kosten nach dem Verhältnis des Gegenstandswerts des berechtigten Teils der Abmahnung (vorliegend 50.000,00 EUR) zum Gegenstandswert der gesamten Abmahnung (hier 80.000,00 EUR) zu bestimmen (vgl. BGH GRUR 2010, 744 Rn. 52 – Sondernewsletter; GRUR 2012, 949 Rn. 49 – Missbräuchliche Vertragsstrafe). Von dem bei einem Gegenstandswert von 80.000,00 EUR (bei zutreffender Berechnung) zu errechnenden Betrag von 1.560,00 EUR entfällt ein Anteil von 62,5 %, mithin ein Teil­betrag von 975,00 EUR, auf den berechtigten Teil der Abmahnung. Zuzüglich der Auslagenpauschale steht den Klägerinnen folglich eine Summe von 995,00 EUR zu gleichen Teilen zu.”

Diese Sichtweise ist zu begrüßen, da sie Abmahnungen entgegenwirkt, mit denen das Kostenrisiko der Betroffenen unberechtigt in die Höhe getrieben wird.

Schadenersatzhöhe

Das Oberlandesgericht Köln beschäftigte sich außerdem mit der Höhe des behaupteten Lizenzschadens und erteilte dem Versuch einer pauschalierenden Schadensbegründung eine Absage. Die Klägerinnen hatten gefordert, dass der Beklagte eine fiktive Lizenz in Höhe von 200,00 EUR je Titel zahlen solle. Den Richtern genügte dies jedoch nicht, sie forderten stattdessen eine detaillierte Einzelfalldarstellung, die zu Zugriffszeit bzw. Dauer der Bereitstellung, Aktualität und Attraktivität der Musiktitel Stellung nimmt:

“Wie der Senat in seinem Urteil vom 23.03.2012 – 6 U 67/11 – (WRP 2012, 1007 Rn. 23 ff.) ausgeführt hat, ist für die Berechnung der fiktiven Lizenz auf den Tarif VR-OD 5 der GEMA abzustellen. Danach ist an Hand der dem Senat aus dem damaligen Rechtsstreit bekannten Rahmenvereinbarung der Tonträger-Branche für jeden Fall, in dem ein Dritter auf Grund der Beteiligung des Sohns des Beklagten an der Tauschbörse auf die geschützten Titel zugegriffen hat, ein Betrag von 0,50 EUR zu veranschlagen. Nachdem der Beklagte mehrere hundert Zugriffe pro Ti­tel (wenn auch unter unbe­helf­licher Bezugnahme auf seinen 15-jähri­gen Sohn) in Ab­rede gestellt hat, haben die Klägerinnen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorgetragen, mit deren Hilfe sich die Größenordnung der Zugriffshäufigkeit ansatzweise ermitteln ließe.

So haben die Klägerinnen zwar angeführt und mit Hilfe der vorgelegten Screenshots belegt, dass zum Tatzeitpunkt 603.8094 Nutzer in Filesharing-System online waren. Sie haben sich aber nicht dazu geäußert, über welchen Zeitraum die streitgegenständlichen Musiktitel zum Upload im File­sharing-Netzwerk über den Internetanschluss des Beklagten bereitgestellt worden sind. Vor allem aber fehlen Ausführungen zur Aktualität und Attraktivität der jeweils in Rede stehenden, überwiegend in deutscher Sprache verfassten Mu­siktitel sowie zur Popularität der – vorwiegend deut­schen – Künstler(gruppen) jeweils im März 2007. Mangels näherer diesbezüglicher Angaben fehlen daher bislang zureichende konkrete Anknüpfungstatsachen, die eine Scha­densschätzung nach § 287 ZPO (vgl. Senat a.a.O.) dahingehend ermöglichen, dass von unbekannten Dritten auf Grund der Beteiligung des Sohns des Beklagten an der Musiktauschbörse auf die in Rede stehenden Musiktitel mindestens 400mal oder in einer schätzbaren geringeren Anzahl zugegriffen worden ist (vgl. Senat vom 22.08.2012 – 6 W 158/12).

Auch diese Auffassung ist zu begrüßen. Sie zwingt die Abmahnkanzleien im Kontrast zur ansonsten weitestgehend automatisierten Anspruchsdurchsetzung dazu, mehr individuellen Aufwand je Werk zu betreiben, führt aber zu einer erhöhten Einzelfallgerechtigkeit – einer heiligen Kuh des deutschen Rechts.

→ Weitere Informationen rund um das Thema P2P-Abmahnungen finden Sie auch im Filesharing Abmahnung Lexikon.

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Autor: Niklas Plutte

Niklas Plutte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz mit Sitz in Mainz. Folgen Sie ihm bei Twitter, Facebook und LinkedIn!

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