
Das Landgericht Frankfurt hatte darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Stil (hier von digitalen Collagen) urheberrechtlich bzw. wettbewerbsrechtlich geschützt ist (LG Frankfurt, Beschluss vom 30.04.2021, Az. 2-06 O 104/21).
Kann man Dritten verbieten, einen ähnlichen Stil zu verwenden?
Zwei Künstlerinnen hatten aus Blumenfotos digitale Collagen in ähnlichem Stil erstellt und veröffentlicht. Die abmahnende Künstlerin meinte in der Folge, der anderen die Verwendung „ihres“ Collagenstils verbieten zu können (Hinweis: Die abgemahnte Künstlerin wurde von unserer Kanzlei vertreten).
Beispiel für eine der angegriffenen Blumencollagen unserer Mandantin
Da beide Parteien ausschließlich selbst geschossene Bilder verwendet und ähnliche, aber nicht identische Hintergrundgrafiken eingebunden hatten, stützte sich die Abmahnung nicht auf die Übernahme bestimmter Blumenfotos, was freilich eine Urheberrechtsverletzung dargestellt hätte.
Verpackt im Vorwurf unerlaubter Bearbeitungen (§ 23 UrhG) sowie Wettbewerbsverletzungen wurde vielmehr eine Übernahme des aus zahlreichen Ebenen bestehenden digitalen Collagenstils angegriffen, der angeblich zu Gunsten der abmahnenden Künstlerin geschützt sei.
LG Frankfurt: Keine Verletzung von Urheberrecht
Da unsere Mandantin die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigerte, versuchte die Antragstellerin, eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Der Verfügungsantrag wurde vom Landgericht Frankfurt jedoch mangels Verfügungsanspruch ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen (LG Frankfurt, Beschluss vom 30.04.2021, Az. 2-06 O 104/21).
Das Landgericht erkannte in den Digitalcollagen unserer Mandantin keine erlaubnispflichtigen Bearbeitungen der gegnerischen Arbeiten im Sinne von § 23 UrhG.
Das Vorliegen einer Bearbeitung oder Umgestaltung sei durch einen Vergleich des Gesamteindrucks der sich gegenüberstehenden Werke im Hinblick auf die schöpferische Eigentümlichkeit zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.2004, Az. I ZR 25/02 – Hundefigur).
Urheberrecht schützt weder Methoden, Stil noch Technik
Eine Urheberrechtsverletzung konnte das Gericht bei den feststellbaren Übereinstimmungen der Lichtbildwerke – Digitalcollage mit Blumenmotiv und Tiefenunschärfeeffekt – allerdings nicht feststellen. Das Urheberrecht schütze weder bestimmte Methoden, Stil noch Technik. Vielmehr gelte der Grundsatz, dass dass die künstlerische Schaffensfreiheit nicht durch Ausschließlichkeitsrechte an abstrakten Eigenschaften eines Werkes eingeengt werden dürfe (vgl. BGH, Urteil vom 21.01.1977, Az. I ZR 68/75 – Kettenkerze).
Der von der Antragstellerin geschilderte Vorgang zur Bildkomposition mittels Zuschnitt, Bearbeitung und Anordnung der Fotos sei urheberrechtlich nicht geschützt. Bei der Arbeit mit Ebenen handele es sich um eine für Jedermann nutzbare Funktion des Bildbearbeitungsprogramms Photoshop.
Grundsatz: Kein Motivschutz im Urheberrecht
Ebenso existiere im Urheberrecht grundsätzlich kein Motivschutz, z.B. für die Aufnahme einer bestimmten Blume aus spezieller Perspektive. Niemand sei gehindert, das gleiche Motiv vom selben Standort aus mit den gleichen Apparaten und Hilfsmitteln aufzunehmen. Etwas anderes gelte nur, wenn das abgebildete Motiv auf einem künstlerischen Arrangement des Fotografen beruhe (vgl. BGH, Urteil vom 04.11.1966, Az. Ib ZR 77/65 – skaicubana). Da die Antragstellerin nur in der Natur Blumen abfotografiert hatte, konnte sie keine Urheberrechte an deren Umrissen und Gestalt geltend machen.
Übernahme von Komposition kann Urheberrecht verletzen
Übrig blieb die Frage einer urheberrechtswidrigen Übernahme bzw. unfreien Bearbeitung der Komposition der Antragstellerin durch unsere Mandantin, was das Landgericht jedoch ablehnte, da sich die Werke erheblich unterschieden.
Dass die Collagen der Antragstellerin unserer Mandantin nicht als Vorbild gedient hatten, konnten wir im Verfahren durch Verweis auf ältere, stilistisch ähnliche auf Naturfotografie basierende Digitalcollagen aufzeigen, die teilweise aus der Hand unserer Mandantin stammten, teilweise auch von anderen Künstlern.
LG Frankfurt: Keine unlautere gezielte Behinderung von Mitbewerber
Parallel zu den geltend gemachten Ansprüchen aus Urheberrecht hatte die Gegenseite versucht, über das Wettbewerbsrecht eine gezielte Mitbewerberbehinderung nach § 4 Nr. 4 UWG zu begründen. Das Landgericht Frankfurt folgte diesem Ansatz jedoch nicht.
Es sei zwar möglich, dass wettbewerbsrechtliche Ansprüche unabhängig von urheberrechtlichen Ansprüchen bestehen. Zu beachten seien aber die Wertungen des Urheberrechtsgesetzes als speziellerem Schutzgesetz. Für die Annahme einer gezielten Behinderung müssten außerdem zusätzliche unlautere Umstände im Sinne einer systematischen und zielgerichteten Produktnachahmung hinzutreten, die hier nicht gegeben waren.
Über die von uns vorgebrachten Argumente gegen die Eilbedürftigkeit des Verfügungsantrags musste das Gericht im Ergebnis nicht mehr entscheiden.
Der Streitwert wurde auf 33.000 Euro festgesetzt. Der abmahnenden Künstlerin wurden die Kosten des Eilverfahrens auferlegt. Zusätzlich wird sie die außergerichtlichen Verteidigungskosten ersetzen müssen, die der Mandantin für die Beauftragung unserer Kanzlei entstanden sind (§ 97a Abs. 4 UrhG, § 13 Abs. 5 UWG).
Tipp: Beachten Sie unsere großen FAQ zum Fotorecht für Fotografen. Nutzen Sie bei Fragen zum Fotorecht unsere kostenlose Erstberatung.