Das OLG Frankfurt entschied mehrfach, dass anwaltliche Abmahnkosten grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind, wenn eine Eigenabmahnung des Rechteinhabers vorausging, die bereits alle notwendigen Abmahnvoraussetzungen erfüllte.
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Grundsatz: Anwaltliche Abmahnung ist nicht erforderliche Wiederholung
Spricht der Gläubiger im ersten Schritt selbst eine Eigenabmahnung ohne Anwalt aus, um später (auf die Reaktion des Abgemahnten hin) eine anwaltliche Abmahnung nachzuschieben, stellt nur das erste Schreiben die tatsächliche Abmahnung dar. Bei der nachgeschobenen anwaltlichen Abmahnung handelt es sich dagegen grundsätzlich um eine nicht erforderliche Wiederholung, bei der abgesehen von Ausnahmefällen keine Abmahnkosten ersetzt werden müssen (OLG Frankfurt, Urteil vom 10.01.2012, Az. 11 U 36/11; OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.08.2017, Az. 6 U 80/17; OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.04.2019, Az. 6 U 13/19 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 21.01.2010, Az. I ZR 47/09 – Kräutertee).
In den vorstehenden Verfahren hatten die Abmahner den Gegner nach Kenntnis der Rechtsverletzung (Verletzung von Urheberrecht, Markenrecht, Wettbewerbsrecht) angeschrieben und im ersten Schritt auf einen Anwalt verzichtet. Die Verletzer reagierten nicht, baten um Erläuterung der Abmahnung bzw. erfüllten die Forderungen nur teilweise. Daraufhin ließen die Abmahner die Verletzer erneut anwaltlich abmahnen und forderten Erstattung der ihnen entstandenen Anwaltskosten. Das OLG Frankfurt lehnte die Kostenersatzpflicht jedoch ab.
Nach einer vom Unterlassungsgläubiger selbst ausgesprochenen Erstabmahnung, die dem Verletzter den Weg gewiesen hat, den Gläubiger ohne gerichtliches Verfahren klaglos zu stellen, seien die Kosten für eine weitere anwaltliche Abmahnung grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Die nachfolgende anwaltliche Abmahnung stelle in diesem Sinne eine objektiv nicht erforderliche Wiederholung dar.
Ausnahmen, in denen Pflicht zum Kostenersatz besteht
Anwaltliche Abmahnkosten können laut OLG Frankfurt ausnahmsweise erstattungsfähig sein, wenn das anwaltliche Abmahnschreiben im Wesentlichen nicht nur den Inhalt der Eigenabmahnung wiederholt, sondern vertiefte tatsächliche oder rechtliche Ausführungen enthält, die die berechtigte Erwartung zulassen, der Verletzer werde unter dem Eindruck dieser Ausführungen seine bisherige Position überdenken und zur Abgabe der verlangten Erklärungen bereit sein (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.08.2017, Az. 6 U 80/17).
Anwaltliche Abmahnkosten müssen auch dann ersetzt werden, dass der Abgemahnte um Erläuterung der Eigenabmahnung bittet und der Abmahner zur Erläuterung ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht in der Lage ist. Ein Wettbewerbsverband, der sich die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zum satzungsgemäßen Ziel gesetzt hat, muss jedenfalls personell und sachlich so ausgestattet sein, dass er durchschnittlich schwierige Abmahnungen ohne anwaltliche Hilfe mit eigenen Kräften bearbeiten kann – einschließlich nachträglichen Erläuterungen zu einer bereits ausgesprochenen Eigenabmahnung (OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.04.2019, Az. 6 U 13/19).
Was bedeutet die Entscheidungen für Unternehmen, die eine Eigenabmahnung erwägen?
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Wirksamkeit einer Abmahnung (z.B. wegen wettbewerbswidriger Werbung, Fotoklau oder Markenverletzung) setzt nicht voraus, dass sie über einen Rechtsanwalt ausgesprochen wird. Rechteinhaber können selbstverständlich auch eigenhändig Abmahnungen ohne Anwalt aussprechen.
Nach unserer Erfahrung nutzen Rechteinhaber bzw. Mitbewerber Eigenabmahnungen vor allem dann, wenn eine persönliche oder geschäftliche Beziehung zum Verletzer besteht. Dahinter steht in vielen Fällen der Wunsch, eine bestehende positive Beziehung zur Gegenseite nicht durch Hinzuziehung eines Rechtsanwalt zu gefährden.
Im wettbewerbsrechtlichen Bereich lagen uns jedoch auch Fallgestaltungen vor, bei denen zuvor bereits so viele anwaltliche Abmahnungen ausgesprochen worden waren, dass Eigenabmahnungen mutmaßlich dazu eingesetzt wurden, den aufkeimenden Verdacht des Rechtsmissbrauchs abzumildern (= Generierung anwaltlicher Abmahnkosten als beherrschendes Abmahnmotiv).
Schwierig wird es, wenn sich der Konflikt zwischen den Parteien wider Erwarten nicht lösen lässt und erst spät(er) anwaltliche Unterstützung eingeholt wird. Falls es vor Einschaltung des Anwalts nun bereits zu einer Unterlassungsaufforderung des Rechteinhabers in „Abmahnqualität“ gekommen sein sollte, sind die Kosten einer anwaltlichen (Wiederholungs-) Abmahnung nach OLG Frankfurt nicht erstattungsfähig.
Kostenrisiko für Abmahner bei Eigenabmahnungen
Als juristischer Laie wird der Rechteinhaber vor Erhebung einer Klage regelmäßig mithilfe einer anwaltlichen Abmahnung sichergehen wollen, dass alle ihm zustehenden Ansprüche vorgerichtlich geltend gemacht wurden. Sonst bestünde im Prozess die Gefahr eines sofortigen Anerkenntnisses durch den Gegner mit entsprechender Kostenlast (§ 93 ZPO).
Hier offenbart sich das Risiko von Eigenabmahnungen. Wenn zweifelhaft ist, ob und in welchem Umfang vom Rechteinhaber vor Einschaltung des Anwalts eine wirksame Eigenabmahnung ausgesprochen wurde, muss er entweder das Risiko eines sofortigen Anerkenntnisses oder die Kosten der (Wiederholungs-) Abmahnung seines Rechtsanwalts tragen. Diese unangenehme Lage kann vermieden werden, indem von Anfang an anwaltliche Unterstützung genutzt wird.
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