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OLG München: Rechtliche Bedeutung von Emojis

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Heute wird rechtlich relevante Kommunikation nicht nur bloß über Brief oder E-Mail abgewickelt, sondern oft auch über Messenger, Chats und ähnliche Onlinedienste. Dabei kann sich die Frage ergeben, welche rechtliche Aussagekraft sich aus Emojis ableiten lässt.

Kommunikation über WhatsApp: Was bedeuten Emojis?

In einem vor dem OLG München verhandelten Fall ging es um Ansprüche aus dem Kauf eines Ferrari. Im Vertrag hatten die Parteien geregelt, dass Änderungen und Ergänzungen des Vertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen.

Nachfolgend kommunizierten Käufer und Verkäufer über den Instant-Messaging-Dienst WhatsApp. In einer der Nachrichten informierte der Verkäufer den Käufer wie folgt:

„Hallo Herr A…, Der SF 90 Stradale rutscht leider auf erstes Halbjahr 2022. Das konnten wir nicht absehen und können wir nicht beeinflussen. Immerhin ist der dann zur nächsten Saison da. Viele Grüße, … P“

Darauf antworte der Käufer:

„Ups

In nachfolgenden WhatsApp-Nachrichten, in denen es allerdings nicht mehr um den Liefertermin ging, verwendete der Käufer auch die Emojis

Als der Käufer dem Verkäufer schließlich eine Frist zur Lieferung des Fahrzeugs setzte, der Wagen aber nicht innerhalb der gesetzten Frist geliefert wurde, trat er vom Kaufvertrag zurück und forderte Rückzahlung einer geleisteten Anzahlung. Der Verkäufer forderte seinerseits zunächst Zahlung des Kaufpreises. Dann erklärte auch er den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte Schadensersatz vom Käufer, weil er den Ferrari nur zu einem niedrigeren Preis an einen Dritten hatte veräußern können.

OLG München: Rechtliche Bedeutung von Emojis

Im Prozess vor dem Oberlandesgericht München stellte sich die Frage, ob der Käufer mit seiner Emoji-Reaktion einer Lieferfristverlängerung zugestimmt hatte.

Es ist umstritten, ob WhatsApp-Mitteilungen bei rechtsgeschäftlich vereinbarter Schriftform – wie hier – die Voraussetzungen des § 127 Abs. 2 Satz 1 BGB erfüllen. Das Gericht nahm an, dass dies jedenfalls bei Übermittlung einer Textnachricht oder eines Attachments in Gestalt einer Textverarbeitungs- oder PDF-Datei oder eines ausreichend guten Fotos per WhatsApp der Fall sei, nicht jedoch bei einer WhatsApp-Sprachnachricht oder einem Video- oder Audio-Attachment. Mit anderen Worten: Grundsätzlich war es aus Sicht des Gerichts hier durchaus möglich, dass der Käufer einer Lieferfristverlängerung allein durch ein Emoji zustimmt.

Trotzdem hatte die Zahlungsklage des Verkäufers keinen Erfolg. Stattdessen musste er die geleistete Anzahlung an den Käufer zurückzahlen. Unabhängig von der Frage, ob die gewillkürte Schriftform nach § 127 Abs. 2 Satz 1 ZPO erfüllt war, habe sich aus dem Chatverlauf und insbesondere den vom Käufer verwendeten Emojis keine Zustimmung zu einer Lieferfristverlängerung ergeben, weil es keine zwei übereinstimmenden Willenserklärungen in Gestalt von Antrag (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB) gab.

Aus dem Urteil:

„Willenserklärungen können sowohl ausdrücklich – mündlich oder in schriftlicher Form – als auch konkludent – d.h. durch schlüssiges Verhalten – erfolgen. Bei Nachrichten, die per Messengerdienst gesendet werden, handelt es sich um elektronisch übermittelte Willenserklärungen (Säcker in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl, Einl. Rz. 209). Auch elektronische Erklärungen sind echte Willenserklärungen (Ellenberger in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl., Einf. v. § 116 Rz. 1). Diese unterliegen den allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre. Der Erklärende kann seinen Willen mittels Zeichen kundtun (Singer in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2021, § 133 Rz. 8; Biehl, JuS 2010, 195 [197]), d.h. auch durch digitale Piktogramme – wie Emojis. Diese werden häufig genutzt, um eine Aussage zu unterstreichen oder zu verstärken oder sollen klarstellen, in welchem Sinne etwas zu verstehen ist (z.B. ironisch). In dieser Funktion erfüllen Emojis im digitalen Diskurs ähnliche Funktionen wie Intonation, Gestik, Mimik und andere körpersprachliche Elemente in realen Gesprächen (Pendl, NJW 2022, 1054 [1056 Rz. 12]). Teilweise werden aber auch Worte innerhalb eines Satzes durch ein Emoji ersetzt. Ob der Verwender von Emojis einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen oder lediglich seine Stimmungs- oder Gefühlslage mitteilen möchte, ist eine Frage der Auslegung (Freyler, JA 2018, 732 [733]). Emojis besitzen als Zeichen Interpretationsmöglichkeiten, die heranzuziehen sind; dabei spielen allerdings nur solche eine Rolle, die der Empfänger auch verstehen konnte (Freyler, JA 2018, 732 [734]). Umstände, die dem Erklärungsempfänger weder bekannt noch erkennbar waren, bleiben außer Betracht (BGH, Urteil v. 05.10.2006, Az. III ZR 166/05, Rz. 18: Ellenberger in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 133 Rz. 9). Faktoren wie Nationalität und Muttersprache, kultureller Hintergrund sowie Alter, Geschlecht oder Persönlichkeitsstruktur können sowohl die Nutzung als auch das Verständnis von Emojis beeinflussen, wobei sich besonders deutliche Einschnitte zwischen den Altersgruppen ergeben (Pendl, NJW 2022, 1054 [1056 Rz. 13]). Emojis bergen somit die Gefahr von Missverständnissen und Fehlschlüssen, weil die konkret verwendeten Symbole möglicherweise auf einem spezifischen „Emoji-Soziolekt“ beruhen, der bloß innerhalb einer bestimmten Gruppe existiert (Pendl, NJW 2022, 1054 [1056 Rz. 14]; illustrativ auch Püttmann/Opfer, LTO v. 02.11.2024: Vorsicht mit Emojis, https://www.lto.de/persistent/a_id/55764 [abgerufen: 11.11.2024], zum Emoji ). Es ist – ebenso wie sonst – zu fragen, wie ein verständiger Empfänger der Nachricht die Willenserklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte, § 133, § 157 BGB. Dabei können die Begleitumstände Berücksichtigung finden, soweit diese einen Anhaltspunkt für den Sinngehalt des Erklärten bieten (BGH, Urteil v. 19.01.2000, Az. VIII ZR 275/98, juris Rz. 20; Ellenberger in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl., § 133 Rz. 15). Zu Bestimmung des Bedeutungsgehalts von Emojis kann der Rechtsanwender gegebenenfalls Emoji-Lexika zurate ziehen (Pendl, NJW 2022, 1054 [1056 Rz. 18]). Hinweise auf das Verständnis eines Emojis können auch aus dem Begleittext folgen.“

Bedeutungsgehalt des Emojis „Grimasse schneidendes Gesicht“

Ausgehend von seiner in den gebräuchlichen Emoji-Lexika Emojipedia (abgerufen: 11.11.2024) und Emojiterra (abgerufen: 11.11.2024) angegebenen Bedeutung stellt der sog. „Grimassen schneidendes Gesicht“-Emoji (Unicode: U+1F62C) grundsätzlich negative oder gespannte Emotionen dar, besonders Nervosität, Verlegenheit, Unbehagen oder Peinlichkeit. Dass die Parteien des Rechtsstreits – individuell oder aus Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe – diesem eine davon abweichende Bedeutung beimaßen, war weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zudem sei der spezifische Kontext zu berücksichtigen, in dem der Emoji verwendet wurde. Der daneben vom Käufer verwendete Ausdruck „Ups“ sei allenfalls als Ausruf der Überraschung oder des Erstaunens zu werten, keinesfalls ist damit eine zustimmende Aussage verbunden.

Bedeutungsgehalt des Emojis „Daumen hoch“

Der sog. „Daumen hoch“-Emoji (Unicode: U+1F44D) signalisiert laut der oben angegebenen Emoji-Lexika und in Übereistimmung mit dem überwiegenden Verständnis dieser Geste bei physischer Verwendung regelmäßig Zustimmung, Einverständnis oder Anerkennung. Die Nachricht des Käufers mit dem „Daumen hoch“-Emoji bezog sich hier aber ersichtlich nicht mehr auf die erste Nachricht des Verkäufer zur Lieferverzögerung, sondern dazwischen geführte Konversation der Parteien, die sich um die Umstände der Verbindlichkeit der Bestellung des Pkw und dessen Konfiguration drehte.

Bedeutungsgehalt des Emojis „Grinsendes Gesicht mit lachenden Augen“

Der sog. „Grinsendes Gesicht mit lachenden Augen“-Emoji (Unicode: U+1F604) hat in der Regel schon keine eindeutige Bedeutung. Er vermittelt laut Emoji-Lexika oftmals allgemeine Freude, Glücksgefühle, eine warme, positive Stimmung oder gutmütige Belustigung, kann aber auch Stolz oder Aufregung vermitteln.

Autor: Niklas Plutte

Niklas Plutte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz mit Sitz in Mainz. Folgen Sie ihm bei Twitter, Facebook und LinkedIn!

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