Bei Werbelinks im Kontext von redaktionellen Inhalten muss das Trennungsgebot beachtet werden. Der Begriff „Anzeige“ ist zwar grundsätzlich eine taugliche Werbekennzeichnung. Das gilt aber nicht bei zu kleiner Schriftgröße, mangelndem Kontrast und fehlender räumlicher Trennung (LG Berlin, Urteil vom 28.06.2022, Az. 102 O 61/22; bestätigt durch Kammergericht, Beschluss vom 23.07.2024, Az. 5 U 78/22).
E-Mail Newsletter mit „Anzeige“ Teasern
Die Wettbewerbszentrale hatte gegen den Verlag der ComputerBild eine einstweilige Verfügung beantragt. Grund war ein per E-Mail versendeter Newsletter der ComputerBild mit den nachfolgend beschriebenen Anlesern („Teasern“).
Die kurzen Beiträge im Newsletter enthielten jeweils eine Überschrift, ein Bild, einen kurzen Text und einen farblich hervorgehobenen Button mit der Aufschrift „Weiterlesen“, über den der eigentliche Beitrag beziehungsweise Artikel aufgerufen werden konnte. Die meisten Links führten zu redaktionellen Beiträgen. Bei drei der insgesamt 27 angeteaserten Buttons führte der Link aber zu Werbung von Drittfirmen, u.a. für Kfz-Produkte, ein Girokonto mit Visa Debitkarte und ein Mittel gegen Blasenschwäche. Oberhalb der jeweiligen Vorschau war am rechten Rand in blassgrauer Schrift das Wort „Anzeige“ angebracht.
LG Berlin: Trennungsgebot verletzt, keine taugliche Werbekennzeichnung
Das Landgericht Berlin erließ die beantragte einstweilige Verfügung, da die ComputerBild das Trennungsgebot verletzt habe (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG).
Was die Trennung von redaktionellen und kommerziellen Inhalten angeht, ist § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG vorrangig vor § 5a Abs. 6 UWG sowie § 22 MStV zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 09.09.2021, Az. I ZR 125/20 – Influencer II).
Trennungsgebot zwischen redaktionellen und kommerziellen Inhalten
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG haben Diensteanbieter bei kommerziellen Kommunikationen, die Telemedien oder Bestandteile von Telemedien sind, mindestens zu beachten, dass kommerzielle Kommunikationen klar als solche zu erkennen sein müssen.
- Bei den von der Antragsgegnerin in ihren Newslettern an mehreren Stellen eingefügten „Anreißern“ mit Links auf Werbeseiten von verschiedenen Unternehmen handelte es sich um kommerzielle Kommunikation im Sinne der Norm.
- Klar erkennbar ist kommerzielle Kommunikation, wenn ihr Charakter als kommerzielle Kommunikation ohne Aufwand wahrnehmbar und von anderen Inhalten bzw. Informationen abgehoben ist, sog. Trennungsgebot (vgl. Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, 4. Aufl. 2019, TMG § 6 Rn. 19). Grundsätzlich kann dies durch die klare Bezeichnung als „Anzeige“ oder die gestalterische Aufmachung der Seite gewährleistet werden. Erfolgt der Hinweis „Anzeige“, muss dieser nach Schriftart, Schriftgröße, Platzierung und Begleitumständen ausreichend deutlich sein (vgl. Hoeren/Sieber/Holznagel, MMR-Handbuch, Teil 11 Werberecht im Internet Rn. 23).
Achtung bei Schriftgröße, Kontrast und Platzierung des Werbehinweises
Bei der Prüfung, ob das Trennungsgebot beachtet wurde, kommt es entscheidend auf den Gesamteindruck an. Danach erfüllte die Darstellung im Newsletter nicht die oben beschriebenen Anforderungen. Die an drei Stellen im Newsletter verlinkte Werbung war zwar jeweils mit dem Wort „Anzeige“ gekennzeichnet. Diese Kennzeichnung fiel aber sowohl von der geringen Schriftgröße, der gewählten hellgrauen Farbe auf weißem Grund als auch von ihrer Platzierung am rechten oberen Rand der Werbeanzeigen her beim ersten Betrachten des Newsletter kaum ins Auge.
Die Werbeverweise würden damit aus Sicht des Gericht auch von aufmerksamen Lesern nicht unmittelbar als solche wahrgenommen, da sie sich von ihrer grafischen Gestaltung her quasi nahtlos in die Verweise auf redaktionelle Artikel einfügten. Dass für die Werbehinweise offenbar eine abweichende Schriftart verwendet wurde, machte keinen Unterschied. Dem Leser falle der geringfügige Unterschied zwischen einer Schriftart ohne Serifen für die Verweise auf redaktionelle Artikel und einer solche mit Serifen für die Werbehinweise nur bei einer analysierenden Betrachtung auf.
Keine eigene Rubrik für Werbehinweise
Hinzu kam, dass keine gesonderte Rubrik für Werbung gebildet worden war. Die Werbehinweise waren stattdessen in die Hinweise auf redaktionelle Beiträge eingebettet worden (Abweichung zu Kammergericht, Urteil vom 13.11.2020, Az. 5 U 68/19, wo sich die Werbelinks innerhalb eines einheitlichen Blocks mit der eigenen Überschrift „Auch interessant“ befunden hatten). Im vorliegenden Fall waren die Anzeigen dagegen Teil einer einheitlichen listenartigen Darstellung, die gerade darauf angelegt ist, dass der Leser „automatisch“ auf die Schaltflächen „Weiterlesen“ klickt, um herauszufinden, ob ihn der nachfolgende Artikel interessiert.
Vor diesem Hintergrund hätte jeweils ein deutlicher und ins Auge fallender Hinweis auf den Werbecharakter der drei Anzeigen angebracht werden müssen.
Kein Verstoß gegen Schwarze Liste des UWG
Interessanterweise sah das Gericht keinen Verstoß gegen die Schwarze Liste des UWG wegen als Information getarnter Werbung (Ziffer 11 des Anhangs zu § 3 UWG). Danach ist verdeckte Werbung in Form schriftlicher Beiträge verboten, die den Eindruck erwecken, dass es sich bei ihnen um redaktionelle Inhalte handelt. Ein Beitrag hat einen redaktionellen Inhalt, wenn er seiner Gestaltung nach als objektive neutrale Berichterstattung durch das Medienunternehmen selbst erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 06.02.2014, Az. I ZR 2/11 – GOOD NEWS II; OLG Hamburg, Beschluss vom 19.06.2012, Az. 5 W 58/12). Das Gericht bediente sich hier einen Kniffs, indem es den Newsletter als alleinigen Bezugspunkte wählte, der für sich genommen keine „Berichterstattung“ darstelle. Es handele sich ausschließlich um Vorschauen auf redaktionelle Inhalte, die jeweils über die „Weiterlesen“ Buttons aufgerufen werden konnten. Damit konnte es nicht zu der von Anhang 11 zu § 3 UWG unerwünschten Vermischung von Werbung mit redaktionellen Inhalten kommen, da es an solchen – jedenfalls im Newsletter selbst – fehlte.
Update: Die Entscheidung des Landgerichts wurde vom Kammergericht bestätigt (Kammergericht, Beschluss vom 23.07.2024, Az. 5 U 78/22).