
Bei Erstellung eines Corporate Designs nebst Website und Video kann sich der genaue Inhalt des Werkvertrags auch erst während der Vertragsdurchführung ergeben (KG Berlin, Urteil vom 19.03.2019, Az. 21 U 80/18).
Werkvertrag bei Erstellung von Design, Website und Imagevideo
Ein Yachtvermieter einigte sich mit einer Werbeagentur auf die Erstellung eines Corporate Designs, einer Webseite sowie eines auf Mallorca zu drehenden Imagevideos. Die Agentur erbrachte daraufhin diverse Leistungen für den Yachtvermieter, u.a. wurde ein zweitägiger Drehtermin auf Mallorca durchgeführt. Das hieraus entstandene Imagevideo gefiel dem Yachtvermieter allerdings nicht, weshalb er die Abnahme verweigerte. Daraufhin verklagte die Agentur den Yachtvermieter.
Im Zentrum der rechtlichen Auseinandersetzung stand das Imagevideo. Die Abnahmereife der übrigen Agenturleistungen war unstreitig. Im Ergebnis wurde auch die Abnahmereife des Imagevideos bejaht und der Agentur ein aus dem Werkvertrag resultierender Vergütungsanspruch gegen den Kunden zugesprochen (§ 641 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zwar habe der Kunde die Werkleistung der Agentur nicht abgenommen, sie sei aber vertragsgemäß, so dass sich der Kunde nicht auf die fehlende Abnahme berufen könne.
Leistungsinhalt kann sich erst während Vertragsdurchführung ergeben
Das Kammergericht setzte sich eingehend mit der Rechtsnatur des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages auseinander, den es nicht als Designvertrag sui generis mit Elementen des Dienst-, Geschäftsbesorgungs- und Werkvertrages einstufte, sondern als Werkvertrag. Bei der Leistung der Agentur seien vereinbarungsgemäß bestimmte Erfolge zu erreichen gewesen wie die Erstellung eines näher definierten Corporate Designs, Logos, Flyern, einer Webseite und einem Video.
Ein Werkvertrag, dessen Gegenstand eine gestalterische oder künstlerische Leistung ist (z.B. Architektur, Design oder eine ähnliche künstlerische Leistung), weise jedoch einige Besonderheiten auf. Das „versprochene Werk“ i.S.v. § 631 Abs. 1 BGB als Leistungssoll eines solchen Vertrags sei bei Auftragserteilung oftmals noch in vielen Punkten zunächst unbestimmt. Der Gestaltungsprozess habe häufig noch nicht begonnen oder sei noch nicht abgeschlossen, z.B. bei den sog. Akquisitionsleistungen. Erst im Verlauf der Vertragsdurchführung werde das Leistungssoll näher konkretisiert. Das sei genuin für einen solchen Vertrag. Dem Besteller komme es typischerweise gerade auf die Ideen und ihre Umsetzung durch den Unternehmer an. Aus dem Urteil:
„Diese Unbestimmtheit des Leistungssolls ist das Charakteristikum eines Werkvertrags über eine gestalterische Werkleistung und steht der Annahme eines wirksamen Vertrages grundsätzlich nicht entgegen.“
Konkretisiert werde das Leistungssoll, indem die dazu berechtigte Vertragspartei während der Vertragsdurchführung ihr Leistungsbestimmungsrecht ausübe (vgl. BGH, Urteil vom 23.04.2015, VII ZR 131/13).
Leistungsbestimmung und Mitwirkungsobliegenheit als Kehrseite
Welche Vertragspartei in welcher Form zur Leistungsbestimmung berechtigt ist, richte sich in erster Linie nach dem Vertrag. Falls dieser keine ausdrücklichen Regelungen enthalte, sei das von den Parteien Gewollte durch Vertragsauslegung zu ermitteln. Herauszufinden sei der Umfang der Bestimmung und der Bestimmungsberechtigte, das heißt in welchen Punkten die Leistung der Agentur bestimmungsbedürftig ist und welcher Partei die Ausübung des Bestimmungsrechts zufällt. Dabei sei besonders auf die Interessen der Parteien zu achten, soweit sie für die jeweilige Gegenseite erkennbar sind, und die für die Agentur erkennbaren Ziele des Kunden.
Hinsichtlich der Auswahl der bestimmungsberechtigten Vertragspartei gelte: Aus dem Umstand, dass der Kunde ein gestalterisches oder sogar künstlerisches Werk in Auftrag gegeben habe, könne sich im Einzelfall ein Gestaltungsspielraum für die Agentur ergeben (vgl. OLG Köln, Urteil vom 14.11.2018, Az. 11 U 71/18, bereits in unserem Blog besprochen). Zugleich verfolge der Kunde mit der beauftragten Werkleistung aber bestimmte Ziele, so dass er grundsätzlich berechtigt sei, der Agentur zur näheren Konkretisierung der Leistung Vorgaben zu machen, wie aus seiner Sicht diese Ziele am besten erreicht werden können. Die Leistungsbestimmung stelle zugleich seine Mitwirkungsobliegenheit dar.
Die Konkretisierung des Leistungssolls könne dann abhängig vom Fortschritt schrittweise und auf mehreren Stufen des Werkprozesses erforderlich sein. Die berechtigte Partei könne ihr Leistungsbestimmungsrecht sowohl ausdrücklich als auch konkludent ausüben, wobei eine konkludente Ausübung nur dann anzunehmen sei, wenn das Verhalten der Vertragspartei aus Sicht eines objektiven Beobachters als Leistungsbestimmung erkennbar war.
Hier: Konkludente Leistungsbestimmung in Bezug auf Videomaterial
Im verhandelten Fall entschied das Kammergericht, dass die Entscheidung über den konkreten Inhalt des von der Agentur herzustellenden Imagevideos (etwa das Bildmaterial sowie die Dauer und Zusammenstellung der einzelnen Videosequenzen) der Bestimmung durch den Kunden unterlegen habe, der mit dem Video erkennbar eigene Werbezwecke verfolgt habe.
Zugleich habe der Vertrag vorgesehen, dass das erforderliche Video- und Bildmaterial bei einem einzigen zweitägigen Drehtermin auf Mallorca erstellt werde. Diese Terminierung sei verkehrsüblich und angemessen gewesen. Es habe dem Kunden oblegen, bestimmte Wünsche für das Videomaterial so mitzuteilen, dass die Agentur diesen Vorgaben mit ihren Dreharbeiten im Rahmen des einzigen Drehtermins nachkommen könne. Über eine Vertretung habe der Kunde hierzu auch die Möglichkeit gehabt. Die Vertretung habe zum Abschluss der Dreharbeiten keine Einwände gegen die Sichtweise der Agentur vorgebracht und keine weiteren Bilder eingefordert. Damit habe der Kunde sein Leistungsbestimmungsrecht auf der Zwischenstufe der Materialsammlung wenn nicht ausdrücklich, dann zumindest konkludent ausgeübt.
Durch die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts habe der Kunde allerdings lediglich eine Vor- bzw. Zwischenstufe des Werks als vertragsgemäß gebilligt. Die Werkleistung selbst sei zu diesem Zeitpunkt nicht insgesamt abgenommen, da Schnitt und Nacharbeitung des Videomaterials noch ausstanden.
Einflussnahme auf Post Production, aber kein Zusatzdreh
Der Kunde sei auch auf der nächsten Produktionsstufe berechtigt, im Sinne eines Leistungsbestimmungsrechts auf das Endergebnis Einfluss zu nehmen und der Agentur Vorgaben für die Verarbeitung des Videomaterials zu machen. Vorbehaltlich eines eventuellen künstlerischen Gestaltungsspielraums der Agentur habe der Kunde grundsätzlich fordern dürfen, dass eine bestimmte aufgenommene Sequenz ausgedehnt bzw. minimiert, eine andere Sequenz entfernt, die Reihenfolge mehrerer Sequenzen geändert oder andere Musik zur Untermalung verwendet wird.
Die Verwendung von gar nicht gedrehten Videosequenzen könne der Kunde aber grundsätzlich nicht mehr einfordern, es sei denn, er habe erst jetzt erkennen können, dass das vorhandene Material seinen Vorgaben nicht entspreche. Dafür müsse der Kunde konkret vortragen, in welcher Hinsicht er sein Leistungsbestimmungsrecht für das Endprodukt ausgeübt habe und welche Vorgaben die Agentur nicht erfüllt habe. Das war im verhandelten Fall unterblieben.
Zusammenfassung
Bei einem Vertrag über die Erstellung von Kreativleistungen wie Design, Websites, Videos etc. ist das Werk als bestimmungsgemäß anzusehen, wenn der Kunde sein bestehendes Recht zur Leistungsbestimmung ausgeübt und die Agentur im Rahmen der Vorgaben des Kunden geliefert hat. In diesem Fall darf der Kunde das Werk dann nicht wegen mangelnder Abnahmereife ablehnen. Das gilt auch dann, wenn sich die Leistungsbestimmung noch nicht auf einen abnahmefähigen Teil der Werkleistung, sondern auf eine Vor- oder Zwischenstufe bezieht.
Grundsätzlich ist denkbar, dass der Kunde sein auf einer Vorstufe des Werkprozesses ausgeübtes Leistungsbestimmungsrecht später wieder einseitig revidiert. Da das Leistungssoll des Vertrags dann aber bereits im Sinne der getroffenen Leistungsbestimmung fixiert ist, kann der Kunde seine Leistungsbestimmung nur dann nachträglich ändern, wenn ihm entweder ein entsprechendes einseitiges Leistungsänderungsrecht vertraglich eingeräumt wurde oder die Agentur sich hierauf einlässt, wozu sie typischerweise nur gegen Zahlung einer zusätzlichen Vergütung bereit sein wird.
Die Revision wurde vom Kammergericht nicht zugelassen.
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Hinweis: Dieser Beitrag wurde unter Mitwirkung unserer Referendarin Marina Shkolnikova erstellt.