Duftzwillinge erfreuen sich als preiswerte Alternativen zu Markenparfüms großer Beliebtheit. Doch die Vermarktung hat rechtliche Tücken und kann zu Abmahnungen führen. In diesem Beitrag erfahren Sie alles Wichtige.
Inhaltsübersicht
1. Was sind Duftzwillinge (Dupes)?
2. Markenrecht: Wie schützt man Parfüms?
3. Wettbewerbsrecht: Irreführung oder vergleichende Werbung?
4. Risiken für Händler: Was Gerichte bereits verboten haben
a. Aufmachung und Bezeichnung des Duftzwillings
b. Bestelllisten, Vergleichslisten, Parfümlisten
c. Werbeaussagen
d. Suchfunktion im Onlineshop
e. Kundenbewertungen
5. Ansprüche aus Markenrecht und Wettbewerbsrecht
6. Checkliste, Kostenrisiken, Tipps
1. Was sind Duftzwillinge?
Duftzwillinge („Dupes“) sind Parfüms, die hochwertige Markenparfüms imitieren, also identisch oder nahezu identisch riechen, aber zu deutlich günstigeren Preisen als die Originalparfüms angeboten werden.
Auf der einen Seite werden sie in der Regel unter anderem Namen und mit anderer Aufmachung und Verpackung vermarktet. Auf der anderen Seite werden Duftzwillinge häufig an den Namen, die Aufmachung sowie die Verpackung des Originals angelehnt. Damit stehen sie in direkter Konkurrenz zum jeweiligen Markenparfüm.
2. Markenrecht: Wie schützt man Parfüms?
Zum Einstieg erläutern wir, welche Markenarten eingesetzt werden, um Parfüms rechtlich zu schützen. Im Anschluss erklären wir, wie Duftzwillinge diese Marken verletzen können.
Viele denken zuerst an eine Geruchsmarke. Geruchsmarken sind theoretisch zulässig. Seit 2019 verlangt § 8 Abs. 1 MarkenG keine grafische Darstellbarkeit mehr. Seither genügt eine Darstellung, die den Schutzgegenstand klar und eindeutig bestimmt. Praktisch scheitern Geruchsmarken aber an diesen Anforderungen. So verneinte das BPatG beispielsweise im Jahr 2023 die Eintragungsfähigkeit eines Honigdufts für Golfbälle mangels präziser, objektiver Darstellbarkeit (BPatG, Beschluss vom 20.09.2023, Az. 29 W (pat) 515/21). Nach dem EuGH muss die Darstellung der Marke „klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv“ sein (vgl. EuGH, Urteil vom 12.12.2002, Az. C-273/00 – Sieckmann). Gerüche lassen sich mit gegenwärtigen Methoden nicht in dieser Weise beschreiben, weder über Worte, gaschromatographische Bilder, Farbcodes noch chemische Formeln (vgl. BPatG, Beschluss vom 20.09.2023, Az. 29 W (pat) 515/21). Die Markenämter erkennen eingereichte Duftproben ebenfalls nicht an. Da Düfte aktuell nicht marken- oder urheberrechtlich schützbar sind, ist ihre Nachahmung grundsätzlich zulässig, sofern nicht marken- oder wettbewerbsrechtliche Vorschriften verletzt werden.
Hersteller von Originalparfüms greifen deshalb auf markenrechtlichen Begleitschutz zurück, sei es in Form von Wortmarken (z.B. Chanel, Dior etc.), Bildmarken oder Wort-/Bildmarken (Logo, Schriftzug). Verpackung und Flakon können daneben als 3D-Marken registriert werden.
Beispiel: Der französische Luxusgüterkonzern LVMH hat das Parfüm GIVENCHY als Wortmarke und den zugehörigen Flakon als 3D-Marke schützen lassen.
Duftzwillinge können Marken der Original-Parfümhersteller in allen Tatbestandsvarianten des § 14 Abs. 2 MarkenG verletzen, das heißt aus dem Gesichtspunkt der Doppelidentität, Verwechslungsgefahr oder des Bekanntheitsschutzes.
- Doppelidentität liegt vor, wenn die Marke des Originalparfüms ohne Erlaubnis des Herstellers in identischer Form für Parfüms verwendet wird (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Beispiel: Wer einen Duftzwilling unter der Bezeichnung PARADOXE vertreibt, greift in das Markenrecht am Zeichen PARADOXE ein (PRADA-Marke; Lizenz zugunsten von L’Oréal).
- Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn eine neu registrierte oder benutzte Parfümmarke so ähnlich zu einer bereits bestehenden Originalparfümmarke ist, dass der Verkehr fälschlich annehmen könnte, dass die Parfüms vom gleichen oder einem wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen, obwohl sie in Wahrheit zu unterschiedlichen Firmen gehören (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).
Beispiel: Wer Begriffe wie PARADOX, PARADOXX oder PARADOCKS in Nizza Klasse 3 für „Parfüm“ als Wortmarke registriert, würde die Markenrechte von L’Oréal verletzen. Auch wenn keine neue Marke registriert wird, ein Duftzwilling aber unter einer derartigen Marke vertrieben würde, läge eine Markenverletzung vor.
- Bekanntheitsschutz bedeutet, dass eine Marke, die im Inland eine gewisse Bekanntheit erlangt hat, selbst dann geschützt ist, wenn keine Verwechslungsgefahr mit der neuen Marke besteht, diese aber ihre Wertschätzung oder Unterscheidungskraft ausnutzt (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG).
Beispiel: Wer mit Duftzwillingen handelt, darf keine Vergleichslisten herausgeben, in denen die Duftzwillinge als Imitationen bzw. Nachahmungen des jeweiligen Originalparfüms dargestellt werden.
3. Wettbewerbsrecht: Irreführung oder vergleichende Werbung?
Bei der Vermarktung von Duftzwillingen kann es außerdem zu Wettbewerbsrechtsverletzungen kommen, etwa wegen unlauterer Irreführung oder vergleichender Werbung.
Vergleichende Werbung ist grundsätzlich erlaubt. Eine Bezugnahme auf einen Mitbewerber im Rahmen der Werbung ist zulässig, wenn Verbraucher so über die Vorteile der miteinander verglichenen Waren informiert werden und wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften einander gegenübergestellt werden. Außerdem darf die Werbung nicht irreführend sein (BGH, Urteil vom 06.12.2007, Az. I ZR 169/04).
Vergleichende Werbung ist jedoch unlauter, wenn ein Fall des § 6 Abs. 2 UWG vorliegt. Bei der Vermarktung von Duftzwillingen sind die Nummern 4 und 6 des § 6 Abs. 2 UWG relevant:
- Nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG ist es unlauter, im Wege der vergleichenden Werbung den Ruf des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen. In dieser Vergleichskonstellation geht es nicht um eine Abgrenzung der beiden Produkte, sondern darum, durch den Vergleich vom Image des anderen (hier bekannten) Produkts zu profitieren.
- Nach § 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG handelt unlauter, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich eine Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung darstellt. Erforderlich ist eine Imitations- oder Nachahmungsbehauptung, die durch die Werbung vermittelt wird. Durch die Werbung selbst, nicht etwa durch außerhalb der Werbung liegende Umstände oder zusätzliches Hintergrundwissen, muss das beworbene Produkt als Imitat erkennbar sein; eine bloße Assoziation der Produkte durch die Werbung reicht nicht aus (BGH, Urteil vom 06.12.2007, Az. I ZR 184/05).
4. Duftzwillinge: Was ist erlaubt, was verboten?
Die Rechtsprechung hat sich in zahlreichen Entscheidungen damit auseinandergesetzt, welche Vermarktungspraktiken von Duftzwillingen gegen das Marken- und das Wettbewerbsrecht verstoßen.
a. Aufmachung und Bezeichnung des Duftzwillings
Duftzwillinge zeichnen sich häufig dadurch aus, dass ihre Verpackung, ihr Flakon, der Name des Duftes und die Schriftart an die jeweiligen Merkmale des Markenparfüms angelehnt sind.
Ob die Aufmachung bzw. Bezeichnung eines Duftzwillings wettbewerbswidrig ist, hängt stark vom konkreten Einzelfall ab. Die Gerichte prüfen Duftzwilling und Originalparfüm auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich Verpackung, Flakon, Namen und ggf. Etikettierung. Je origineller und untypischer die Merkmale des Originalprodukts sind, umso eher liegt eine Imitationsbehauptung vor, wenn ein solches Merkmal vom Duftzwilling übernommen wird. Bei Merkmalen, die branchenüblich sind, führt eine Anlehnung dagegen in der Regel nicht zu einem Rechtsverstoß. Je unähnlicher sich die Merkmale sind, umso weniger kann eine Imitationsbehauptung angenommen werden.
Ein Fall vor dem OLG Köln zeigt dies anschaulich. Unlautere vergleichende Werbung setzt eine offene Imitationswerbung bzw. Imitationsbehauptung voraus. Es muss offensichtlich aus der Werbung hervorgehen, dass das angepriesene Produkt ein Imitat ist. Eine offene Imitationsbehauptung liegt nicht vor, wenn möglicherweise ähnlich anmutende Merkmale wie der Name und die Verpackung bzw. Verpackungsfarbe nicht vom Marktüblichen abweichen. Viele Parfüms tragen Namen aus verwandten Begriffsfeldern wie Gefühle, Mode, Natur, Kunst und exotische Landschaften. Trägt der Duftzwilling einen Namen aus dem gleichen Themenfeld mit einer ähnlichen Bedeutung, liegt darin keine Imitationsbehauptung, da solche Parfümnamen branchenüblich sind. Auch die Verpackungsfarbe des Duftzwillings war unauffällig und marktüblich, so dass im Ergebnis keine Wettbewerbsverletzung vorlag (OLG Köln, Urteil vom 28.11.2008, Az. 6 U 63/05).
Auch wenn in Bezug auf die Ausstattung und die Bezeichnung des Produkts ein ausreichender Abstand zum Originalprodukt vorliegt, ist keine Imitationsbehauptung im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG gegeben. Hier ist auf den jeweils angesprochenen Adressatenkreis (z.B. Verbraucher, gewerblicher Wiederverkäufer oder Zwischenhändler) abzustellen (BGH, Urteil vom 05.05.2011, Az. I ZR 157/09).
Der EuGH hat sich auf markenrechtlicher Ebene mit der Frage auseinandergesetzt, wann eine Ähnlichkeit von Flakon und Verpackung eine Markenrechtsverletzung im Sinne einer unlauteren Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung der Marke darstellen kann. Hierzu entschied das Gericht, dass Verwechslungsgefahr für eine Markenrechtsverletzung nicht erforderlich sei. Ausreichend sei, dass sich ein Dritter in die Sogwirkung der Marke begebe und so von ihrem guten Ruf und ihrem Ansehen profitiere, ohne eine finanzielle Gegenleistung zu erbringen (EuGH, Urteil vom 18.06.2009, Az. C-487/07).
b. Bestelllisten, Vergleichslisten, Parfümlisten
In Bestell-, Vergleichs- bzw. Parfümlisten werden Duftzwillinge den imitierten Markenparfüms auf einer Liste zugeordnet. Dadurch wird für den Leser erkennbar, welches Markenparfüm der Duftzwilling imitiert.
Beispiel: Duftzwilling X riecht wie Markenparfüm Y.
Diese Listen werden dann zur Vermarktung des Duftzwillings verwendet, indem sie an Händler oder Kaufinteressenten weitergegeben werden.
Gerichte werten die Verwendung solcher Listen als Rechtsverstoß (OLG Nürnberg, Urteil vom 17.04.2007, Az. 3 U 2475/06; OLG Hamm, Urteil vom 23.11.2006, Az. 4 U 102/06). Der EuGH hat das in der Entscheidung L’Oréal/Bellure ausdrücklich bestätigt: Dupe-Vergleichslisten sind unzulässige vergleichende Werbung im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG; zugleich nutzen sie den Ruf bekannter Marken in unlauterer Weise aus (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG) und können markenrechtlich eine Ausnutzung der Unterscheidungskraft/Wertschätzung bekannter Marken begründen (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG / Art. 9 UMV). Der angesprochene Verkehr entnimmt solchen Listen, dass der Geruch des Originalprodukts nachgeahmt wird (EuGH, Urteil vom 18.06.2009, Az. C-487/07).
Diese Linie hat u.a. das LG Hamburg aufgegriffen und die Zuordnung von Dupes zu Originalen auf einer Website (inkl. „Dupe“-Begriff und Shop-Links) als Marken- und Wettbewerbsverstoß bewertet (LG Hamburg, Urteil vom 24.01.2023, Az. 327 O 130/22).
Welche Formulierung in den Vergleichslisten gewählt wird, um den Bezug von Originalparfüm und Duftzwilling aufzuzeigen, ist nicht entscheidend. Das Kammergericht stufte beispielsweise die Beschreibung eines Dufts in einer Vergleichsliste gefolgt von der Erläuterung „inspiriert von“ und der Nennung des Markenparfüms als wettbewerbswidrig ein.
Durch die Gegenüberstellung werde der gute Ruf des Markenparfüms auf den Duftzwilling übertragen (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG). Daneben ging das Gericht auch von einer Imitationswerbung im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG aus, da der Verbraucher die Bezeichnung „inspiriert von“ als „nachgebildet dem“ verstehe (Kammergericht, Hinweisbeschluss vom 27.04.2009, Az. 24 U 18/09).
Merke: In Zusammenhang mit Vergleichslisten wird zwischen interner und externer Verwendung der Listen unterschieden: Wird die Liste an Berater weitergegeben, die die Informationen ihrerseits an potentielle Kunden weitergeben, liegt bereits in der Weitergabe eine Verletzungshandlung. Voraussetzung dafür ist, dass es sich nicht um einen betriebsinternen Vorgang handelt. Ein Vorgang ist nicht betriebsintern, wenn die Berater in eigenem Namen auftreten und auf eigenes Risiko handeln (OLG Frankfurt, Urteil vom 01.04.2004, Az. 6 U 99/03).
c. Werbeaussagen
Bestimmte Formulierungen, mit denen Duftzwillinge beworben werden, können Rechtsverletzungen darstellen.
Das Kammergericht Berlin hat die Formulierung
„Konkurrenzprodukt mit den gleichen Haupt-Inhaltsstoffen […]“
auf einer Website als Verstoß gegen das Markenrecht des Originalparfümherstellers gewertet, da aus der Werbeaussage deutlich werde, dass ein Imitat zum Markenparfüm angeboten wird. Der Begriff „Imitat“ müsse nicht zwingend benutzt werden (Kammergericht, Urteil vom 11.09.2015, Az. 5 U 149/13).
Die Werbeaussage
„Nenne mir Dein Parfum und ich gebe Dir eine günstige Alternative“
wurde als Wettbewerbsverletzung eingestuft (Kammergericht, Hinweisbeschluss vom 27.04.2009, Az. 24 U 18/09).
In einem Beschluss des Landgerichts Berlin ging es um die Werbeaussage
„Parfümdupes – die aller besten Duftzwillinge“
auf Facebook, wo auf einen eBay-Shop verlinkt wurde, der die Duftzwillinge vertrieb. Die Werbeaussage an sich wurde nicht beanstandet. Interessenten erhielten aber zusätzlich Vergleichslisten geschickt. Bei den Vergleichslisten handelte es sich um eine Markenrechtsverletzung (LG Berlin, Beschluss vom 26.02.2016, Az. 15 O 394/15).
Das Kammergericht beanstandete die Werbeaussage
„Produkte die zur gleichen Geruchsfamilie gehören“
auf der Website eines Onlineshops dagegen nicht. Das Gericht bewertete die Aussage als zulässige vergleichende Werbung, da der Duft durch die Gegenüberstellung nicht als Imitat des Markenparfüms dargestellt wurde. Bei der Geruchsfamilie handelte es sich aus Sicht des Gerichts um ein grobes Unterscheidungskriterium und eine branchenübliche Klassifizierung. Die Werbeaussage zielte auf eine objektive Mitteilung über eine wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaft des Duftes (Kammergericht, Urteil vom 11.09.2015, Az. 5 U 149/13).
d. Suchfunktion im Onlineshop
Stellt ein Onlineshop eine Suchfunktion bereit, über die bei Eingabe des Markenparfüms der Duftzwilling als Treffer erscheint, ist dies wettbewerbswidrig. Die Suchfunktion dient in diesem Fall dem Zweck, das Imitat des Luxusparfüms aufzufinden (Kammergericht, Urteil vom 11.09.2015, Az. 5 U 149/13).
e. Kundenbewertungen
Onlinehändler müssen sich unter Umständen Kundenbewertungen in ihrem Shop als unlautere Werbung zurechnen lassen, was zu marken- und wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen der Originalhersteller führen kann.
Der Begriff der Werbung im Sinne von Art. 2 lit. a Werbe-Richtlinie ist weit auszulegen und umfasst nicht nur klassische Formen der Werbung. Neben unmittelbar produktbezogener Werbung stellen auch mittelbar absatzfördernde Maßnahmen eine Form von Werbung dar. Abzustellen ist auf das Verständnis des angesprochenen Verkehrskreises. Dies sind hier Verbraucher, die sich für einen preisgünstigen Erwerb von Parfüms interessieren.
Auf dieser Grundlage entschied beispielsweise das Berliner Kammergericht, dass Kundenbewertungen in einem Onlineshop eine Form von Eigenwerbung des Onlineshops darstellten (Kammergericht, Urteil vom 10.07.2024, Az. 5 U 92/22). Kundenbewertungen dienen Verbrauchern dazu, sich von unabhängigen Kunden informieren zu lassen, die das Produkt „getestet“ haben. Ziel ist eine Förderung des Produktabsatzes. Im verhandelten Fall hatte der Händler über das Angebot eines Gewinnspiels besondere Anreize für die Abgabe von Kundenbewertungen gesetzt. Abgegebenen Bewertungen wurden vom Händler zusätzlich aufbereitet: Für die Produkte wurde ein Sternedurchschnitt berechnet und angezeigt, die Kommentare wurden in „hilfreichste positive Bewertung“ und „hilfreichste kritische Bewertung“ eingeordnet, und den Nutzern stand die Möglichkeit offen, die Bewertungen nach bestimmten Kriterien (z.B. „hilfreichste“ oder „neueste“) zu sortieren.
Inhaltlich handelte es sich bei den Kundenbewertungen um Imitationsbehauptungen. Die Kunden schrieben, der angebotene Duft rieche wie das Original, sei ein preiswerter Ersatz zum Original, ähnele dem Original stark und rieche 1:1 wie das Original, wobei der Originalduft namentlich genannt wurde. Auch die Begriffe „Duftzwilling“ und „Dupe“ waren in den Bewertungen zu finden.
Merke: Nutzt der Shop Kundenbewertungen aktiv als Verkaufsinstrument (z.B. durch Hervorhebung/Sortierung/Anreize), können markenrechtswidrige Imitationsaussagen zugerechnet werden (Kammergericht, Urteil vom 10.07.2024, Az. 5 U 92/22).
5. Ansprüche aus Markenrecht und Wettbewerbsrecht
Liegt eine Verletzung des Markenrechts vor, kann der Rechteinhaber verschiedene Ansprüche geltend machen.
- Unterlassungsanspruch (§ 14 Abs. 5 MarkenG, Art. 9 Abs. 3 lit. f UMV, § 8 Abs. 1 UWG): Mit dem Unterlassungsanspruch kann der Rechteinhaber verlangen, dass der Händler die Marke künftig nicht mehr in der bisherigen rechtsverletzenden Weise benutzen darf. Bei Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung drohen im Wiederholungsfall hohe Vertragsstrafen. Kommt es zu einer Klage oder einstweiligen Verfügung, kann das Gericht Ordnungsgelder verhängen, wenn der Verletzer die Gerichtsentscheidung nicht beachtet.
- Schadensersatzanspruch (§ 14 Abs. 6 MarkenG, für die Unionsmarke Art. 101 Abs. 2, Art. 102 Abs. 2 UMV in Verbindung mit § 14 Abs. 6 MarkenG, § 9 UWG): Der Rechteinhaber darf den Schaden ersetzt verlangen, der durch die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzungshandlung entstanden ist und zukünftig entstehen wird (z.B. den Vertrieb der Duftzwillinge). Bei Markenrechtsverletzungen wird in der Praxis häufig eine fiktive Lizenzgebühr nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie gefordert.
- Auskunftsanspruch (§ 19 MarkenG oder aus Gewohnheitsrecht): Damit der Rechteinhaber seinen Schaden beziffern kann, steht ihm ein Anspruch auf Auskunft gegen den Verletzer zu. Dazu können bei einer Website für Duftzwillinge beispielsweise die Besucher- oder Klickzahlen gehören. Der Auskunftsanspruch kann auch darauf gerichtet sein, wie viel Umsatz der Websitebetreiber mit dem Vertrieb des Duftzwillings erzielt hat.
- Auch angemessene anwaltliche Rechtsverfolgungskosten müssen vom Verletzer ersetzt werden. Dazu gehören beispielsweise vorgerichtliche Anwaltskosten für eine berechtigte Abmahnung oder Ausgaben für notwendige Testkäufe.
6. Checkliste, Kostenrisiken, Tipps
a. Checkliste: Duftzwillinge rechtssicher vermarkten
✅ Erlaubt | ❌ Verboten / riskant |
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Eigenständige Fantasienamen verwenden | Originalmarke im Produktnamen oder in der Domain nutzen |
Verpackungen/Flakons klar vom Original abgrenzen | Vergleichs- oder Bestelllisten („riecht wie XY“) |
Allgemeine Duftbeschreibungen nutzen („blumig“, „holzig“) | Shop-Suchfunktion, die Dupes bei Markennamen anzeigt |
Werbung mit Duftfamilien („frisch“, „zitrisch“) | Kundenbewertungen mit Imitationsaussagen hervorheben |
Preiswerbung ohne Bezug auf Marken | Begriffe wie „Dupe“, „Duftzwilling“ oder „Alternative zu XY“ |
b. Kostenrisiken bei Abmahnungen
Abmahnkosten | 1.500–3.000 € je Abmahnung (Streitwert oft 50.000–250.000 €) |
Unterlassungserklärung | Vertragsstrafen von 5.000 € und mehr pro Verstoß |
Gerichtskosten | 5.000–20.000 € bei einstweiliger Verfügung/Klage |
Schadensersatz | Oft nach fiktiver Lizenzgebühr (5–10 % Umsatz mit dem Dupe) |
Testkäufe | Hersteller legen Kosten für Beweissicherung auf Händler um |
c. Praktische Tipps für Händler
1. | Vor Produktlaunch Markenregister (DPMA/EUIPO) prüfen |
2. | Keine Originalmarken in SEO, Metatags oder Shop-Suche einbauen |
3. | Eigenständige Markenidentität (Logo, Story, Packaging) entwickeln |
4. | Influencer-Marketing kontrollieren (keine „Dupe zu XY“-Aussagen) |
5. | Kundenbewertungen nicht mit Imitationsbegriffen pushen |
6. | Plattformregeln (Amazon/eBay) beachten, sonst droht Account-Sperre |
7. | Bei Abmahnung sofort Anwalt einschalten – nie unkritisch unterschreiben |
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Hinweis: Dieser Beitrag wurde unter Mitwirkung unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Laura Hellfeuer erstellt.