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OLG Stuttgart: Personalisierte Briefwerbung ist DSGVO-konform

briefwerbung ohne einwilligung

Personalisierte Briefwerbung ohne Einwilligung des Empfängers ist zulässig und DSGVO-konform. Erst wenn er Widerspruch erhebt, ist künftige Direktwerbung dieser Art unzulässig (OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.02.2024, Az. 2 U 63/22).

Wie kommt man legal in den Posteingang des Kunden?

Immer mehr Bereiche unseres Lebens werden digitalisiert. Es verwundert daher nicht, dass Unternehmen heute darum bemüht sind, sich selbst und ihre Produkte vor allem digital zu vermarkten.

Im Rahmen der entstandenen Aufmerksamkeitsökonomie war und ist der Posteingang als Zentrum unseres Onlinelebens ein besonders attraktiver Ort, um potentielle Neukunden anzusprechen. Die Werbung per E-Mail wurde angesichts hoher Missbrauchsgefahren jedoch stark limitiert; ohne vorherige Einwilligung ausdrückliche Einwilligung des Empfängers können Unternehmen nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen E-Mailwerbung betreiben. Gerade neu gegründete Firmen beklagen dies oft als hohe Einstiegshürde für den Aufbau des Vertriebs. Zu Unrecht, ihr Absatzinteresse hat geringeres Gewicht als der Schutz der Bevölkerung vor belästigender Werbung.

E-Mailwerbung ist aber nicht einzige Weg, um in den Posteingang der Adressaten zu gelangen. Aus Umweltschutzgesichtspunkten sicher zweifelhaft6, doch der analoge Posteingang (“Briefkasten”) ist als Werbekanal nicht tot. Für diesen gelten weniger strenge Begrenzungen. Denn wer Briefwerbung betreiben will, muss im Vergleich zu E-Mailwerbung deutlich mehr Geld in die Hand nehmen. Entsprechend geringer ist die Missbrauchsanfälligkeit von postalischer Werbung.

Ist personalisierte Briefwerbung datenschutzrechtlich erlaubt?

In einem vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelten Fall stellte sich nun die Frage, ob eine personalisierte Ansprache in Zeiten der DSGVO erlaubt ist oder nicht. Eine Versicherung bzw. deren Werbedienstleister war verklagt worden, weil dem Kläger personalisierte Briefwerbung geschickt worden war. Der Kläger hatte hierfür keine Einwilligung erteilt und sah sowohl in der Erhebung als auch Nutzung seiner personenbezogenen Daten für diese Form von Briefwerbung eine Datenschutzverletzung.

Personalisierte Direktwerbung per Post durch berechtigtes Interesse gedeckt

Diesem Vorwurf erteilte das OLG Stuttgart jedoch eine Absage. Personalisierte Briefwerbung sei durch ein berechtigtes Interesse des Werbenden gerechtfertigt (Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO). Es sei nicht nötig, dass bereits eine Kundenbeziehung bestehe. Erwägungsgrund Nr. 47 erkenne Direktwerbung ausdrücklich als Beispiel für ein berechtigtes Interesse an.

Unter dem Begriff der “Direktwerbung” verstehe die Datenschutzgrundverordnung – etwa in Artikel 21 Abs. 2 DSGVO – jede unmittelbare Ansprache der betroffenen Person, etwa durch Zusendung von Briefen (Buchner/Petri in: Kühling/Buchner, DS-GVO, 4. Aufl. 2024, Artikel 21 DSGVO Rn. 26). Weder aus Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO noch aus den Erwägungsgründen ergäben sich dagegen Anhaltspunkte dafür, dass die Direktwerbung nur innerhalb einer bestehenden Kundenbeziehung als berechtigtes Interesse anerkannt werde. Unter dem Begriff der berechtigten Interessen seien vielmehr sämtliche rechtlichen, wirtschaftlichen oder ideellen Interessen zu verstehen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.01.2021, Az. 11 LA 16/20), die auch außerhalb oder im Vorfeld einer Kundenbeziehung liegen können. Zutreffend habe das Landgericht auch gesehen, dass das berechtigte Interesse eines Dritten – hier das Interesse des Werbenden an der Verteilung der Werbebotschaft – dem Interesse des Beklagten als Verantwortlichen gleichstehe.

Datenverarbeitung erforderlich, keine überwiegenden Interessen des Werbeempfängers

Nachfolgend führt das Oberlandesgericht aus:

“Weiter hat das Landgericht überzeugend herausgearbeitet, dass die Verarbeitung der personenbezogenen Daten erforderlich war. Insbesondere steht der Erforderlichkeit nicht der Einwand der Berufung entgegen, dass auch eine Übersendung der Werbung per elektronischer Post möglich wäre. Zwar sollen personenbezogene Daten nicht verarbeitet werden, wenn der Zweck der Verarbeitung in zumutbarer Weise durch andere Mittel erreicht werden kann, die weniger stark in die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen eingreifen (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2023 – C-252/21, Rn. 108). Dabei kann der Kläger die Beklagte allerdings nicht darauf verweisen, die Zusendung elektronischer Nachrichten sei weniger belastend für Betroffene. Nach der Wertung der deutschen Rechtsordnung stellt die Versendung elektronischer Nachrichten ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung vielmehr eine unzumutbare Belästigung dar (vgl. § 7 Absatz 2 Nr. 2 UWG), während die Zusendung eines Briefes mit einer sofort als Werbung erkennbaren Botschaft als zulässig bewertet wird (BGH, Urteil vom 30. April 1992 – I ZR 287/90, juris Rn. 14 – Briefwerbung; BGH, Urteil vom 3. März 2011 – I ZR 167/09, juris Rn. 19 – Kreditkartenübersendung).”

“Weiter hat das Landgericht auch überzeugend die Interessen der Streitparteien miteinander abgewogen und ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Interessen, Grundrechte und Grundfreiheiten des Klägers die Interessen der Beklagten und ihrer Auftraggeberin jedenfalls nicht überwiegen. Alleine das Interesse des Klägers, keine Werbung zu erhalten, führt nicht zu einer ihm günstigen Interessenabwägung. Erst wenn er einen Widerspruch erhebt, ist die künftige Direktwerbung unzulässig (Artikel 21 Absatz 2 DSGVO). “

Autor: Niklas Plutte

Niklas Plutte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz mit Sitz in Mainz. Folgen Sie ihm bei Twitter, Facebook und LinkedIn!

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