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Aufbrauchfrist in Unterlassungserklärung bzw. Unterlassungsurteil

aufbrauchfrist markenrecht

In diesem Beitrag erklären wir, wann bei strafbewehrten Unterlassungserklärungen bzw. gerichtlichen Unterlassungstiteln die Gewährung einer Aufbrauchfrist bzw. Umstellungsfrist verlangt werden darf.

Unterlassungserklärung: Ab wann besteht Unterlassungspflicht?

Kommt es im Bereich von Urheberrecht, Markenrecht, Wettbewerbsrecht, aber auch IT Recht oder Medienrecht zu Rechtsverletzungen, werden diese gewöhnlich zunächst außergerichtlich per Abmahnung verfolgt.

Beispiel: Vertrieb von Ware mit markenrechtsverletzendem Aufdruck auf der Verpackung oder fehlerhaften Produkthinweisen.

Will der rechtsverletzende Schuldner die gerichtliche Klärung des Unterlassungsanspruch vermeiden, muss er eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben. Je nach Abmahnkonstellation beginnt die Unterlassungspflicht zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

  1. Ist der Abmahnung eine Unterlassungserklärungsvorlage beigefügt und unterzeichnet der Schuldner diese Vorlage, ohne dass eine Aufbrauchfrist vereinbart wurde, entsteht die Unterlassungspflicht sofort mit Zugang der unterzeichneten Unterlassungserklärung beim Gläubiger. Grund ist, dass die Rechtsprechung in der Unterlassungsvorlage ein Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrags sieht, das durch unveränderte Unterzeichnung der Vorlage (bzw. Abgabe einer gleichlautenden Unterlassungserklärung) angenommen wird. Der postalische Zugang der Unterlassungserklärung beim Gläubiger muss nicht zwingend maßgeblich für den Zugang sein. Wird die Unterlassungserklärung vorab per Fax oder E-Mail an den Gläubiger verschickt, geht sie diesem bereits im Moment des Erhalts der Nachricht zu.
  2. War der Abmahnung eine Unterlassungserklärungsvorlage beigefügt, die der Schuldner nicht unverändert unterzeichnen will, hat er die Möglichkeit, eine modifizierte Unterlassungserklärung abzugeben, die den Ansprüchen des Gläubigers genügt. Die Unterlassungspflicht entsteht bei Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung nicht mit Zugang beim Gläubiger, sondern erst, wenn dieser die Annahme der modifizierten Fassung erklärt – genauer gesagt im Moment des Zugangs der Annahmeerklärung beim Schuldner.
  3. War der Abmahnung keine Unterlassungserklärungsvorlage beigefügt und gibt der Schuldner von sich aus eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, liegt darin ein Angebot, das zunächst vom Gläubiger angenommen werden muss, damit ein Unterlassungsvertrag zustande kommt. Wiederum wird die Unterlassungspflicht erst wirksam mit Zugang der Annahmeerklärung beim Schuldner.

Problem: Sofortige Wirkung von Unterlassungserklärungen

Es kommt häufig vor, dass Schuldner an sich bereit sind, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, jedoch innerhalb der gesetzten Reaktionsfrist nicht sicherstellen können, dass die Rechtsverletzung wie z.B. eine Markenrechtsverletzung oder Wettbewerbsverletzung vollständig beseitigt wird.

Beispiel: Die Entfernung eines Produkts oder Unternehmens vom Markt kann oft nicht mit Sicherheit innerhalb einer kurzen Frist von wenigen Tagen sichergestellt werden.

Bei Abmahnungen ist das Erbitten von Fristverlängerungen oft keine Lösung, weil der Gläubiger zum einen während einer Fristverlängerung ungesichert bleibt und zum anderen ggf. die Dringlichkeit der Sache im Hinblick auf ein Eilverfahren riskiert.

Würde man den Schuldner in dieser Lage zwingen, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ohne Übergangsphase abzugeben, träte die Unterlassungspflicht im Rahmen der oben beschriebenen Abfolgen sofort in Kraft mit der Folge eines unmittelbaren Risikos von teuren Vertragsstrafen. Je nach Lage des Falls kann dies eine unzumutbare Härte darstellen.

Einvernehmliche Lösung: Vertragliche Gewährung einer Aufbrauchfrist

Vor dem geschilderten Hintergrund werden in der Praxis häufig Aufbrauchfristen in strafbewehrte Unterlassungserklärungen aufgenommen. Eine Aufbrauchfrist ist eine materiell-rechtliche Einschränkung des Unterlassungsanspruchs (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2013, Az. I-2 U 92/11), die es dem Schuldner erlaubt, das angegriffene Verhalten bis zu einem festgesetzten Zeitpunkt fortsetzen zu dürfen, ohne dafür vom Gläubiger belangt zu werden (z.B. den Vertrieb von markenrechtsverletzender Ware).

Der Gläubiger erhält auf diese Weise direkt einen vollwertigen Unterlassungsvertrag mit der einzigen Abweichung, dass Verletzungen der Unterlassungspflicht erst nach Ablauf der vereinbarten Aufbrauchfrist sanktioniert werden können.

Im Streitfall bietet es sich stets an, den Gläubiger um Gewährung einer vertraglichen Aufbrauchfrist zu bitten, selbst im gerichtlichen Stadium (speziell im Rahmen von Vergleichsverhandlungen). Stimmt der Gläubiger der erbetenen Aufbrauchfrist zu, kommt es nicht auf die häufig schwer zu beantwortende Frage an, ob ein Rechtsanspruch auf Gewährung der Aufbrauchfrist besteht.

Im Gegensatz dazu raten wir grundsätzlich davon ab, eigenmächtig ohne Rücksprache mit dem Gläubiger eine Aufbrauchfrist in die strafbewehrte Unterlassungserklärung aufzunehmen. Wer diesen Weg wählt, sollte sich sehr sicher sein, dass von Rechts wegen ein entsprechender Anspruch in der gewählten Dauer besteht. Da sich beides außergerichtlich meist nicht in verlässlicher Weise bestimmen lässt, geht mit eigenmächtigen (unberechtigten und/oder unangemessenen) Aufbrauchfristen ein Risiko einher, dass der Gläubiger wegen fortbestehender Wiederholungsgefahr erfolgreich gerichtliche Schritte gegen den Schuldner einleitet, z.B. in Gestalt einer Klage auf Unterlassung oder einstweiligen Verfügung.

Beispiel für eine Aufbrauchfrist in einer strafbewehrten Unterlassungserklärung:

“Die Parteien sind sich einig, dass dem Unterlassungsschuldner eine Aufbrauchfrist bis einschließlich [Datum] gewährt wird. Verstößt der Unterlassungsschuldner während der Aufbrauchfrist gegen seine Unterlassungspflichten nach diesem Vertrag, schuldet er keine Vertragsstrafe.”

Wann besteht ein Rechtsanspruch auf eine Aufbrauchfrist?

Dem Schuldner eines Unterlassungsanspruchs kann nach § 242 BGB unabhängig von einer Erlaubnis des Gläubigers eine Aufbrauchfrist gewährt werden, und zwar sowohl bei einer Unterlassungsklage als auch einstweiligen Verfügung – dies steht nicht im Widerspruch zur Dringlichkeit (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.01.2020, Az. 6 W 116/19).

Voraussetzung ist, dass dem Schuldner durch ein sofort mit der Zustellung des Titels uneingeschränkt zu beachtendes Verbot unverhältnismäßige Nachteile entstehen und die Belange sowohl des Gläubigers als auch der Allgemeinheit durch eine befristete Fortsetzung des Rechtsverstoßes nicht unzumutbar beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2022, Az. I ZR 143/19Knuspermüsli II).

Der Schuldner muss die Voraussetzungen für die Gewährung einer Aufbrauchfrist substantiiert darlegen. Insbesondere muss er darlegen, in welchem Zeitraum er die Umstellung und den Aufbrauch bewerkstelligen kann.

Die Entscheidung über die Einräumung einer Aufbrauchfrist erfordert eine Interessenabwägung. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit den Schuldner ein Verschulden trifft. Zu seinen Gunsten kann sich dabei auswirken, dass er das streitgegenständliche Verhalten längere Zeit unbeanstandet vorgenommen hat. Eine Verurteilung in Vorinstanzen kann dagegen dazu führen, dass der Schuldner sich auf einen ungünstigen Ausgang auch des Revisionsverfahrens einstellen konnte und musste.

Insgesamt ist der Zeitfaktor von entscheidender Bedeutung, d.h. es ist danach zu fragen, ab wann der Schuldner mit dem Verbot rechnen musste und ob er Gelegenheit hatte, sich auf das drohende Verbot einzurichten. Die Frage macht deutlich, dass eine Aufbrauchsfrist am dringendsten benötigt wird, wenn der Schuldner durch das gerichtliche Verbot quasi überrascht wird, also dann, wenn das gerichtliche Unterlassungsgebot am Anfang der Auseinandersetzung steht, wie es häufig im Verfahren der einstweiligen Verfügung der Fall ist, zumal wenn dem Verfügungsantrag keine Abmahnung vorausgegangen ist (vgl. OLG München, Urteil vom 30.09.2021, Az. 6 U 6754/20muenchen.de).

Weniger strenge Anforderungen können im Fall eines Angriffs gegen die Firmierung des Schuldners gelten. Teilweise wird einschränkend vertreten, dass die Interessen der Allgemeinheit und der Verbraucher insbesondere bei Wettbewerbsverstößen auf Grund einer Irreführung gemäß §§ 5, 5a UWG in einer Weise betroffen sein könnten, dass die Gewährung einer Aufbrauchfrist generell abzulehnen sei. Der BGH hat diese Frage jedoch zuletzt offengelassen (BGH, Urteil vom 07.04.2022, Az. I ZR 143/19Knuspermüsli II).

Merke: Anders als im Rahmen des außergerichtlichen Abmahnstadiums werden Aufbrauchfristen von den Gerichten nur in Ausnahmefällen gewährt. Liegen die Voraussetzungen für eine Aufbrauchfrist jedoch vor, muss das Gericht sie von Amts wegen zusprechen – es besteht kein Raum für Ermessen. Das gilt selbst dann, wenn der Schuldner bzw. Antragsgegner keinen entsprechenden Antrag gestellt hatte; denn das Unterlassungsgebot mit Aufbrauchfrist ist in dem uneingeschränkten Unterlassungsantrag als ein Minus enthalten (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Bornkamm, 40. Aufl. 2022, UWG § 8 Rn. 1.96; OLG Celle, Urteil vom 22.10.2015, Az. 13 U 123/14).

Wie lange sollte die Aufbrauchfrist bemessen sein?

Die Dauer bzw. Länge einer Aufbrauchfrist hängt stets vom Einzelfall ab, feste zeitliche Regeln oder Grenzen gibt es nicht.

Bei Änderungen von Firmennamen und Markennamen hat die Rechtsprechung einen Zeitraum von mehreren Monaten für die Umstellung zugelassen, wenn sich die notwendige Umstellung nicht schneller bewerkstelligen lässt (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 19.04.1996, Az. 2 U 105/95International Christian Chamber of Commerce).

Führt eine Gesetzesänderung dazu, dass Geschäftsauftritte bzw. -prozesse umgestellt werden müssen, hängt die Dauer der Aufbrauchfrist insbesondere von der Länge des Zeitraums zwischen der Verkündung der Änderung im Gesetzblatt und ihrem Inkrafttreten ab. Acht Tage sollen jedenfalls noch innerhalb des Zeitraums liegen (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 30.11.2007, Az. 1 W 193/07zugelassen am OLG und LG).

Kleineren Unternehmen wurde bei Verbraucherrechtsverstößen wie z.B. Fehlern in AGB oder der Widerrufsbelehrung eine Umstellungsfrist vor allem in solchen Fällen zugestanden, in denen sie zahlreiche zu korrigierende Angebote im Internet stehen hatten, etwa bei eBay. (Kleinen) Händlern müsse zugestanden werden, zunächst rechtlichen Rat über eine zulässige Gestaltung ihres Geschäftsbetriebs bzw. Internetangebots einholen, um die Angebote auf dieser Basis anpassen zu können (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 29.06.2010, Az. I-4 U 24/10). Doch Vorsicht: Selbst falls eine Aufbrauchfrist angenommen werden kann, wird diese bei Internetangeboten nur wenige Tage betragen (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 29.05.2009, Az. 10 U 56/08).

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Autor: Niklas Plutte

Niklas Plutte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz mit Sitz in Mainz. Folgen Sie ihm bei Twitter, Facebook und LinkedIn!

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