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EuGH: Netzsperre wegen Urheberrechtsverletzung zulässig

Aktuelle Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Internetprovider unter gewissen Voraussetzungen gerichtlich dazu gezwungen werden können, ihren Kunden den Zugang zu urheberrechtsverletzenden Websites (hier: kino.to) zu sperren.

Grundsatzurteil zur Zulässigkeit von Netzsperren

Im Prozess hatten die Unternehmen Constantin Film Verleih GmbH und Wega Filmproduktionsgesellschaft mbH vom österreichischen Internetprovider UPC Telekabel Wien verlangt, seinen Kunden den Zugang zur mittlerweile abgeschalteten Website kino.to zu sperren. Dagegen wehrte sich der Internet-Provider gerichtlich.

Das Verfahren landete schließlich beim EuGH, der die Grundsatzfrage zu entscheiden hatte, ob Anbieter von Internetzugangsdiensten (sog. “Access Provider”) dazu gezwungen werden können, ihren Kunden den Zugang zu Websites zu sperren, über die nachweislich urheberrechtlich geschützte Inhalte heruntergeladen bzw. gestreamt werden können. Offen war, ob eine Sperrpflicht sogar dann bestehen könne, wenn dem Access Provider dadurch nicht unerheblicher Aufwand entstünde und Sperren von Nutzern relativ umgegangen werden können.

EuGH: Access Provider ist Vermittler von Urheberrechtsverletzungen

Fraglich war bereits, ob Access Provider wegen der Verschaffung des Internetzugangs als “Vermittler” im Sinne von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29 anzusehen waren, deren Dienste von Dritten zur Begehung von Urheberrechtsverletzungen genutzt werden. Obwohl man sicherlich auch der Ansicht sein konnte, dass nur der die Website besuchende Kunde des Access Providers als relevanter Nutzer anzusehen ist, stufte der EuGH Access Provider im Ergebnis unter Verweis auf Wortlaut sowie Sinn und Zwecke der Richtlinie als Vermittler ein. In seiner Begründung stellte das Gericht insbesondere darauf ab, dass Rechteinhabern die Möglichkeit einzuräumen sei, unabhängig vom tatsächlichen Abruf vorbeugend gegen urheberrechtsverletzende Inhalte im Web vorgehen zu können.

EuGH: Netzsperren nur auf richterliche Anordnung

Eine Sperrung von Websites mit “ausschließlich oder doch weit überwiegend” urheberrechtswidrigen Inhalten sei aber nur auf richterliche Anordnung zulässig. Bei der Entscheidung über eine Sperrung müsse vom Gericht ein angemessener Ausgleich zwischen dem Schutz von Urheberrechten auf der einen Seite sowie der Meinungsfreiheit und den wirtschaftlichen Interessen der Internetanbieter auf der anderen Seite gefunden werden, der auch die Informationsfreiheit der Nutzer berücksichtigte.

Kritik: Grundstein für Inhaltszensur im Internet

Das Urteil des EuGH wurde bereits kurz nach Veröffentlichung als Bedrohung des freien Internets und Grundstein für Inhaltszensur im Netz scharf kritisiert, etwa von netzpolitik.org, Thomas Stadler oder dem Verein Digitale Gesellschaft. Ein weiterer problematischer Aspekt ist beispielsweise die Durchsetzung von Netzsperren per einstweiliger Verfügung, wenn sich u.U. erst nach Jahren im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens herausstellt, dass die Sperre zu Unrecht erfolgte. Praktische Probleme bereitet auch die passgenaue Sperrung von Webinhalten. Zu befürchten steht, dass Access Provider eher in weitem Umfang Inhalte sperren werden, um Regressansprüchen der Rechteinhaber wegen nicht ausreichender Sperrung vorzubeugen.

Der Volltext der Entscheidung EuGH, Urteil vom 27.3.2014, Az. C‑314/12 ist hier abrufbar. Die amtlichen Leitsätze lauten:

“1. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass eine Person, die ohne Zustimmung des Rechtsinhabers Schutzgegenstände im Sinne von Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie auf einer Website öffentlich zugänglich macht, die Dienste des als Vermittler im Sinne von Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie anzusehenden Anbieters von Internetzugangsdiensten der auf diese Schutzgegenstände zugreifenden Personen nutzt.

2. Die durch das Unionsrecht anerkannten Grundrechte sind dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Anordnung nicht entgegenstehen, mit der einem Anbieter von Internetzugangsdiensten verboten wird, seinen Kunden den Zugang zu einer Website zu ermöglichen, auf der ohne Zustimmung der Rechtsinhaber Schutzgegenstände online zugänglich gemacht werden, wenn die Anordnung keine Angaben dazu enthält, welche Maßnahmen dieser Anbieter ergreifen muss, und wenn er Beugestrafen wegen eines Verstoßes gegen die Anordnung durch den Nachweis abwenden kann, dass er alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat; dies setzt allerdings voraus, dass die ergriffenen Maßnahmen zum einen den Internetnutzern nicht unnötig die Möglichkeit vorenthalten, in rechtmäßiger Weise Zugang zu den verfügbaren Informationen zu erlangen, und zum anderen bewirken, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert werden und dass die Internetnutzer, die die Dienste des Adressaten der Anordnung in Anspruch nehmen, zuverlässig davon abgehalten werden, auf die ihnen unter Verletzung des Rechts des geistigen Eigentums zugänglich gemachten Schutzgegenstände zuzugreifen, was die nationalen Behörden und Gerichte zu prüfen haben.”

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Autor: Niklas Plutte

Niklas Plutte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz mit Sitz in Mainz. Folgen Sie ihm bei Twitter, Facebook und LinkedIn!

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