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BGH zur Mehrfachabmahnung (fast) gleicher Rechtsverstöße

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Der BGH verneint rückwirkenden Rechtsmissbrauch. Die mehrfache Verfolgung (nahezu) gleicher Wettbewerbsverstöße kann erlaubt sein, wenn unsicher ist, ob die erste Abmahnung auch den späteren Verstoß abdeckt (BGH, Urteil vom 19.07.2012, Az. I ZR 199/10Unbedenkliche Mehrfachabmahnung).

Mehrere Abmahnungen zu quasi gleichem Sachverhalt

Der Betreiber eines Onlineshops war von einem Mitbewerber wegen irreführender Werbung sowie des Versands eines wettbewerbswidrigen Newsletters abgemahnt worden, da im Newsletter kein Hinweis auf die Versandkosten angegeben worden war. Weil sich Abgemahnte weigerte, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, erwirkte der Mitbewerber eine einstweilige Verfügung. Noch vor deren Zustellung mahnte der Mitbewerber den Onlinehändler erneut ab, da auch in einem zweiten Newsletter kein Hinweis auf die Versandkosten enthalten war. Der Onlinehändler gab daraufhin hinsichtlich der irreführenden Werbung eine Unterlassungserklärung ab, nicht jedoch hinsichtlich des Versandkostenthematik. Außerdem verweigerte er die Zahlung von Kosten.

Das Landgericht Berlin gab der Unterlassungsklage des Mitbewerbers in Bezug auf die erste Abmahnung statt und wies die Klage im Übrigen ab, da für die zweite Abmahnung kein Rechtsschutzbedürfnis gegeben sei. In der Berufungsinstanz wies das Kammergericht Berlin die Klage gar vollständig mit der Begründung ab, die zweite Abmahnung sei rechtsmissbräuchlich (§ 8 Abs. 4 UWG) gewesen, was zur Folge gehabt hätte, dass sich die Rechtsmissbräuchlichkeit auf die erste Abmahnung gewissermaßen “durchschlage”.

BGH: Kein rückwirkender Rechtsmissbrauch

Dies sah der Bundesgerichtshof anders. Ein missbräuchliches Verhalten bei einer zweiten Abmahnung des gleichen Anspruchstellers könne von vornherein keinen Einfluss auf dessen erste Abmahnung haben, da diese zum Zeitpunkt der zweiten Abmahnung bereits in der Vergangenheit liegt (BGH, Urteil vom 31.05.2012, Az. I ZR 45/11Missbräuchliche Vertragsstrafe). Selbst bei Bejahung der zweiten Abmahnung als missbräuchlich wären die Unterlassungs- und Zahlungsansprüche der ersten Abmahnung damit unberührt geblieben. Der BGH lehnt nachträgliche Rückschlüsse auf Rechtsmissbrauch also ab.

BGH: Bei unsicherem Verbotsumfang kann zweite Abmahnung ausnahmsweise berechtigt sein

Der BGH betont abgesehen davon, dass die Stellung mehrerer nahezu identischer Unterlassungsanträge hinsichtlich gleicher Verletzungshandlungen durchaus ein Indiz für Rechtsmissbrauch sein kann. Wenn sich der Anspruchsteller aber nicht darauf verlassen könne, mit einem

“auf eine Verletzungsform bezogenen Unterlassungsantrag einen Unterlassungstitel zu erwirken, der als kerngleiche Verletzungshandlung eine weitere Verletzungsform umfasst”,

könne es umgekehrt gerade prozessualer Vorsicht entsprechen, zwei Unterlassungsanträge zu stellen. In diesem Fall läge kein Rechtsmissbrauch vor.

Ähnliche Konstellationen

Anders ist die Rechtslage bei mehrfachen (fast) gleichen Abmahnungen durch verschiedene Gläubiger zu beurteilen sein. Gehen beispielsweise mehrere durch denselben Rechtsanwalt vertretene Konzernunternehmen wegen eines Wettbewerbsverstoßes in der Weise vor, dass sie den Beklagten gleichzeitig in jeweils getrennten Anwaltsschreiben abmahnen, kann darin eine mißbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs liegen, wenn keine vernünftigen Gründe für dieses Vorgehen ersichtlich sind. Den Konzernunternehmen ist es in einem solchen Fall zuzumuten, ihr Vorgehen in der Weise zu koordinieren, dass die Abmahnung entweder nur von einem Konzernunternehmen oder gemeinsam ausgesprochen wird (BGH, Urteil vom 17.01.2002, Az. I ZR 241/99).

Dagegen ist Abmahnung wegen eines Wettbewerbsverstoßes nicht allein deshalb missbräuchlich und nach § 8 Abs. 4 UWG unzulässig, weil eine frühere Abmahnung wegen eines gleichartigen Wettbewerbsverstoßes missbräuchlich und nach § 8 Abs. 4 UWG unzulässig war und sich die spätere Abmahnung ausdrücklich auf die frühere Abmahnung bezieht (BGH, Urteil vom 15.12.2011, Az. I ZR 174/10).

Autor: Niklas Plutte

Niklas Plutte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz mit Sitz in Mainz. Folgen Sie ihm bei Twitter, Facebook und LinkedIn!

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Was wäre denn, wenn es sich um ein Markenverletzungsverfahren dreht. Wenn dabei eine einstweilige Verfügung erwikt ist und das kerngleiche Verlangen bezüglich Produkte eines weiteren Markeninhabers aussteht. Niemand hindert den Verletzer an weiteren Verletzungshandlungen mit Produkten unter dem Kennzeichen des zweiten Markeninhabers und auch der erste Markeninhaber kann nur gegen Verletzungen seiner Marke vorgehen.
    Der zweite Markeninhaber darf ja aber nicht gegen den Verletzer vorgehen, es besteht offiziel keine Wiederholungsgefahr und auch effektiv da kein Rechtsschutzbedürfnis. Gibt es dafür eine Ausnahme? Fand nur WRP 1986, 191 f. aber das scheint mir veraltet… ??

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  2. Ich denke nicht, dass man die wettbewerbsrechtlichen Maßstäbe der BGH-Entscheide hier auf das Markenrecht übertragen kann. Warum sollte der zweite Markeninhaber nicht aus seiner Marke gegen den Verletzer vorgehen dürfen? Ein Markeninhaber hat bei Verletzung seiner Marke normalerweise unabhängig von anderen markenrechtlichen Verfahren alle Rechte gegen den Verletzer. PS. Falls es komplizierter wird, macht es vielleicht Sinn, wenn Sie mich kurz unter 06131-9205994 anrufen.

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