Der Bundesgerichtshof hat professionellen Fotoabmahnern eine klassische Einnahmequelle in Gestalt von Vertragsstrafen wegen nicht vom Server gelöschter Fotodateien faktisch entzogen (BGH, Urteil vom 27.05.2021, Az. I ZR 119/20 – Lautsprecherfoto).
Fotoabmahnungen und der klassische Fehler juristischer Laien
Unsere Kanzlei hat in den letzten zehn Jahren hunderte, wahrscheinlich tausende Fotoabmahnungen bearbeitet, ganz überwiegend auf Seiten der Abgemahnten. Was die effektive Beseitigung von Fotorechtsverletzungen im Internet angeht, kam es vor allem immer wieder zu den folgenden beiden Fehlern mit der Folge des Risikos von Vertragsstrafen.
- Fehlende Löschung des Caches von Suchmaschinen, insbesondere Google
- Löschung des abgemahnten Fotos aus Seiten/Beiträgen, ohne gleichzeitig die Bilddatei(en) vom eigenen Webserver zu löschen
Zum Verständnis: Auf der Webseite mit der URL https://www.ra-plutte.de/team/ befinden sich Portraitfotografien des Teams der Kanzlei Plutte. Würde ich mein Profilfoto im Zuge einer hypothetischen Abmahnung aus unserer „Team“-Webseite heraus löschen, wäre es nicht mehr unter der oben genannten URL zu sehen. Die Fotodatei selbst wäre aber weiterhin auf unserem Webserver unter der URL https://www.ra-plutte.de/wp-content/uploads/2019/10/rechtsanwalt-niklas-plutte-240×240.jpg frei zugänglich.
Wer (wie bei Fotoabmahnungen Standard) vor Aussprache einer Abmahnung die URL der Bilddatei über Rechtsklick → „Bild in neuem Tab öffnen“ bzw. Rechtsklick → „Bildadresse kopieren“ aufruft und speichert, kann das Foto weiterhin offen einsehen. Im Fall von Content Management Systemen wie WordPress können je nach Einstellung sogar mehrere Versionen der Fotodatei in verschiedenen Größen auf dem Webserver hinterlegt sein, jede mit eigener URL.
Fotolöschung vergessen: Bisherige Rechtslage vor BGH-Lautsprecherfoto
Rief der Abmahner nach Annahme der strafbewehrten (modifizierten) Unterlassungserklärung die zuvor gespeicherte Webadresse (URL) der Fotodatei auf und war die Fotodatei noch erreichbar, sahen sich Abgemahnte Vertragsstrafenforderungen von meist 3.000 – 5.000 Euro pro Verstoß ausgesetzt.
Die Vertragsstrafen wurden damit begründet, dass die Fotodatei unter Verstoß gegen die zuvor unterzeichnete strafbewehrte Unterlassungserklärung weiterhin öffentlich zugänglich war (§ 19a UrhG). Trotz vielfacher Hinweise auf fehlende Praxisrelevanz derartiger Dateirelikte wurde diese Sichtweise über Jahre von zahlreichen Landgerichten und Oberlandesgerichten bestätigt.
BGH Fall: Fotodatei bei eBay Kleinanzeigen nicht vollständig gelöscht
Im Fall des Bundesgerichtshofs ging es um eine typische Konstellation: Ein Berufsfotograf hatte einen Anbieter auf eBay-Kleinanzeigen wegen unerlaubter Nutzung mehrerer Fotos abgemahnt. Der Abgemahnte gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, in der er sich verpflichtete, es bei Meidung einer Vertragsstrafe in Höhe von 1.000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, die betroffenen Fotos weiterhin öffentlich zugänglich zu machen. Diese Unterlassungserklärung nahm der Fotograf an.
Später verklagte er den Abgemahnten auf Zahlung einer Vertragsstrafe von 1.000 Euro mit der Begründung, eines der Fotos sei nach Zustandekommen des Unterlassungsvertrags noch weiter öffentlich zugänglich gewesen unter einem Link mit einer über 70-stelligen Folge von groß und klein geschriebenen Buchstaben, Sonderzeichen und Ziffern (Anm.: Gemeint ist der Direktlink zur Fotodatei, siehe obiges Beispiel).
Neue Rechtslage ab BGH-Lautsprecherfoto
Entgegen früherer Rechtsprechung diverser Instanzgerichte entschied der BGH, dass die unter ihrem Direktlink weiter aufrufbare Fotodatei im rechtlichen Sinne nicht öffentlich zugänglich gemacht worden sei, weder im Sinne von § 19a UrhG noch im Verständnis des Unterlassungsvertrags.
Dies sind die maßgeblichen Kriterien des BGH
- Nach § 19a UrhG ist das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.
- Der im Begriff der Öffentlichkeit ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt.
- Mit dem Kriterium recht viele Personen ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle enthält und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Zur Bestimmung dieser Zahl von Personen ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben.
- Auf dieser Grundlage ist das für die Prüfung der öffentlichen Zugänglichmachung relevante Kriterium „recht viele Personen“ nicht erfüllt, wenn ein Produktfoto, dass zunächst von einem Verkäufer urheberrechtsverletzend auf einer Internethandelsplattform im Rahmen seiner Verkaufsanzeige öffentlich zugänglich gemacht worden war, nach Abgabe einer Unterlassungserklärung des Verkäufers nur noch durch die Eingabe einer rund 70 Zeichen umfassenden URL-Adresse im Internet zugänglich war und nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass die URL-Adresse nur von Personen eingegeben wird, die diese Adresse zuvor – als das Foto vor Abgabe der Unterlassungserklärung noch im Rahmen der Anzeige des Verkäufers frei zugänglich gewesen war – abgespeichert oder sie sonst in irgendeiner Weise kopiert oder notiert haben, oder denen die Adresse von solchen Personen mitgeteilt worden war.
Grundsätze des Urteils auf Webseiten und Shops übertragbar
Aus unserer Sicht ist kein Grund erkennbar, warum die Maßstäbe des BGH nicht auch auf Fotorechtsverletzungen in Websites und Onlineshops übertragbar sein sollten, also auf Fälle ohne Bezug zu Online-Plattformen.
Nutzen Sie bei Fotorechtsverletzungen sowie Fragen zum Fotorecht unsere kostenlose und unverbindliche Ersteinschätzung.
a) kleiner Unterschied zwischen Online-Plattformen und eigenem Webspeicher. Im ersten Fall muss der Betreiber löschen (da habe ich i.d.R. keine eigene Löschmöglichkeit, ich stelle nur den Löschantrag wenn man so will) im zweiten Fall muss ich selbst löschen, z.B. via Filezilla oder anderen Managementsystemen. Klassisches Beispiel Ebay-Kleinanzeigen. Da wird häufig nur die Anzeige gelöscht oder deaktiviert, das Bild bleibt aber noch ewig abrufbar. Nicht jedoch wenn ich den Betreiber zur Löschung auffordere.
b) wird das Bild über Suchmaschinen gefunden, kann es wieder an die Oberfläche des Internets gespült werden. Ganz einfach weil die Suchmaschine eigene Beschreibungen aus der Bildanalyse hinzufügt. Und schon ist es wieder in der Suchmaschine zu finden.
Hier hilft nur eine dauerhafte Löschung, auch in den eigenen Backups um sicher zu stellen, dass nicht versehentlich neu veröffentlicht wird.
Insofern würde ich mich nicht darauf verlassen, dass der Direktlink nicht abmahngefährdet ist, sondern immer vollständig löschen, auch wenn das bei großen Systemen bedeutet mehrere hundert Bilder zu prüfen.