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Wettbewerbsrecht: Werbung mit „klimaneutral“ und Greenwashing

klimaneutral werbung

Die Umweltverträglichkeit von Produkten spielt für Verbraucher bei der Kaufentscheidung eine wichtige Rolle. Doch Vorsicht: Unternehmen, die ihre Produkte zu Unrecht als „klimaneutral“ bewerben, riskieren eine Abmahnung.

1. Klimaneutralität ist das aktuelle Werbegold

In den letzten Jahren ist das Bewusstsein der Bevölkerung für den menschengemachten Klimawandel und die Notwendigkeit von Maßnahmen zum Klimaschutz deutlich gestiegen. Eine Möglichkeit für die Wirtschaft, auf grünes Engagement aufmerksam zu machen, ist die Bewerbung von Waren, Dienstleistungen oder gar des ganzen Unternehmens als „klimaneutral“, z.B. über selbst geschaffene Klimalogos wie dieses fiktive Beispiel.

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2. Kennzeichnung als „klimaneutral“ ist umweltbezogene Werbeangabe

Die Bewerbung eines Unternehmens oder Produkts mit Klimaneutralität stellt eine umweltbezogene Angabe dar.

Umweltbezogene Werbeaussagen („Green Claims“) sind im Interesse der Information der Verbraucher und der Förderung des Umweltschutzes grundsätzlich zulässig (OLG Koblenz, Urteil vom 10.08.2011, Az. 9 U 163/11).

Die beworbene Umweltverträglichkeit einer Ware hat heute großen Einfluss auf das Kaufverhalten. Die wesentlichen Informationen zur Umweltbilanz eines Produkts unterstützen bewusste Verbraucher bei einem nachhaltigen Konsum. Umweltfreundliche Produkte können auf diese Weise einen positiven Beitrag zum Umweltschutz leisten. Gleichzeitig sind Bedeutung und Inhalt von Werbebegriffen wie „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“, „umweltschonend“ oder „biovielfach unklar (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.08.2021, Az. 4 U 57/21).

Aus dem gesteigerten Aufklärungsbedürfnis folgt ein strenger Maßstab für Werbung mit Umweltschutzbegriffen und -zeichen. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produktes und dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit“ bestimmen. Fehlen die nötigen aufklärenden Hinweise in der Werbung oder sind sie nicht deutlich sichtbar herausgestellt, besteht in besonders hohen Maß die Gefahr einer kaufentscheidenden Täuschung der Verbraucher (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.08.2021, Az. 4 U 57/21; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.05.2016, Az. 20 U 150/15).

Bei einer blickfangmäßigen Werbung mit der Umweltfreundlichkeit eines Erzeugnisses muss wegen der unterschiedlichen damit verbundenen Vorstellungen und Erwartungen darüber aufgeklärt werden, woraus sich die Umweltfreundlichkeit ergeben soll (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.1988, Az. I ZR 219/87Umweltengel). Jede einzelne zur Umweltfreundlichkeit getroffene Aussage muss erkennen lassen, welcher Umweltvorzug herausgestellt werden soll, um die Gefahr einer Irreführung durch die Verwendung des unscharfen Begriffs der Umweltfreundlichkeit auszuschließen.

Mehr allerdings, auch dies ist zu beachten, verlangen die §§ 3, 5 UWG nicht. Sie enthalten ein Irreführungsverbot, begründen aber kein Informationsgebot (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 30.06.2022, Az. 6 U 46/21 m.V.a. BGH, Urteil vom 20.10.1988, Az. I ZR 219/87Umweltengel; BGH, Urteil vom 14.12.1995, Az. I ZR 213/93 – Umweltfreundliches Bauen; OLG Koblenz, Urteil vom 10.08.2011, Az. 9 U 163/11CO2-neutral u.a.).

Beispiel: Wer mit dem Claim „umweltfreundlich produziert“ wirbt, muss den umweltbezogenen Vorzug erläutern, hier also erklären, weshalb der Produktionsvorgang umweltfreundlich sein soll. Fehlt eine solche Erläuterung, ist die Werbung bereits aus diesem Grund irreführend und wettbewerbswidrig (vgl. OLG München, Urteil vom 27.10.2016, Az. 29 U 1152/16; OLG Celle, Urteil vom 08.12.2016, Az. 13 U 72/16; OLG Stuttgart, Urteil vom 02.09.2016, Az. 2 U 57/16).

Beispiel: Werbeaussagen wie „CO2 Reduziert“, „Umweltfreundliche Produkte und nachhaltige Verpackungen“ oder „Unser Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit“ lassen in ihrer Allgemeinheit vollkommen offen, in Bezug auf welchen konkreten Aspekt des Produktionsprozesses, der Verpackung und des Vertriebs eine Umweltfreundlichkeit bzw. eine CO2-Reduktion in Relation zu welchem Standard konkret vorliegen soll und in welcher Hinsicht die verwendeten Verpackungen besonders nachhaltig sein sollen. Ohne nähere Erläuterung sind sie wettbewerbswidrig (OLG Hamm, Urteil vom 19.08.2021, Az. 4 U 57/21).

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3. Was bedeutet der Begriff „klimaneutral“ im Werbekontext?

Nach der Einstufung als umweltbezogene Angabe stellt sich vor allem die Frage, was unter dem Begriff „klimaneutral“ zu verstehen ist. Erst auf dieser Basis lässt sich beantworten, wann eine Werbemaßnahme objektiv falsch oder zumindest irreführend und damit abmahnbar ist (§ 5 Abs. 1, 2 UWG).

Nach heutigem Stand existiert noch kein allgemein akzeptiertes Verständnis, was „Klimaneutralität“ bedeutet.

Umstritten ist sowohl, wie der Begriff „Klima“ auszulegen ist als auch, wann in diesem Zusammenhang von „Neutralität“ gesprochen werden kann.

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4. Gerichtsurteile zu Werbung mit Klimaneutralität

Zwischenzeitlich haben sich auch deutsche Gerichte mit dem Begriff „klimaneutral“ auseinandergesetzt und dabei unterschiedliche Positionen eingenommen.

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5. Ist Werbung mit „klimaneutral“ nun verboten oder erlaubt?

Es existieren mehrere Initiativen, die Werbung mit Klimaneutralität gesetzlich verbieten bzw. stärker begrenzen möchten. Hervorzuheben ist der Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen (COM 2022/143). Die neuen Vorschriften sollen u.a. ein leichteres Vorgehen gegen Greenwashing ermöglichen, was bislang nur über allgemeine wettbewerbsrechtliche Mittel möglich ist.

Bis zu einer Umsetzung dieser Pläne ist Werbung mit Klimaneutralität (noch) grundsätzlich erlaubt.

Aber Vorsicht: Wer erwägt, eine Ware oder Dienstleistung mit dem Begriff „klimaneutral“ zu kennzeichnen, muss sich bewusst machen, dass in den meisten Fällen ein Risiko verbleibt, dass entsprechende Werbung wettbewerbsrechtlich angreifbar sein wird.

  • Die vollständig emissionsfreie Herstellung eines Produkts (unter Einbeziehung der Transportwege) in dem Sinne, dass keinerlei Treibhausgase ausgestoßen werden, kommt in der Praxis eher selten vor.
  • Sobald Treibhausgase bei Herstellung (inkl. Vertrieb) des Produkts ausgestoßen werden, kann Klimaneutralität nur noch erreicht werden, wenn man Kompensationsmaßnahmen als Ausgleichsmöglichkeit zulässt. Die strengsten Ansicht lehnen diese Möglichkeit ab mit der Folge, dass eine Werbung mit Klimaneutralität faktisch verboten wäre. Weniger strenge Vertreter lassen aktive Kompensationsmaßnahmen wie Baumpflanzungen zu. Die wirtschaftsfreundlichste Position erlaubt auch den (unbegrenzten/ausschließlichen) Erwerb von Emissionszertifikaten.
  • Solange eine gesetzliche Regelung bzw. Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Thematik fehlt, befinden wir uns in einer Zwischenphase. Wer sich aufgrund der starken Werbewirkung für eine Bewerbung einzelner Produkte als „klimaneutral“ entscheidet, geht nach aktuellem Stand ein Abmahnrisiko ein, da er auf ein Gericht mit strenger Sichtweise treffen kann. Das Risiko eines Wettbewerbsverstoßes reduziert man jedoch umso mehr, je konkreter und transparenter über Art und Umfang der entstehenden Treibhausgase informiert wird sowie darüber, welche Kompensationsmaßnahmen ggf. zum Ausgleich ergriffen wurden. Je vager ein Unternehmen hier agiert, umso mehr setzt es sich umgekehrt dem Risiko aus, dass ihm Greenwashing vorgeworfen wird. Der Begriff umschreibt irreführende Werbemaßnahmen, bei denen Verbraucher über die tatsächlichen Umweltauswirkungen von Produkten oder Dienstleistungen getäuscht werden durch grüne Marketingtaktiken, die objektiv keinen positiven, zumindest aber keinen neutralen Einfluss auf die Umwelt haben. Greenwashing stellt genauso wie objektiv wahrheitswidrige Werbeaussagen bzw. Aufklärungshinweise zur behaupteten Klimaneutralität eine unlautere Irreführung dar (§ 5 Abs. 1, 2 UWG), die über eine wettbewerbsrechtliche Abmahnungen verfolgt werden kann.

Beachten Sie daneben Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG, wo beispielhaft verschiedene unzulässige geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern aufgeführt werden. Diese sog. schwarze Liste umfasst Handlungen, die vom Gesetzgeber als stets unzulässig eingestuft wurden und von Unternehmen im fairen Wettbewerb gemieden werden müssen.

Darunter fallen im Zusammenhang mit umweltbezogener Werbung insbesondere folgende Tatbestände:

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6. Konsequenzen von unzulässiger Werbung mit Klimaneutralität

Unzulässige Werbeaussagen können teure wettbewerbsrechtliche Abmahnungen zur Folge haben. Hinzu kommt der Reputationsschaden, der insbesondere bei bekannten Unternehmen oder vertrauenswürdigen Marken durch eine medienwirksame Berichterstattung hervorgerufen werden kann.

Unsere Kanzlei ist auf das Wettbewerbsrecht spezialisiert. Wir unterstützen Unternehmen bundesweit beim Umgang mit Abmahnungen. Nutzen Sie bei Bedarf unsere kostenfreie Erstberatung.

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