Sind kalte Linkanfragen per E-Mail bzw. Telefon gegenüber fremden Unternehmen und Websitebetreibern zulässig oder unerwünschte Werbung? Eine Darstellung, worauf Anfragende und Agenturen achten sollten, um teure Abmahnungen zu vermeiden.
Linkbuilding durch Linkanfragen per E-Mail bzw. Telefon
In SEO-Blogs finden sich regelmäßig Tipps und Empfehlungen für effektiven Linkaufbau, aktuell z.B. 77 Linkbuilding Tipps bei seo-united.de. Neben vielen guten und begrüßenswerten Anregungen zur Verbesserung des Rankings der eigenen Website enthält die Liste allerdings auch rechtswidrige oder zumindest kritische Empfehlungen wie diese:
„9. Schreibe einem Webmaster eine E-Mail mit der Bitte, einen Link zu Deiner Seite einzubauen! Entscheidend hierbei ist, dass die Mail individuell auf den Webmaster bzw. seine Webseite zugeschnitten ist und Du in Deiner E-Mail konkrete Vorschläge für eine für beide Seiten sinnvolle Verlinkung machst.“
oder
„12. Greife zum Telefon! Eine potentielle Linkpartnerschaft am Telefon zu besprechen ist immer noch das Beste und für all jene geeignet, die sich nicht davor scheuen, in Sachen Linkbuilding auch mal mit anderen Menschen zu sprechen.“
„13. Gestalte das Linkgespräch persönlich! Auch wenn Du bereits per E-Mail um eine Verlinkung gebeten hast, scheue Dich nicht davor, im Anschluss auch noch mal persönlich mit dem entsprechenden Webmaster zu kommunizieren.“
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass bereits bei einem Unternehmen mit der überschaubaren Größe meiner Kanzlei ca. zwei bis drei Linkanfragen pro Woche von Agenturen oder direkt von Betreibern fremder Websites eingehen, teilweise zu absurden Themen wie der Bewerbung von Hochzeitskleidern und gerne verbunden mit dem Angebot, thematisch relevante Gastartikel zu verfassen.
Sind Linkanfragen im rechtlichen Sinne Werbung?
Es stellt sich die Frage, ob Backlinkanfragen, aber auch Anfragen zu Linktausch oder Linkkauf im rechtlichen Sinne Werbung darstellen, deren Zulässigkeit eine Einwilligung des Adressaten voraussetzt.
Nach ständiger Rechtsprechung ist Werbung
“jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern” (BGH, Beschluss vom 20.05.2009, Az. I ZR 218/07, E-Mail-Werbung II).
Dem Werbebegriff unterfallen neben unmittelbar produktbezogenen Angeboten auch Nachfragehandlungen sowie Maßnahmen der mittelbaren Absatzförderung (vgl. BGH, Urteil vom 12.09.2013, Az. I ZR 208/12 – Tell-A-Friend).
Anfragen zum Setzen eines Backlinks auf eine rein private Website fehlt das Ziel der Absatzförderung, wobei speziell bei Blogs Vorsicht geboten ist, wenn sie sich auch durch Einblendung von Werbemitteln wie Bannern etc. finanzieren.
Kalte Linkanfragen im geschäftlichen Bereich sind meines Erachtens aber als Werbung einzustufen, da es sich um Nachfragehandlungen bzw. zumindest Maßnahmen der mittelbaren Absatzförderung handelt. Das Setzen des begehrten Backlinks zielt darauf ab, das Ranking der verlinkten Seite in den organischen Ergebnissen der Suchmaschinen (= Google) zu verbessern, was mehr Besucher auf die Website locken und damit letztlich den Absatz (= Umsatz, Generierung von Leads etc.) zu Gunsten des Websitebetreibers erhöhen soll.
Linkanfragen per E-Mail
Gegen Linkanfragen im persönlichen Gespräch ist rechtlich ebensowenig einzuwenden wie gegen den Versand von schriftlichen Anfragen per Briefpost. Für werbliche Anfragen per E-Mail gelten jedoch strengere Regeln, da dieser Kontaktweg aufgrund seiner niedrigen Kosten und erheblichen Reichweite ein erhebliches Belästigungspotential birgt.
Werbemails sind grundsätzlich nur erlaubt, wenn dem Werbenden vom Empfänger eine vorherige, ausdrückliche Einwilligung erteilt wurde (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG). Ausnahmsweise können Werbemails im Falle einer bestehenden Geschäftsverbindung mit dem Adressaten zulässig sein (§ 7 Abs. 3 UWG). Die auf frühere Käufe in Onlineshops angelegte Ausnahme vom Werbeverbot ohne ausdrückliche Einwilligung dürfte bei Linkanfragen jedoch nur selten greifen. Der praktisch häufigste Fall in Gestalt einer kalten Linkanfrage per E-Mail an ein fremdes Unternehmen ist ausnahmslos rechtswidrig.
Gegenüber Mitbewerbern, also z.B. konkurrierenden Unternehmen derselben Branche, können Unterlassungsansprüche unmittelbar aus Wettbewerbsrecht per Abmahnung über § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG durchgesetzt werden. Linkanfragen von Agenturen oder Websitebetreibern für Websites mit thematisch fremden Waren- und Dienstleistungsangeboten stellen rechtswidrige Eingriffe in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar, die ebenfalls per Abmahnung über §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB verfolgbar sind.
Linkanfragen per Telefon
Cold Calls mit Linkanfragen gegenüber fremden Unternehmen unterliegen etwas lockereren rechtlichen Vorgaben. Sie können im Einzelfall erlaubt sein, da nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG bereits eine mutmaßliche Einwilligung des angerufenen Unternehmens ausreicht.
Damit ist allerdings nicht gemeint, dass telefonische Linkanfragen gegenüber Unternehmen stets erlaubt wären. Vielmehr muss der Anrufer vorab prüfen, ob das Unternehmen bei verständiger Würdigung der Umstände den geplanten Anruf erwarten oder ihm jedenfalls aufgeschlossen bzw. positiv gegenüberstehen wird. Das ist nur der Fall, wenn aufgrund konkreter Umstände ein sachliches Interesse des Anzurufenden am Anruf vermutet werden kann. Eine bloß allgemeine Sachbezogenheit des Anrufs, die nahezu immer gegeben ist, reicht nicht aus, da Telefonwerbung sonst unbegrenzt möglich wäre.
Der Werbende muss davon ausgehen dürfen, dass der Anzurufende einen aktuellen oder konkreten Bedarf für die angebotene Ware oder Dienstleistung hat UND mutmaßlich (gerade) auch mit einer telefonischen Werbung einverstanden sein wird (vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2007, Az. I ZR 88/05 – Suchmaschineneintrag; BGH, Urteil vom 11.03.2010, Az. I ZR 27/08 – Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel).
Anfragen zu Backlinks auf thematisch fremde Websites werden es vor diesem Hintergrund stets schwer haben. Da Google zunehmend auf die thematische Relevanz von Backlinks zu achten scheint, wird der Anrufer im Falle einer rechtlichen Auseinandersetzung kaum je einmal Gründe liefern können, warum der Angerufene aus seiner Sicht ein sachliches Interesse an einem thematisch fremden Link hätte haben sollen (vgl. mein obiges Beispiel für eine Linkanfrage zum Thema Hochzeitskleider auf einer Kanzlei-Website).
Doch selbst bei thematischer Ähnlichkeit zwischen Anrufer-Website und Dritt-Website halte ich es für schwer begründbar, welche Umstände den Anrufer vernünftigerweise zu der Schlussfolgerung berechtigen dürften, dass der Angerufene 1. gerade aktuell an einem Linkgeschäft mit dem Anrufer Interesse hatte und 2. mit einer Anfrage per Telefon einverstanden sein sollte.
Beispiel
Jedes Unternehmen mit einem Büro benötigt in einem gewissen Maße Druck- und Kopierpapier. Dieser Umstand berechtigt einen Papierverkäufer jedoch nicht dazu, sämtliche Unternehmen in Deutschland anzurufen, um den Verkauf seines Druck- und Kopierpapiers anzupreisen. Da Linkanfragen wie beschrieben ebenfalls Werbung darstellen, darf der Papierverkäufer meines Erachtens weder Mitbewerber noch branchenfremde Unternehmen „kalt“ anrufen, um einen Kauf oder Tausch von Backlinks, das Schreiben von Gastartikeln mit Backlinks etc. für seine geschäftliche Website bzw. seinen Onlineshop anzubieten.
Zusammenfassung
Bislang werden die meisten Unternehmer kalte Linkanfragen noch überwiegend als schmeichelhafte Bestätigung des Erfolgs ihrer Website angesehen haben. Aus rechtlicher Sicht dürften derartige Linkanfragen per E-Mail aber unerwünschte Werbung darstellen, die abgemahnt werden kann.
Kalte telefonische Linkanfragen können bei Vorliegen einer mutmaßlichen Einwilligung des Angerufenen erlaubt sein. Für die Masse der Fälle dürfte es jedoch an einer mutmaßlichen Einwilligung fehlen. Da das Risiko einer subjektiven Fehleinschätzung allein beim Anrufer liegt, verbleibt zumindest eine erhebliche Abmahngefahr.
Hier finden Sie eine ausführliche Übersicht zum rechtskonformen Versand von E-Mail-Werbung sowie den Ansprüchen bei unerwünschter Werbung („SPAM“).