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LG Hamburg: Haftung eines Internetcafés für Filesharing

Abmahnung Filesharing Anwalt

Hinsichtlich privater Internetanschlüsse hat sich zur Störerhaftung mittlerweile eine herrschende Auffassung in der Rechtsprechung herausgebildet. Im Fall von Anbietern, die einen Internetanschluss im Rahmen Ihrer gewerblichen Tätigkeit zur Verfügung stellen, gibt es jedoch bisher kaum Rechtsprechung.

Nun hat das Landgericht Hamburg mit Beschluss vom 25.11.2010, Az. 310 O 433/10 entschieden, dass der Betreiber eines Internetcafés für Urheberrechtsverletzungen seiner Kunden haftet, wenn er den Internetzugang zuvor nicht in zumutbarer Weise gesichert hat, etwa durch Sperrung der beim Filesharing erforderlichen Ports.

LG Hamburg: Betreiber von Internetcafé haftet für Urheberrechtsverletzungen seiner Kunden (Störerhaftung)

Die Klägerin war in diesem Fall ein Musikverlag, welcher über ausschließliche Nutzungsrechte an einem Film verfügte, der über einen Rechner des beklagten Internetcafé-Betreibers in einer P2P-Tauschbörse zum Download angeboten worden war. Auf die Abmahnung des Verlags verweigerte der Beklagte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit der Begründung, der Film sei nicht durch ihn selbst, sondern durch einen Kunden zum Upload angeboten worden. Daraufhin erhob der Musikverlag Unterlassungsklage. Das Landgericht Hamburg gab der Klage statt. Bei dem Upload eines Filmwerks handele es sich um eine rechtswidrige Urheberrechtsverletzung, weshalb der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung hätte abgeben müssen. Als Betreiber hafte er selbst dann in eigener Person, wenn man seinem Vortrag folgen würde, ein Kunde des Internetcafés habe die Rechtsverletzung begangen. Der Beklagte habe nämlich keinerlei Schutzmaßnahmen gegen illegales Filesharing ergriffen. Insbesondere sei es ihm zumutbar gewesen, die für das Filesharing erforderlichen Ports zu sperren. Das Gericht bestätigte auch den von der Klägerseite angesetzten Streitwert in Höhe von 10.000,00 €. Dieser sei vor allem deshalb nicht überzogen, weil es sich um einen relativ aktuellen Film gehandelt habe.

Kommentar

Die Entscheidung des LG Hamburg ist in praktischer Hinsicht leider alles andere als überzeugend. Nach meiner Auffassung ist es höchst fraglich, ob zurzeit überhaupt effektive und für den Zugangsbetreiber zumutbare Schutzmaßnahmen existieren, illegales Filesharing seiner Kunden zu unterbinden. Eine Sperrung der „für das Filesharing erforderlichen Ports“ kommt hierfür jedenfalls nicht in Frage. An dieser Stelle wird deutlich, dass es dem Gericht in dieser Hinsicht an technischem Detailwissen mangeln dürfte. Aus diesem Grund möchte ich die vom Gericht geforderte Sperrung von Ports und die konkreten Auswirkungen auf das Filesharing technisch genauer beleuchten:

Peer-to-Peer Programme (sog. „Clients“) nutzen mehrstellige Portnummern für eingehende und ausgehende Verbindungen (TCP bzw. / UDP-Adressen). Die Portnummern sind allerdings nicht fest zugeordnet, sondern unterscheiden sich je nach Anbieter, teilweise sogar je nach Version bzw. Modifikation des Clients.

Portsperren – Sinn/Unsinn?

Der Anbieter hat nun zunächst die Möglichkeit, diejenigen Ports zu sperren, die von Peer-to-Peer Clients in der werkseitig vorgegebenen Standardkonfiguration für den Dateitausch genutzt werden. Ob so die Portnummern aller Peer-to-Peer Programme erfasst bzw. überhaupt erfasst werden können, erscheint aufgrund der enormen Anzahl von Clienttypen allerdings mehr als zweifelhaft. Eine Aufstellung der Standardports für die gängigsten P2P-Programme bietet z.B. Wikipedia. Diese Liste ist jedoch bei weitem nicht abschließend und auch nicht tagesaktuell, so dass eine darauf aufbauende Portsperre lückenhaft ist und keinen sicheren Schutz bietet.

Die punktuelle Sperrung der „Standardports“ bietet aber auch deshalb keinen dauerhaften Schutz, weil die Anbieter von Filesharingsoftware regelmäßig modifizierte Versionen bzw. völlig neue Clients der Software zur Verfügung stellen. Der Zugangsbetreiber müsste demnach die Liste der zu sperrenden Ports stetig nach neuen Versionen und Clients umfassend aktualisieren. Es ist nicht ersichtlich, wie dies in der Praxis zu bewerkstelligen sein sollte.

Eine Pflicht zur ständigen Sperrung aller über unterschiedliche Filesharing-Software verwendeten Ports über die beschriebene Sperrvariante ist demnach unzumutbar und nicht geeignet, illegales Filesharing nachhaltig zu unterbinden.

Erschwerend kommt hinzu, dass zahlreiche Clients ihren Nutzern eine manuelle Änderung der für den Up- und Download angesprochenen Ports erlauben. Dies hat zur Folge, dass der Nutzer der Filesharing-Software mit der manuellen Änderung des Ports in der Software selbst die Sperrung ganz einfach umgehen kann.

Fällt die Umgehung einer Zugangserschwerung jedoch derart leicht, so stellt sich die Frage nach deren Sinn. Denn je leichter eine Erschwerungsmaßnahme umgangen werden kann, desto weniger kann vom Betreiber des Zugangs die Einrichtung einer solchen Sperre verlangt werden (vgl. hier zutreffend LG Hamburg, Urteil vom 12.03.2010, Az. 308 O 640/08; die Analyse des Gerichts zu den technischen Kenntnissen und Fähigkeiten von Filesharing-Usern dürfte übertragbar sein).

Eine weitere Möglichkeit der Sperrung bestünde darin, zunächst alle Ports zu sperren und im nächsten Schritt von diesem Generalverbot Ausnahmen zu definieren, die vom Betreiber nachträglich individuell für die Nutzung freigegeben werden. Hier stellt sich jedoch die zentrale Frage, welche Ports freigegeben werden dürfen. Offene Ports für Browser und E-Mail-Clients sowie Messengerdienste und Internettelefonie (zB (ICQ, Skype oder MSN) sind für die durchnittliche Nutzung des Internets unerlässlich. Sobald diese Standardports geöffnet sind, lassen sich Urheberrechtsverletzungen jedoch nicht mehr ausschließen. Dabei sind Datentransfers per FTP, der Musikkauf z.B. bei iTunes oder auch der gerade für Internetcafés wichtige Onlinespielbetrieb überhaupt noch nicht berücksichtigt

Im Ergebnis entstünde so voraussichtlich eine Erlaubnisliste, welche die bereits beschriebene Verbotsliste noch übersteigt, gleichzeitig erhebliche Nutzungsbeschränkungen zu Lasten des Nutzers mit sich bringt und eine Unterbindung des Filesharings auch nicht zuverlässig gewährleistet.

Eine dauerhafte, lückenlose Absicherung des Internetzugangs gegen illegales Filesharing durch den Nutzer erscheint vor diesem Hintergrund für den Anbieter z.B. in einem Internetcafé gegenwärtig technisch unmöglich. Die in der Entscheidung angepriesenen Portsperren stellen jedenfalls ebenso wenig wie die vielfach in der Rechtsprechung bemühten beschränkten Benutzerkonten und Firewalls keine geeigneten Schutzmechanismen und damit kein Allheilmittel gegen Filesharing dar, da sie im Zweifel durch den Nutzer ganz einfach zu umgehen sind.

Hat der Nutzer diese schwachen Schutzmechanismen erst einmal umgangen, hilft dem Anbieter auch der Nachweis nicht mehr, er habe alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, indem er die „für das Filesharing erforderlichen Ports“  gesperrt hat. Denn dann wäre es ja nach der Logik des Gerichts erst gar nicht zu der Urheberrechtsverletzung gekommen.

Wer im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit einen Internetanschluss für Kunden zur Verfügung stellt, für den gilt ebenso wie für den originären Access-Provider zunächst die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG. Solange keine positive Kenntnis der Rechtsverletzung besteht, haftet der Anbieter demnach nicht. Diesen gewichtigen Grundsatz hebelt das LG Hamburg in seiner vorliegenden Entscheidung mit einer technisch äußerst fragwürdigen Argumentation aus. Hier hat man es sich ein weiteres Mal zu einfach gemacht und unreflektiert eine Klage der Musikindustrie durchgewinkt.

Es bleibt deshalb zu hoffen, dass sich diese Rechtsprechung nicht verfestigt. Andernfalls droht das faktische Verbot öffentlich zugänglicher W-LANs in Gastronomiebetrieben, Hotels oder Internetcafes, da die Anbieter technisch letztlich keine Möglichkeit haben, Rechtsverletzungen umfassend zu verhindern.

Haben Sie eine Abmahnung erhalten? Unterschreiben Sie keinesfalls die Unterlassungserklärungsvorlage. Nehmen Sie stattdessen meine unverbindliche und kostenlose Ersteinschätzung in Anspruch.

Autor: Niklas Plutte

Niklas Plutte ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz mit Sitz in Mainz. Folgen Sie ihm bei Twitter, Facebook und LinkedIn!

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